Seit Wochen schon sprachen Elke und Jürgen immer wieder davon Tim von seinem Geschwisterchen zu erzählen. Elkes Morgenübelkeit beschränkte sich Gott sei Dank auf die frühen Morgenstunden und Tim schob die Schweigsamkeit seiner Mutter am Frühstückstisch auf kurze Nächte und die viele Arbeit, die zu dieser Jahreszeit auf ihrem kleinen Bauernhof anfiel.
Wie jeden Morgen saßen Elke und Jürgen um kurz nach sechs am Frühstückstisch. Jürgen trank Kaffee, Elke Tee.
»Heute sagen wir es ihm endlich, nicht wahr?«, murmelte Elke unvermittelt.
Jürgen blickte von der Zeitung auf, sah seine Frau einen Moment lang einfach nur an und nickte dann.
»Ja ... wir sollten es ihm langsam sagen. Immerhin sieht man so langsam, dass dein Körper sich verändert«, murmelte er.
Elke grummelte leise, dass er aufhören sollte, sie fett zu nennen, aß dann aber einfach ihren Haferbrei weiter.
Jürgen hob rasch die Zeitung, damit Elke sein Grinsen nicht sah. Sie war schon bei ihrer ersten Schwangerschaft sehr empfindlich gewesen, was Anspielungen auf ihre Figur anging. Nicht, dass Jürgen sie schwanger und dadurch mit ein paar Pfunden mehr auf den Rippen nicht attraktiv fand, aber Elke war nun einmal anderer Meinung und wenn der Norddeutsche eines tat, dann war es die Meinung seiner Frau zu respektieren.
»Wie sagen wir es ihm?«, wollte Elke wissen, während sie aufstand, um den Tisch abzuräumen.
»Mit Worten wäre wohl am Besten«, entwischte es Jürgen und er duckte sich unter dem nassen Spüllappen hinweg, mit dem Elke nach ihm schlug.
»Ha, ha ... wirklich witzig, Schatz. Du weißt genau, was ich meine«, kam es sarkastisch von Elke.
Jürgen schnaubte belustigt auf, faltete die Zeitung zusammen und trat dann neben Elke, um das Geschirr abzutrocknen. Er drückte ihr einen sanften Kuss gegen die Schläfe und lächelte leicht.
»Wir sagen ihm einfach wie es ist. Das im neuen Jahr sein kleiner Bruder oder seine kleine Schwester auf die Welt kommt«, sagte er dann.
»Müssen wir ihn nicht irgendwie darauf vorbereiten? Ich mein, was wenn er eifersüchtig wird? Oder sauer? Oder sowas?«
Elkes Stimme klang aufgeregt und ein wenig atemlos.
Jürgen legte das Handtuch zur Seite, nahm seine geliebte Frau sanft bei den Händen und führte sie zurück an den Tisch. Als Elke wieder auf ihrem Stuhl saß und nervös an dem Spüllappen in ihrer Hand herum zuppelte, kniete er sich vor ihr hin und hielt diese sanft fest. Dann sah er ihr fest in die Augen.
»Elke ... Tim ist kein Kind mehr. Er ist ein junger Mann und wird es verstehen«, sagte er und lächelte. »Und ganz ehrlich. Wie willst du den Bengel auf so eine Aussage bitte vorbereiten? Der hat doch nach wie vor nur seinen Sport im Kopf und mit Mädchen immer noch nichts am Hut.«
Elke atmete tief durch. »Okay ... wir schaffen das ... nicht wahr?«
»Natürlich«, erwiderte Jürgen mit fester Stimme.
»Gut«, hauchte Elke.
Nach dieser kurzen, aber wichtigen Diskussion wandten sie sich wieder ihrem Alltag zu. Kaum war abgespült, war Elke schon auf dem Weg in den Hühnerstall, um die Eier einzusammeln und die Tiere zu füttern. Jürgen startete den Traktor und fuhr hinaus aufs Feld, um nach den Pflanzen zu sehen und ihre drei Kühe, die sie zur Eigenversorgung hielten, zu füttern.
*~*~*~*
Vier Stunden und einige Arbeitsschritte später trafen sie sich in der Küche wieder.
