Tom wusste ganz genau, was er wollte. Er wusste, wie er seinen Freunden endgültig deutlich machen konnte, dass sie ihm nie wieder zu widersprechen hatten. Genauso wusste er jedoch, dass es riskant war, Hermine dabeizuhaben. Ihre Anwesenheit war nicht grundsätzlich problematisch, aber wenn er Fenrir aufwecken würde, brauchte es seine ganze Konzentration und Macht, um ihn unter Kontrolle zu halten.
Trotzdem würde er sie mitnehmen. Sie alle mussten verstehen lernen.
Nachdenklich ließ Tom seine Finger über seinen Schreibtisch wandern. Er hatte bereits alle Eingeweihten informiert. Von Anfang an hatte er von ihnen verlangt, dass sie die Weihnachtsferien mit ihm in Hogwarts verbringen würden. Zwar hatten die Eltern von Abraxas und Orion protestiert, doch am Ende wollten sie den schulischen Studien ihrer Söhne auch nicht im Weg stehen.
Einmal mehr ließ Tom seinen Blick durch sein Zimmer wandern. Er war nicht sentimental, doch er wusste, er würde seine Zeit hier in Hogwarts vermissen. Hier hatte alles seinen Anfang genommen. Je mehr er über die Welt der Magie, über die Politik der reinblütigen Zauberer erfahren hatte, umso mehr hatte er seinen eigenen Platz auf der Erde erkannt. Ohne Hogwarts wäre er noch immer der verkannte Junge, auf den alle nur herabschauten.
Er legte den Kopf in Nacken und schloss die Augen. Sollte er zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen und noch weitere Schüler einladen? Er hatte Potential in dreien gesehen. Rosier, Mulciber und Dolohow. Sie waren nicht so intelligent wie Rufus, aber dafür eher geneigt, einem klugen Mann zu folgen. Höchstens Dolohow könnte Probleme bereiten, da er zu schweigsam war, um ihn wirklich einzuschätzen.
Nachdenklich öffnete er die Augen wieder und starrte an die Decke. Normalerweise verlangte er einen Treuebeweis von allen, die er einweihen wollte. Den Cruciatus-Fluch auf ein anderes Mitglied anzuwenden, war seine bevorzugte Methode. Nicht nur konnte er daran das Potential der Zauberer erkennen, es sorgte gleichzeitig dafür, dass er sich darauf verlassen konnte, dass sie den Mund halten würden. Er konnte sie mit seinem Wissen erpressen.
Vielleicht war es sogar genau richtig, sie alle drei gleichzeitig aufzunehmen und ihre Loyalität beweisen zu lassen. Tom drehte sich auf seinem Stuhl um, damit er seine Ellbogen auf der Rückenlehne abstützen konnte. Lestrange würde gewiss sehr gerne als Testsubjekt für die drei fungieren.
Langsam rollte er einen Ärmel seines Hemds hoch. Das Dunkle Mal prangte schwarz und abstoßend auf seiner blassen Haut. Tom wusste, dass es kein schönes Zeichen war, doch genau deswegen erfüllte es seinen Zweck. Wer es trug, gestand offen, sich im Namen des großen Ziels die Hände schmutzig machen zu wollen.
Er liebte, wie das Mal auf Hermine aussah. Trotz allem, was sie bisher gemeinsam unternommen hatten, war noch immer eine ätzende Reinheit an ihr, die er trotz aller Bemühungen nicht durchbrechen konnte. Das Dunkle Mal stellte einen faszinierenden Kontrast dar. Es bewies, dass sie sich für ihn entschieden hatte. Für ihn und gegen Dumbledore. Es bewies, dass sie zu Dunkelheit fähig und willens war.
Es war schon spät, doch Tom verspürte keinerlei Müdigkeit. Der Sonntag würde ein bedeutender Tag für ihn werden. Falls Mulciber, Rosier und Dolohow zum Frühstück noch anwesend waren, würde er sie einladen. Black und Nott sowieso. Sie alle würden sich ihm beweisen und ab morgen sein Zeichen tragen.
Und sie alle würden Zeuge werden was geschah, wenn man sich ihm widersetzte.
***
Eine Hand, die sich sanft auf ihre Schulter legte, riss Hermine abrupt aus ihrem tiefen Schlaf. Bevor sie vollkommen wach war, hatten ihre Instinkte bereits übernommen. Ihr Zauberstab, den sie seit geraumer Zeit immer unter ihrem Kopfkissen hatte, lag in ihrer Hand und presste sich gegen den Oberkörper des Eindringlings.
„Ich bin es“, flüsterte Tom ihr leise zu.
