In allen Universitäten, in denen Geologie unterrichtet wird gibt es jährlich ein besonderes Fest. Es ist die Barbarafeier der Fachschaft, die immer am vierten Dezember gefeiert wird. Bei dieser Feier werden üblicherweise die Honoratioren geehrte, Klamauk gemacht, die Trinkfestigkeit geprüft und die neuen Studentinnen und Studenten werden in die ehrenvolle Runde der Geowissenschaftler aufgenommen. Der alte Professor war gegangen und sein Nachfolger wollte alles vollkommen anders machen. Offenbar kannte er die geheimen Bräuche der Geowissenschaftler nicht.
Das Fest war wie üblich groß angekündigt worden. Nun standen wir also vor dem Geologischen Institut und erwarteten den Einlass. Einstmals war dieser Bau ein Offizierskasino und von den Jahren zuvor kannten wir die derben Späße. Mal waren es Geröllmassen (Schaumküsse), die die Neulinge wegfuttern mussten, oder eine zünftige Bierdusche, oder das berühmte Einfahren auf einem Ledertuch in den Stollen . Mit Sicherheit waren dieses Jahr etwas anderes zu erwarten und die Spannung stieg. Sicherheitshalber waren wir gut vorbereitet und hatten schon die eine oder andere Gerstenkaltschale genossen.
Dann wurden endlich die heiligen Hallen eröffnet. Humorlos wurden wir in die Räumlichkeiten eingelassen und wir schauten uns verdutzt um, weil eben kein Tunnel, kein Erdbeben oder Geröllmassen auf uns warteten. Eine Ansage in ein Mikrofon ließ uns aufschrecken. "Hochverehrte Gäste, dieses Jahr werden wir die "Schottische Variante" feiern." Viele hörten nicht mehr zu und ein Stimmgewirr erhob sich über die Masse der Feierlustigen. In Gedanken fragten wir uns, wie ein Erstsemester diesen Tag in Erinnerung behielt, wenn nur eine Spartanische Variante gefeiert wurde?
Ein Pfaffe erschien und segnete die Anwesenden im Festsaal, so wie es seit Jahrhunderten Brauch war. Irritiert verfolgten wir diese Variante, bei der keiner lachte, keiner eine Aufgabe erfüllen musste oder ein kleiner Spaß gemacht wurde. Ich erinnerte mich noch am meine Aufnahme in den Kreis der edlen Bergleute. Erst der Tunnel, dann ein Erdbeben und danach die Rettung des Gerstensaftes. Enttäuscht schauten wir uns um, viele Dozenten grübelten auch was noch kommen würde. Der neue Professor erschien und ergriff das Mikrofon. "Liebe Kollegen und Kolleginnen, liebe Studentinnen und Studenten, verehrte Gäste. In den letzten Jahren wurde das Fest immer mehr zu einem witzigen Festumgemünzt. Mit dem Brauchtum hat es leider nicht mehr viel zu tun. Daher habe ich mich entschlossen die gefährlichen Spielereien zu untersagen. Es ist für die jungen Studentinnen und Studenten nicht akzeptabel übermäßig dem Alkohol zuzusprechen, durch enge Tunnel zu kriechen und mit Bierfässern durch die Gegend gerollt zu werden. Auch die Einfahrt in ein Bergwerk auf einem Ledertuch, das Bohren mit einem Presslufthammer, das Nageln von Stütz und Strebewerk ist meiner Meinung nicht dazu angetan neue Studenten für diese Fachrichtung zu gewinnen. Aus diesem Grund wird uns eine Schottische Tanzgruppe einige ursprüngliche Tänze aus dem Hochland zu Drums and Pipes vorführen."
