Triggerwarnung: Achtung hier lauert Gewalt (16+)
Kennt ihr das? Dieses Gefühl, dass da jemand oder etwas hinter euch ist, auch wenn es eigentlich nicht so sein kann? Dieser jemand müsste schon ins Haus eingebrochen sein oder dieses etwas müsste absolut lautlos sein, denn es sind gar keine Schritte zu hören …?
So war es bei Kieran an jenem Abend, von dem ich nun berichte.
Der junge Mann arbeitete an den Wochenenden in einer dieser wirklich verruchten Bars in Soho. Ihr wisst schon, die, wo normale Leute auf der Suche nach einem Drink bei Musik oder einem Flirt gar nicht erst hineinkommen. Und es gab gute Gründe dafür: Kieran sah gut aus, beherrschte seinen Job, doch er war blind. Was immer in den Hinterzimmern und dem Kellergewölbe dieses Etablissements vonstattenging, er sah es nicht. Illegales Glücksspiel und Prostitution waren nur der Anfang. Geschäftliche Deals der Unterwelt Londons und blutige Hundewettkämpfe waren so ziemlich das Ende. Die ganze Schäbigkeit und Brutalität dieses Ortes schreckte ihn nicht. Er war so aufgewachsen, in einem dieser „Häuser“, ihr wisst schon. Und als diskreter Barkeeper oder Laufbursche verdiente er gutes Geld. Genug, um über die Runden zu kommen und in der Woche Kurse für Songwriter und Gitarre an der London School of Music zu besuchen, denn mit Anfang zwanzig hatte er sein altes Leben satt. Erst recht die unverblümten Angebote, die er immer wieder bekam. Dreihundert Pfund für eine Nacht mit irgendeinem angetrunkenen Geldsack. Nein- das machte er nicht mehr. Auch wenn die Kohle verlockend war.
So auch dieses Mal. Der Typ hatte ihn am Arm gepackt, als er ihm einen gemixten Drink auf den Tresen stellte. Allein die Tatsache, dass Kieran seine Hand gleich wegzog hätte dem Typen Zeichen genug sein müssen, aber der hielt sich wohl für etwas Besonderes.
„Jetzt hab dich nicht so“, blaffte ihn der Grabscher an. „Ihr Jungs hier seid doch alle keine Klosterschüler und du kannst ein extra Trinkgeld sicher gut gebrauchen.“
Mit seinen unnützen, toten Augen blickte der junge Mann dennoch zielgerichtet auf den Kerl, der ihn so dreist anmachte. „Geht dich einen Scheiß an, was ich mache oder nicht mache.“
Der Typ lachte auf. „Du bist wohl lebensmüde, so zu reden! Weißt du, wer ich bin? Im ganzen East End bin ich bekannt als Heavy Chris. Und ich kriege immer, was ich will. Weil du mir so gefällst, kriegst du das Doppelte. Wäre doch schade, wenn die Bullen sonst deine junge Wasserleiche finden.“
Kieran nahm einen tiefen Atemzug und wählte seine nächsten Worte mit Bedacht. „Ich kenne dich und deinen Ruf, Heavy Chris. Aber du kennst mich nicht. Und lieber ende ich als Toter in der Themse als in einem Hinterzimmer mit dir.“
Blind, wie er war, sah Kieran die Reaktion des schweren Typen nicht. Dieser funkelte ihn bedrohlich mit seinen gierigen Schweineaugen an, zog die Mundwinkel zu einem fiesen Grinsen hoch und tippte eine Nachricht in sein Handy. Natürlich war seine Drohung nicht leer gewesen.
Viel später dann, machte sich Chris auf den Weg. Er war nicht gerade wenig betrunken und der Geruch von Sex, den er sich bei einem anderen, willigen Angestellten der Bar geholt hatte, haftete schwer an ihm. Im Dunkeln trat er torkelnd gegen eine weggeworfene Flasche, irgendwo in einer Seitengasse, in die er das Taxi bestellt hatte. Aber es war noch nicht da. Etwas oder jemand anderes war jedoch da, das konnte er plötzlich in seinem fetten Nacken spüren. Lautlos und wie aus dem Nichts. Langsam drehte er sich um, da war es auch schon geschehen. Mit einer aufgeschlagenen Flasche, die Kieran ihm in Hals rammte, ging er zu Boden. Den Aufprall spürte er schon nicht mehr.
Am nächsten Tag, mit der Ebbe, fand man seine frische Leiche am Ufer der Themse.