Erleichtert, aber verärgert ließ Hermine den Stab sinken. „Was tust du hier? Ich hätte dich beinahe nach übermorgen gehext!“
Mit einem Schwung ihres Stabes ließ sie die magischen Lichter im Raum gedimmt aufleuchten. Tom saß auf ihrer Bettkante, immer noch in Hemd und Hose der Schuluniform, und schaute sie an, als wäre es das Natürlichste der Welt, dass er sie mitten in der Nacht überraschte.
„Ich sehe, du bist immer wachsam, mein Herz“, kommentierte er mit Blick auf ihren Stab schmunzelnd.
Kopfschüttelnd legte sie ihn bei Seite und setzte sich im Bett auf. „Was tust du hier, Tom?“
„Ich habe nachgedacht“, erklärte er, anstatt ihre Frage direkt zu beantworten. Seufzend ergab sich Hermine ihrem Schicksal und lehnte sich zurück, um seinen Ausführungen zu lauschen. Tom rutschte weiter auf ihr Bett, so dass er im Schneidersitz vor ihr saß. Sein Blick war eindringlich, als er weitersprach. „Was Lestrange dir angetan hat, ist unverzeihlich. Ich habe dir bereits versprochen, dass er dafür büßen wird. Doch während ich darüber nachgedacht habe, hat sich mir eine andere Frage gestellt.“
Unbehaglich verschränkte Hermine ihre Arme vor der Brust. „Was denn noch?“
Er beugte sich vor und legte ihre eine Hand auf die Wange, ohne seinen Blick von ihr zu nehmen. „Wie geht es dir? Hat seine Schandtat bleibenden Schaden hinterlassen?“
Mehrmals blinzelte Hermine. Schon zuvor hatte sich Tom merkwürdig empathisch gezeigt. War dieser junge Mann, der so seltsam über die Welt und die Menschheit dachte, wirklich in der Lage zu begreifen, was eine Vergewaltigung mit der Psyche anstellen konnte? Wusste man zu dieser Zeit überhaupt schon etwas darüber?
„Was meinst du?“, sprach sie ihre Verwirrung aus. „Bleibende Schäden? Du hast mir doch einen Trank danach gegeben, wovor hast du Angst?“
Zum ersten Mal, seit er in ihr Zimmer gekommen war, flackerte Unsicherheit in Toms Blick auf. Er zog seine Hand zurück, doch er schaute sie weiterhin an. „Ich weiß, dass ungewollter Sex verstörend sein kann.“
Plötzlich ging Hermine ein Licht auf. Wenn es nicht um ein traumatisches Ereignis, das sie betraf, gegangen wäre, hätte sie vermutlich gegrinst. Stattdessen fühlte sie sich mit einem Mal wertlos und wie ein reines Objekt. „Du willst wissen, ob du noch Sex von mir bekommst?“
Toms Augen weiteten sich. Schnaubend stach Hermine ihm einen Finger in die Brust. „Ist das wirklich deine einzige Sorge gerade? War alles, was du die letzten Tage für mich getan hast, reiner Selbstzweck? Bin ich wirklich nicht mehr als eine kostenlose Dirne für dich? Ich dachte, du wärst anders als Männer wie Lestrange und Avery.“
Die Wut, die sie spürte, spiegelte sich in Toms Gesicht. Seine Augen waren zu engen Schlitzen zusammengezogen, als er ihr Handgelenk umfasste und ihren Arm wegzog. „Wage es ja nicht, mich mit ihnen zu vergleichen! Du weißt genau, dass das nicht stimmt. Ich bin anders. Die beiden sehen Sex nur als Triebbefriedigung!“
Unwillig entzog sich Hermine seinem Griff. „Und du nicht, oder was? Oder bildest du dir so viel darauf ein, dass du Sex genutzt hast, um mich zu brechen? Glaub ja nicht, ich wäre so dumm und wüsste nicht, was du anfangs versucht hast.“
„Du hast gar nichts begriffen!“, herrschte er sie an. Eisern legte sich seine Hand um ihr Gesicht, während er sie zwang, ihn anzuschauen. „Sex ist so viel mehr als ein animalischer Trieb! Es geht darum, sein Innerstes zu befreien. Sich selbst zu erkennen und in den sexuellen Instinkten zu verstehen, was einen wirklich antreibt. Du hast doch durch den Sex überhaupt erst erkannt, wie gut es dir tut, dich mir zu unterwerfen!“
„Im Bett!“, schleuderte sie ihm entgegen. Mit beiden Händen packte sie den Arm, der ihr Gesicht gefangen hielt, und zerrte daran, bis sie sich endlich befreien konnte. Sie nutzte den Schwung, um Tom nach hinten zu stoßen und sich sofort auf allen Vieren über ihn zu beugen. „Verwechsle niemals das, was im Bett passiert, mit der Realität. Wie ich beim Sex bin, hat nichts damit zu tun, wie ich außerhalb davon bin.“
Tom wehrte sich nicht dagegen, dass er ausnahmsweise unter ihr lag. Stattdessen legte er seine Hände auf ihren Hüften ab. „Aber du hast dich mir unterworfen.“
Genervt schüttelte Hermine den Kopf. „Wenn ich dich jetzt ans Bett fessle und mit dir schlafe, heißt das dann auch, dass du dich mir unterworfen hast?“
Herausfordernd grinste er sie an. „Ich würde es nicht so genießen, wie du es umgekehrt tust.“
„Willst du wetten?“
Die Worte waren raus, ehe Hermine begriff, was sie da vorschlagen hatte. Das letzte, wonach ihr gerade der Sinn stand, war Sex. Und doch spürte sie die wohlige Hitze, die sich zwischen ihren Beinen sammelte, als Tom zur Antwort nur eine Augenbraue hochzog.