Kaum hatte der Professur seine Rede beendet, da wuchs der Zorn der Gäste. Viele verließen zügig dieses Fest, weil ein Gerücht die Runde machte. In Halle D würde eine herkömmliche Feier für die Heilige Barbara durchgeführt werden. Jeder kannte die Versuchshalle und jeder ahnte das der Einfallspinsel am Mikrofon uns zum Narren halten wollte. Warum ging man zu einem Festakt, wenn man nur kastriertes Bier und Limo trinken sollte. Oder ging man zu einem fest um Gaudi zu erleben? Zügig strömten wir bei Nieselregen in die große Halle. Gerne entrichteten wir noch einmal den heiligen Tribut von zwei DM und schon begann die Gaudi. Jeder musste durch einen Tunnel rutschen, danach eine steile Leiter erklimmen um ein heftiges Erdbeben auf der großen Rüttelplatte zu erleben und danach gab es die altehrwürdige Einfahrt ins Bergwerk. Natürlich konnte man sich freikaufen, wenn man wirklich furcht vor kleinen Späßen hatte oder nicht die passende Abendgarderobe trug. Mit diesen Geldern wurde der Konsum an Getränken subventioniert. Prof. Dr. Putzer hatte wie immer eine Tombola organisiert, bei der man Edelsteine gewinnen konnte und Dr. G. demonstrierte alte Sprengtechniken mit Chinaböllern, also den Vollschuss, den Reihenschuss und den Kantschuss. In der Regensimulationsanlage wurde getanzt und hin und wieder gab es eine kleine Dusche, um die übermäßige Abwärme Erzeugung beim Tanzen einzudämmen. Es wurde gelacht und auch die Erstsemester kamen auf ihre Kosten. Sie durften Geröll futtern, dieses Jahr gab es thixotropes Geröll mit Nüssen und Joghurt (Müsli), dass sie blind auf der Rüttelplatte in ihren Mund befördern mussten. Nicht immer traf der Löffel den Mund, so dass eine überschaubare Menge andernorts landete.
Der emeritierter Professor hielt eine heitere Rede über sein Wirken an der Uni und bedankte sich bei allen Gästen und seinem Mitstreitern. Kurz hielt er inne um die Geologen zu ehren, die im letzten Jahr bei ihrer Tätigkeit verstorben waren. Die Liste war länger als erwartet, denn durch einen Vulkanausbruch und einen Flugzeugabsturz waren über siebzig Geologen umgekommen und fünfzehn waren unter Tage geblieben. Ein kurzes Gebet folgte und danach die Schweigeminute. Die Stimmung wurde danach durch ein Getränk wieder aufgemöbelt. Hunderte Brennende Gläser wurden hereingetragen und jeder der wollte konnte so einen Seelentrunk zu sich nehmen. Ein Sponsor hatte ausreichend Seelenfeuer gespendet.
Jeder wusste, dass nun das Saufen beginnen würde, denn Geowissenschaftler gehören zu einem trinkfreudigen Volk, dass weder Tod noch Teufel, weder Kupfer noch Nickel (Berggeister) fürchtet. Nach ein zwei weiteren Getränken mussten wir das Fest verlassen. Addi, mein Studienfreund wurde abgeholt und erklärte laut. "Wie soll man ein Fest ohne Fete feiern und wie soll man sich mit Limo betrinken. Am nächsten Morgen fuhren wir in ein frühmittelalterliches Bergwerk und die Stimmung war gut. Erstmals würden die Erstsemester ein spektakuläres Erlebnis genießen können. Sie durften in Kriechstollen bäuchlings zu den Abbaustätten robben. Natürlich alle ausgestattet mit Helmen und Stirnleuchten. Es war wunderbar durch Schlamm zu gleiten, um danach die Welt der der Bergleute aus dem achten Jahrhundert zu erleben. Manche Einfallspinsel hatten offenbar den Aushang für die Exkursion nicht so genau gelesen. Sie hatten keine Overalls dabei, keine Gummistiefel und die Handschuh fehlten auch, sowie die Plastiktüten die man sich unter den Blaumann steckte. Auch das waren Einfallspinsel, denn festes Schuhzeug sind weder Pumps noch Turnschuhe. Unsere Dozentin wies alles Wehklagen und Jammern ab, schließlich sollten Studenten zumindest einfachste Botschaften lesen und verstehen können. Manche Studenten verließen danach diesen Studienbereich, da sie offenbar nicht damit rechneten, dass die jemals mit Schmutz und Dreck in Berührung kommen würden.