Nervös erreichte ich nachmittags das Café, das Mister Davis-Taylor vorgeschlagen hatte. Es lag zentral und war wahrscheinlich deshalb gut besucht, wie ich feststellte. Ein hübscher Fleck, der sicherlich ordentlich Geld brachte. Von dem Café hatte ich sogar schon gehört, besucht hatte ich es jedoch noch nicht. Wenigstens hatte ich den Weg nicht suchen müssen, da das Café nur ein paar Straßen von meiner üblichen Strecke entfernt lag.
Lachende Stimmen ließen meinen Blick auf eine Gruppe Jugendlicher schweifen, die sich wohl ihre Zeit vertreiben wollten. Mit ihren Smartphones in der Hand und den Donuts, die sie sich scheinbar zuvor in der Nähe gekauft hatten, positionierten sie sich und fotografierten sich gegenseitig. Das war typisch Jugendliche. Immer mussten sie alles in den sozialen Medien teilen. Allerdings waren das Dinge, die mich sonst nicht störten. Doch jetzt, wo ich so nervös war, störte mich vieles. Selbst die Jazz-Musik, die von irgendeinem Auto kam. Am liebsten würde ich demjenigen den Radiosender ausstellen. Musste er unbedingt sein Fenster weit offen haben, während er scheinbar auf jemanden wartete?
Der köstliche Geruch von Donuts und sonstigen Leckereien drehte mir den Magen um. Seit dem Gespräch mit Mister Brian Davis-Taylor war ich ein reines Nervenbündel. Wie war ich nur auf die Schnapsidee gekommen, dort überhaupt anzurufen? Manchmal sollte ich gewisse Dinge mehrmals überdenken, anstatt spontan zu entscheiden.
Ich betrat das Café und atmete den Kaffeeduft ein. Wenigstens dieser beruhigte meine Nerven für einen Augenblick. Meine Augen saugten jedes noch so kleine Detail auf und ich fand, dass die Einrichtung einen Hauch von Vintage hatte. Eigentlich war es gemütlich. Wenn Mister Davis-Taylor dieses Café bevorzugte, mochte er wahrscheinlich solch eine Atmosphäre.
Ich stellte mich in der Warteschlange an und überlegte, welchen Kaffee ich nehmen sollte. Einen Cappuccino oder doch lieber eine Latte Macchiato? Ich mochte beides, nur war es vielleicht ungünstig, einen Schaumbart vor Mister Davis-Taylor zu haben.
Da ich noch Zeit hatte, wollte ich wenigstens die Gunst der Stunde nutzen, mich gedanklich auf das Treffen vorzubereiten. Bei der Arbeit hatte ich ein bisschen Zeit gefunden, um Nachforschungen über Mister Davis-Taylor anzustellen. Nun war ich gespannt, was sich für ein Gesicht hinter der Stimme des Sugar Daddys verbarg.
Dafür hatte ich einiges über seine Firma herausgefunden. Unter anderen, dass sie vor 15 Jahren gegründet wurde und der CEO seitdem derselbe war. Das hieß, dass Mister Davis-Taylor mit 22 Jahren eine mittlerweile millionenschwere Firma aufgebaut hat. Er musste im Planen von Festen hervorragend sein, wenn sein Name sogar in Übersee bekannt war. In anderen Ländern sorgte seine Firma sogar für großartige Festivals, die gut besucht waren.
Als ich an die Reihe kam und meinen Kaffee bestellte, fragte die junge Frau hinter dem Tresen, welchen Namen sie auf den Becher schreiben sollte, da ich diesen mitnehmen wollte, um ihn draußen zu trinken. Frische Luft sollte mir helfen, ruhiger zu werden. „Jadelyn Miller", antwortete ich und einen Moment lang sah es aus, als hätte sie nicht verstanden.
„Miss Miller, ein Tisch ist reserviert worden", erklärte sie, was mich dazu brachte, meine Augenbrauen zu heben. „Mister Davis-Taylor wird in wenigen Minuten eintreffen. Bis dahin sollten Sie am Platz sitzen. Möchten Sie dennoch Ihren Kaffee?"
Ich schüttelte den Kopf und glaubte, mich verhört zu haben. War ich etwa im falschen Film gelandet? Er hatte nichts davon verlauten lassen. Vielleicht war es besser, mit dem Bestellen zu warten. Nicht, dass er mir auch noch mein Getränk ausgesucht hatte.
