Erna Kubischke, eine reife Dame kurz vor dem Ende ihrer Lebensarbeitszeit, sitzt wie immer am Schalter, der Vivo Genossenschaftsbank in Ostertimke. Mit ihrer Erfahrung von über 40 Berufsjahren schielt sie zur Uhr. Noch drei Minuten, dann schließen sich die Tore der Bank automatisch. "Mögen die Besucher dieser Bank auch denken, dass ich ein altbackenes Fräulein bin und die Bank ein Relikt sei, dann täuschten sich alle Narren."
Noch zwei Minuten Dienstzeit. Dann endlich Rente. Jäh stürmen zwei Männer mit Masken vor dem Gesicht in die Bank. "Nur die Nerven behalten!" ,sprach sie sich Mut zu. Mit dem Knie löste sie den Stillen und den dann auch noch den finalen Alarm aus, weil keine Kunden in der Schalterhalle anwesend waren. Das Rollgitter der Bank schloss sich im Zeitlupentempo. Jetzt erst hörte sie die rüden Zurufe. "Geld her, aber dalli. Sonst schießen wir dir die Rübe weg." Aber es senkte sich Zentimeter für Zentimeter, während sie den Kerlen lauschte. Der erste Mann fuchtelte mit seiner Knarre in der Hnad rum und Erna sah, dass es nur so eine olle Schreckschusswaffe war, die lediglich laut knallte. Der zweite Kerl zückte eine abgesägte Schrotflinte und ballerte den ersten Schuss auf ihren bestens gepanzerten Arbeitsplatz.
Erna begann zu kichern. "Seit ihr Amateure. Mit soner Schrottwaffe wird man hier nichts. Mit ner Spatzenposse durchdringt ihr das Panzerglas niemals. Und der Gasrevolver ist auch eine Lachnummer. Entspannt stieg sie von ihrem ergonomischen Sitzstuhl, den ihr die Bank vor zehn Jahren endlich zugebilligt hatte. Sie ging zu ihrer großen Handtasche und zerrte ihren Magnum Colt hervor. "Hey, ihr Eierköpfe. Das ist ne Knarre. So, jetzt legt die Waffen nieder und haltet die Klappe. Beide Männer starrten sich erschrocken an. "Juri, du sagtest, das alte Weib ist dem Tod näher als dem Leben. Aber die scheint zu den Avangern zu gehören." Erna schüttelte den Kopf. "Nee, zum Ersten Ostertimker Schützenverein von 1874. Und der dürre Heini soll jetzt sein Spielzeug niederlegen. Ist ja jetzt eh egal. Die Bank ist verriegelt und ich verlasse jetzt diese öde Party. Mit ihrer Knarre in der Hand und der Handtasche, die sie rasch griff verließ sie den Kassenraum durch ihre persönliche Hintertür, die sogar richtigen Waffen standhielt.
Polizei rückte an und einige Schaulustige standen schon vor der Bank. Kurz ging sie zu ihrem Spind und hinterlegte den Tagescode für den Bankrechner und den Tresor in dem Fach mit dem Zeitschloss. Rasch schnappte sich noch Herbert, ihren Kaktus und legte sich ihre Strickjake um die Schultern. Ein Polizist eilte ihr durch den Nebeneingang entgegen. Nach ihm folgte eine ganze Meute von Polizisten mit Helmen und schusssicheren Westen. "Erna rief den Polizisten zu. "Die beiden Spinner sind harmlos. Erschrecken sie die beiden Hobbybankräuber nicht, die könnten sonst nasse Flecken auf dem Boden hinterlassen."
Vor der Bank standen der Bankdirektor aus Rotenburg an der Wümme mit einem Blumenstrauß in der Hand. "Frau Kubischke, ist bei ihnen alles in Ordnung?" Erna wäre nicht Erna, wenn sie nicht auch noch diese unpassende Situation meistern würde. "Ja, war ja der letzte Arbeitstag. Zuerst dachte, sie hätten die beiden Narren als Abschiedsgeschenk für mich geschickt, aber das waren nur lausige Teilzeitterroristen." Dr. Kübel hörte über seinen Pieper im Ohr eine Nachricht. "Tut mir leid Frau Kubischke, aber das war nicht ihr letzter Arbeitstag. Sie müssen noch drei Monate nach der Kur und all der Aufregung dranhängen, weil sie jetzt im Schutzprogramm von Raubopfern sind. Leider muss ich ihnen noch mitteilen, dass Herr Mögelmann derzeit unpässlich ist und frühestens in sechs Monaten wieder einsatzbereit sein dürfte. Soll heißen, sie bleiben uns noch bis zum Jahresende erhalten."
Erna drehte sich zu dem Bankdirektor. "Dr. Kübel! Das Sie es wagen mir meinen letzten Arbeitstag zu versauen ist echt die größte Frechheit. Seit zwanzig Jahren verweigern sie mir den Posten als Filialleiterin. Sie haben immer depperte Jungbänker gefördert und sehen sämtliche Frauen nur als Betthäschen. Ach, wenn sie in ihr schickes Büro in Rotenburg zurückkehren, dann finden sie dort eine Klageschrift von mir vor. Die Blumen können sie einer ihrer vielen Freundinnen schenken. Guten Tag."
Erna drehte sich ab und bestieg ihren Ford Fiesta, der neben der Bushaltestelle parkte, weil nur Männer in dieser Bank einen Parkplatz von der Bank gestellt bekamen. Nett winkte sie Dr. Kübel zu und startete den Motor. Laut rief sie ihrem Chef zu. "Die letzte Abrechnung dürfen sie machen, bin ja jetzt nervlich zu angeschlagen. Die Schlüssel liegen in meinem Spind im Save. So jetzt muss ich erst einmal Herbert versogen und dann meine Sachen packen. Nächste Woche fahre ich in den Urlaub. Sie sollten jetzt der Polizei hinterher, weil sie sonst nicht mehr an den Schlüssel rankommen. Ist nur ein Tipp von so einer Provinzschlampe, wie sie mich ja üblicherweise titulierten."