Tim hatte sich inzwischen auch aus dem Bett bequemt und saß mit einer Tasse Kaffee in der einen und einem Brot in der anderen Hand am Frühstückstisch.
»Morgen«, nuschelte er, als seine Eltern die Küche betraten.
»Ist noch Kaffee da?«, wollte Jürgen mit einem Blick auf die Tasse in Tims Hand wissen.
Dieser nickte und deutete auf die Kaffeemaschine in der Ecke. »Hab neuen aufgesetzt«, murmelte er kauend.
»Nicht mit vollem Mund«, mahnte Elke ihn automatisch und schaltete den Wasserkocher ein, um sich eine frische Tasse Tee zu kochen.
Tim schluckte und nickte dann. »Entschuldigung«
Elke lächelte, strich ihm durchs Haar und grinste dann, als er sich wegduckte.
»Wir müssen reden, Junge«, teilte Jürgen Tim ruhig mit.
»Ich war es nicht!!!«, kam es wie aus der Pistole geschossen von Tim und er war aufgesprungen und plapperte aufgeregt etwas davon, dass das alles Lasses Idee gewesen war und er nun wirklich nichts dafür konnte.
Das Ehepaar sah erst ihren Sohn, dann sich gegenseitig an und brach in schallendes Gelächter aus.
Tims indignierter Blick trug nicht zu ihrer Beruhigung bei und so dauerte es einige Minuten, bis wieder Ruhe in der Küche eingekehrt war.
»Entschuldige bitte, Tim«, begann Elke, »Was auch immer du und Lasse angestellt habt ... Darum geht es nicht, auch wenn wir später gern darüber reden können. Zumindest, was das Thema Schadensbegrenzung angeht, aber eigentlich wollten wir dir nur etwas sagen.«
Tim blinzelte seine Mutter verblüfft an und folgte deren Geste sich zu setzen. Er blickte sie forschend an.
»Was ist denn los, Mama?«, fragte er unsicher.
Elke nahm Tims Hand und drückte sie sanft.
»Ich mach es kurz uns schmerzlos, mein Junge. Im Januar wird dein kleiner Bruder oder deine kleine Schwester auf die Welt kommen. Das heißt, du wirst dieses Jahr ein wenig mehr mit anpacken müssen, wenn die Schwangerschaft weiter fortgeschritten ist«, sprach Jürgen, bevor Elke es konnte.
Tim blickte von seiner Mutter zu seinem Vater und wieder zurück.
»Mama hat also nen Braten in der Röhre. War das geplant?«, wollte er salopp und doch ein wenig geschockt wissen.
Elkes freie Hand legte sich schützend auf ihren Bauch und sie schüttelte den Kopf. Eigentlich wollte sie ihren Ältesten für seine Ausdrucksweise schelten, brachte es aber nicht übers Herz.
»Nein. Wir waren auch ganz überrascht, als wir es herausgefunden haben«, erwiderte sie stattdessen.
»Na super ... auch noch ein Ups-Baby. Es ist, als hättet ihr noch nie was von Verhütung gehört«, lachte Tim und umarmte seine Mama dann. »Bist du glücklich damit?«, wollte er wissen.
Elke drückte ihn an sich und nickte mit dem Gesicht an seiner Schulter.
»Ja. Ich wollte nie, dass du ein Einzelkind bleibst. Dass es sechzehn Jahre dauert, bis dein Geschwisterchen seinen Weg zu uns findet, damit hab ich allerdings auch nicht gerechnet«, gab sie zu und wischte sich über die Augen.
Tim blinzelte und nickte dann. »Okay«, sagte er nur, sah dann fragend zu seinem Vater.
»Ich freue mich auch über einen weiteren Stammhalter. Egal ob Junge oder Mädchen«, erwiderte er auf die wortlos gestellte Frage.
Tim grinste.
»Gut ... Endlich krieg ich Verstärkung«, sagte er verschmitzt und löste sich von seiner Mama. Er war schon dabei die Küche zu verlassen, als Jürgen ihn zurück zitierte.
»Und jetzt erzähl uns noch mal ganz in Ruhe, was du und Lasse angestellt habt.«