Ich bemerkte, dass die Frau eingeschüchtert wirkte. Das ließ mich stutzig werden. War der Mann etwa eine Gefahr? Verwirrt sah ich, dass die Frau ihrer Kollegin etwas zuflüsterte. Diese nickte und bat mich dann, ihr zu folgen.
Mit einem unwohlen Gefühl lief ich ihr hinterher und staunte, als sie mich an einen Tisch brachte, der etwas abseits stand und eine gewisse Privatsphäre bot. Sie ließ mich allein und ich setzte mich, wobei ich am liebsten gleich hinausgestürmt wäre. Die ganze Situation war absurd und ich fand mich nicht wirklich zurecht.
Da es keinen weiteren Stuhl neben mir gab, überprüfte ich den Boden auf Sauberkeit und stellte schließlich meine Tasche ab. Kaum sah ich auf, bemerkte ich aus dem Augenwinkel einen Mann, der das Café betrat. Seine Ausstrahlung haute mich beinahe um.
Mit selbstsicherem Blick lief er um die Schlange herum und steuerte genau auf den reservierten Tisch zu. Das war er? Geschockt brachte ich es nicht fertig, aufzustehen. Ich hoffte, dass er nur ein Kunde war. Oder der Besitzer.
Doch das Glück war mir nicht gegönnt. Er blieb mit einem Lächeln, das wohl jede Frau zum Schmelzen brachte, stehen und hielt mir seine Hand hin. Mir fiel sein maßgeschneiderter Anzug auf, der seine schlanke, muskulöse Figur zur Geltung brachte. Schwarze Hose und weißes Hemd, dazu eine hellblaue Krawatte. Die Mischung stand ihm ausgezeichnet und ließ ihn wie einen Filmstar aussehen. Gleichzeitig sah er aber auch aus wie ein seriöser Geschäftsmann, der er ja auch war. Seine kurzen, dunklen Haare und der gepflegte Dreitagebart taten ihr Übriges dazu.
„Miss Miller?", fragte er und ich erkannte seine dunkle Stimme von unserem Telefongespräch.
Erst jetzt bemerkte ich, dass ich ihn die ganze Zeit angestarrt hatte, und mit rotem Gesicht stand ich hektisch auf, um seine Hand zu nehmen. Sie war weich, doch sein Händedruck ziemlich fest, sodass ich Mühe hatte, nicht aufzuschreien.
„Mister Davis-Taylor. Nett, Sie kennenzulernen." Als ich sah, wie seine Augenbrauen nach oben schossen und er mich mit einem arroganten Blick bedachte, biss ich mir auf die Lippen. Nett, Sie kennenzulernen? Ernsthaft? Etwas Besseres war mir nicht eingefallen? Normalerweise war ich redegewandter.
„Setzen Sie sich", bat er, hängte seinen Sakko über die Stuhllehne und ließ sich elegant mir gegenüber nieder. Er wartete, bis ich mich wieder setzte, und legte dann seine Hände aufeinander. Sein abwartender Blick ließ mich zur Seite sehen.
Himmel, war der einschüchternd. Allein sein Aussehen, das bei einigen Schauspielern wohl Neid hervorrief, brachte mich dazu, nervös an meiner Hose unsichtbare Fusseln abzuwischen.
„Sehen Sie mich an."
Seine Stimme, die ein klarer Befehl war, ließ mich zusammenzucken. Mühsam schaffte ich es, den Blick zu heben, und verwünschte meine Entscheidung erneut. Seine Augen waren wie der Ozean und ich hatte das Gefühl, für einen Moment in einen Sog gezogen zu werden. Ich schloss die Augen und hörte plötzlich ein Rauschen, als wäre ich am Strand. Wenigstens funktionierte meine Fantasie in diesem Moment und zog mich von der ungewohnten Situation weg. Ich stellte mir vor, wie ich am Strand saß und den Wellen zusah, wie sie die Fußabdrücke von Spaziergängern wegspülten.
„Miss Miller."
Mist, seine Stimme riss mich gerade aus dem Traum, dem ich mich lieber hingegeben hätte als einem Gespräch mit ihm. „Ja?", fragte ich rau.
„Sehen Sie mich an."