Unentschlossen kaute Hermine auf ihrer Unterlippe. Wie hatte ihr Gespräch plötzlich diese Richtung eingeschlagen? Tom lag unter ihr, gefangen zwischen ihren Armen und Beinen, und schaute sie abwartend an. Er wehrte sich nicht gegen seine Position, als würde es ihn nicht kümmern, dass er ihr gerade im wahrsten Sinne des Wortes unterlag.
Gegen ihren Willen stiegen die Bilder von Lestrange wieder in ihr hoch. Wie er sie gestreichelt hatte. Wie er ihr zugeflüstert hatte, dass sie es doch auch wollte. Wie er in sie eingedrungen war und den Sex so offensichtlich genossen hatte, obwohl sie Nein gesagt hatte. Ihre Arme begangen zu zittern. Ächzend richtete sie sich wieder auf und ließ sich nach hinten fallen, weg von Tom.
Obwohl er ihr so oft gedroht hatte, hatte Tom sie nie gegen ihren Willen genommen. Auch wenn es anfangs nur widerwillig geschah, sie hatte sich nie gegen den Sex gewehrt. Und wenn sie Nein sagte, dann ließ er von ihr ab. Jedes Mal, wenn sie miteinander schliefen, lag seine Aufmerksamkeit auf ihr. Was sie wollte, was sie brauchte, was er ihr zeigen wollte. Es war ihm stets um sie gegangen. Egal, wie viel Gewalt er in den Sex einfließen ließ, er hatte sie danach stets sanft behandelt.
Unsicher schaute sie zu Tom, der noch immer lang ausgestreckt auf ihrem Bett lag, als würde er auf sie warten. „Ich bin nicht nur ein Objekt für dich, oder?“, fragte sie leise.
Er stützte sich auf seinen Ellbogen ab, um sie anschauen zu können. „Das warst du nie, Hermine. Seit dem ersten Tag, an dem ich dich gesehen habe, warst du viel mehr echter Mensch als alle anderen, die ich je kennengelernt habe.“
Unwillkürlich musste sie grinsen. Zu Beginn war sie vermutlich vor allem deswegen kein Objekt für ihn gewesen, weil er immer wieder darin versagt hatte, sie wie eine Spielfigur auf seinem Schachbrett herumzuschieben.
Er richtete sich gänzlich auf. „Ich will mit dir schlafen, weil du es bist, Hermine. Wenn du völlig hilflos unter mir liegst und ich in deinem Gesicht lesen kann, wie sehr du es liebst, unter mir zu liegen, wie sehr du es liebst, was ich mit deinem Körper anstelle, dann ist dein Anblick unbeschreiblich. Du zerbrichst unter mir und ich weiß, dass nur ich das mit dir anstellen kann.“
„Rufus hat mich auch zerbrochen“, wisperte sie, ohne den Blick zu heben.