Innerlich stöhnte ich. Erneut diese Art von Befehl. Irgendwie brachte ich es fertig, meine Augen zu öffnen und ihn anzusehen. Dabei bemerkte ich, wie er mich durchdringend anstarrte. Seine Mundwinkel waren leicht nach oben verzogen und ich wusste im Moment nicht, ob er sich über mich lustig machte oder ob er mir ein aufmunterndes Lächeln schenken wollte.
„Es geht doch", meinte er und klang zufrieden. „Es freut mich, Sie kennenzulernen, Miss Miller. Was für einen Kaffee möchten Sie bestellen?"
Na, wenigstens das durfte ich noch allein entscheiden. Unruhig rutschte ich auf meinem Stuhl hin und her, bevor ich mir die Karte schnappte und mich dahinter versteckte, indem ich sie hochhielt. Dadurch hoffte ich, einige Minuten Zeit schinden zu können und mich zu beruhigen.
Mit klopfendem Herzen begann ich die Karte – obwohl ich sie beim Warten bereits angesehen hatte – zu studieren, als ein Finger auftauchte und die Karte wie in Zeitlupe nach unten drückte. Mister Davis-Taylors Gesicht kam zum Vorschein. „Verstecken Sie sich?", fragte er. Wenn ich richtig lag, klang er sogar spöttisch.
„Ich ... ein bisschen?", konterte ich ungeschickt und fühlte, wie meine Hand zu zittern begann. Noch nie war ich so einem Mann begegnet, der mich von der ersten Sekunde an einschüchterte.
„Ich beiße nicht", versicherte er lachend und zwinkerte, sodass sich winzige Grübchen um seinen Mund und seine Augen bildeten. Das ließ ihn weniger streng, sondern sympathisch und spitzbübisch wirken. „Noch nicht."
„N-Noch nicht?", wiederholte ich stotternd und musterte ihn schluckend. Sein gepflegter Dreitagebart ließ ihn attraktiv wirken, auch wenn ich kein großer Fan von Haarwuchs im Gesicht war. Bei ihm führte es zu einem seriösen und ernsten Erscheinungsbild. Das brauchte er sicherlich für sein Geschäft.
Sein dunkles Lachen hallte in meinen Ohren und ich sah mich erschrocken um. Hatten andere Gäste etwas mitbekommen? In ihren Gesichtern konnte ich nichts entdecken, was darauf hinwies. Sie schienen alle mit sich selbst beschäftigt, in Gespräche oder ihre Smartphones vertieft zu sein
Ein Schnipsen vor meiner Nase, gepaart mit einem: „Hier spielt die Musik", ließ meine Aufmerksamkeit wieder zu Mister Davis-Taylor schweifen.
„Entschuldigung", nuschelte ich und verbarg mich erneut hinter der Karte. Als er sich räusperte, ließ ich sie gehorsam wieder sinken. Mir war klar, dass ansonsten sein Finger wieder auftauchen würde.
„Ich erwarte, dass Sie mir Ihre uneingeschränkte Aufmerksamkeit schenken, Miss Miller", sagte er mit ernster Stimme.
Jetzt legte ich die Karte auf den Tisch und sah ihn direkt an. „Wie darf ich das verstehen?", fragte ich, wobei ich mir denken konnte, auf was er hinauswollte.
Bevor er etwas erwiderte, kam die Bedienung und nahm unsere Bestellung auf. Ich entschied mich für einen Cappuccino, während er einen Espresso nahm. Erst, als die Frau weg war, starrte er mich wieder an.
„Wenn wir uns treffen, werden Sie nur Augen für mich haben. Mir Ihre Aufmerksamkeit schenken und sich nicht ablenken lassen, wie Sie es im Moment tun."
Klasse, das ging ja schon mal gut los. Ich seufzte in Gedanken, nickte aber. „Es tut mir leid. Ich habe nicht damit gerechnet, dass die Anzeige echt ist und bin eher davon ausgegangen, dass Sie ..., dass ...", begann ich herumzudrucksen. Oh Mann, ich hatte nicht erwartet, dass ich noch einmal sprachlos sein würde.
„Dass ich was?", fragte er mit einem Unterton, der mich zum Weiterreden aufforderte.
Unwohl knetete ich meine nassen Hände. „Ich möchte Sie nicht beleidigen", flüsterte ich kaum hörbar. Wer wusste schon, wie er darauf reagieren würde?
„Reden Sie", forderte er mich deutlich auf.