Augenblicklich beugte Tom sich vor und packte ihre Schultern mit seinen Händen. „Nein! Rufus hat gar nichts. Wenn du so denkst, gibst du ihm nur Macht über dich. Er hat dich nur als Objekt gesehen und für seine niederen Triebe genutzt. Wie kann er dich, die Hexe Hermine Dumbledore, zerbrechen, wenn er nicht einmal weiß, wer du bist? Wie kann er irgendetwas in dir kaputt machen, wenn er nicht einmal versteht, dass du ein Mensch bist?“
Tränen schossen Hermine in die Augen. Sie wollte sich nicht mehr an Lestrange erinnern, aber die Bilder waren eingebrannt in ihrer Seele. „Ich hab mich so schmutzig gefühlt, Tom. Und er dachte, dass ich will. Er dachte, ich will mit ihm schlafen.“
Energisch schüttelte Tom den Kopf: „Er hat gar nicht gedacht. Hermine, sieh mich an!“ Sanft legte er ihr zwei Finger unter das Kinn und drehte ihren Kopf zu sich, so dass er ihr in die Augen schauen konnte. „Wenn er auch nur eine Sekunde nachgedacht hätte, hätte er das niemals getan. Er ist ein Dummkopf, der die Welt nicht begreift. Er hält sich für clever, obwohl er der dümmste Narr von allen ist. Er dachte, ich will, dass er dir wehtut. Wie kannst du auch nur ein Wort glauben, dass aus seinem Mund kommt? Ich weiß, dass du das nicht wolltest. Ich weiß das, Hermine.“ Beruhigend streichelte er ihr über den Kopf. „Und du weißt es auch. Er hat etwas falsch gemacht, nicht du. Hör auf deinen Verstand. Du weißt, dass er etwas falsch gemacht hat.“
„Ich hasse ihn so sehr“, flüsterte Hermine unter erstickten Tränen. „Ich hasse es, wie viel Angst ich hatte. Ich hasse es, wie machtlos ich mich gefühlt habe. Alles durch ihn. Ich bin keine schwache Hexe, Tom. Ich bin stärker als das. Aber er hat mich schwach gemacht.“
Tom zog sie zu sich auf den Schoß. „Als ich noch in dem Kinderheim gelebt habe, wurde ich von anderen Kindern ausgeschlossen. Sie haben sich lustig gemacht über mich. Die Erwachsenen waren manchmal grausam zu mir. Die anderen Kinder haben mich geschlagen und getreten und bespuckt und die Erwachsenen haben nie etwas getan. War ich schwach?“
Er schüttelte mit grimmiger Miene den Kopf. „Ich war nie schwach. Ich wusste nur noch nicht, wie ich mich wehren kann. Ich war immer stärker als alle anderen, aber sie haben meine Unwissenheit ausgenutzt. Du bist genauso wenig schwach wie ich, Hermine. Lestrange kann dich nicht schwach machen, weil du es nicht bist. Er hat deine und meine Unwissenheit ausgenutzt. Er hat mehrere andere Zauberer gebraucht, um dich zu bezwingen. Du bist nicht schwach. Wir werden gemeinsam dafür sorgen, dass er und kein anderer jemals wieder zu so etwas fähig ist. Du bist stark und seine Dummheit wird dich niemals schwach machen können.“
Schluchzend erwiderte Hermine die Umarmung. Seine Worte berührten ihr Inneres und fanden einen Widerhall in ihrem Unterbewusstsein. Was er aussprach, war nichts anderes, als was sie sich selbst die letzten Tage immer wieder gesagt hatte. Doch sie hatte sich nie Glauben schenken können. Wann immer die Bilder wiederkamen und sie sich daran erinnerte, wie machtlos sie sich gefühlt hatte, verlor sie jegliches Vertrauen in sich. Das Licht am Ende des Tunnels verschwand und sie war jedes Mal wieder nur von Schwärze umgeben.
Aber vielleicht sollte sie einfach an sich selbst glauben. Aktiv werden und einfach tun, wonach ihr der Sinn stand. Als sie von Bellatrix gefoltert worden war, als Greyback seine abstoßenden Hände über ihren Körper hatte wandern lassen, da hatte sie danach keine Probleme gehabt, weil es dringendere Dinge zu tun gab. Sie hatte nicht darüber nachgedacht und es war verschwunden, ohne sie runterzuziehen. Als Dolohow ihr im fünften Jahr einen Fluch auf den Hals gehetzt hatte, an dem sie beinahe gestorben war, hatte sie wochenlang im Krankenflügel gelegen und nur knapp überlebt. Auch da hatte sie keine Zeit gehabt, sich um sich selbst zu sorgen, weil es Sirius zu betrauen gab und sie sich auf eine neue Welt mit einem auferstandenen Voldemort einrichten mussten.
Dasselbe konnte sie jetzt tun. Das Geschehnis verdrängen und sich darauf konzentrieren weiterzumachen.
Grimmig schaute sie Tom an. „Wollen wir es probieren?“
Er hob eine Augenbraue. „Probieren?“
Sie rollte ungeduldig mit den Augen: „Die Wette. Diesmal bist du der Gefesselte und ich darf machen, wonach mir der Sinn steht.“