Viel zu früh schlug ich am Samstagmorgen bei Tatjana auf und ließ mir helfen, mich auf das Treffen vorzubereiten. So nervös wie ich war, brachte ich es kaum fertig, meine Haare zu bändigen. Warum mussten sie ausgerechnet an diesem Tag ihre fünf Minuten haben und nicht so liegen, wie ich es wollte? Dank Tatjanas Haarspray gaben sie letztendlich den Widerstand auf. Da ich auf Schminke verzichtete, stand ich bald darauf vor ihrer Haustür und wartete darauf, abgeholt zu werden.
Genüsslich strich ich über das wahnsinnige Kleid von Mister Davis-Taylor. Weißer Satin schmiegte sich an meine Haut und es wirkte, als würde er mit ihr eins werden. Ich liebe Satinstoffe, da sie in der Sommerhitze kühlen. Ein kleines Lächeln schlich sich auf mein Gesicht, als ich daran dachte, wie erstaunt ich über den Inhalt der Schachtel gewesen war. Ich musste dumm aus der Wäsche geguckt haben, als ein schwarzer Ledergürtel mit einer Rosenbrosche und einer passenden Handtasche zum Vorschein gekommen war. Die Überraschung hatte mich einiges an Überwindung gekostet, im Gespräch mit Mister Davis-Taylor eine neutrale, aber dankbare Stimme hinüberzubringen. Ich hatte versichert, dass das Kleid wie angegossen passte.
Ich war froh, dass er keines besorgt hatte, das kurz unter dem Hintern aufhörte. Solche Kleider trug ich nicht. Ich war zwar nicht prüde, doch ich mochte es nicht, wenn Männer unter die Röcke starrten. Das wäre ohne Zweifel der Fall gewesen. Schon allein deshalb war ich der Meinung, dass Mister Davis-Taylor einen ziemlich guten Geschmack besaß, wenn er einer fremden Frau so etwas kaufen und sie sogar zufriedenstellen konnte. Er musste ein gutes Augenmaß besitzen, davon war ich überzeugt.
Ich sah auf mein Armband und dann die Straße hinunter. Wo blieb das Taxi? Er hatte versichert, dass ich abgeholt werden würde. Wenn derjenige sich nicht beeilte, würde ich zu spät kommen, und das wolle ich auf keinen Fall.
Als ein schwarzer BMW mit getönten Fenstern am Seitenrand anhielt, beachtete ich ihn gar nicht. Hier hielten viele Leute und fuhren wieder los.
Die Tür ging auf und ein älterer Mann mit rehbraunen Augen beugte sich so über den Sitz, dass ich seine Falten sehen konnte. Mit einem sanften Lächeln klopfte er auf den Beifahrersitz. „Steigen Sie ein, Miss Miller", forderte er. Seine Stimme erinnerte mich an meinen Großvater. Rau und heiser vom Rauchen.
Mit schiefgelegtem Kopf sah ich den Mann an und wunderte mich, woher er meinen Namen kannte. „Ich steige nicht in fremde Wagen", erklärte ich stirnrunzelnd, was ihn lachen ließ.
„Mister Davis-Taylor wartet nicht gerne. Ich würde Ihnen raten, sich zu beeilen."
Bei seinem Namen fiel der Groschen und ich beeilte mich, einzusteigen. Hätte er mich nicht wenigstens vorwarnen können? Einen privaten Chauffeur brauchte ich nicht, doch zu ihm passte es. Wahrscheinlich ließ er sich jeden Morgen in seine Firma fahren. Zumindest schätzte ich ihn so ein.
Kaum hatte ich mich angeschnallt, fuhr der Chauffeur los und lenkte den Wagen geschickt durch die New Yorker Innenstadt. Dem Verkehr schenkte ich keine Aufmerksamkeit, sondern der Inneneinrichtung des Wagens. Dunkelbraune Ledersitze, in denen man glatt versinken konnte, machten die Fahrt sehr angenehm. Das Armaturenbrett verfügte über Technologien, die ich nicht alle benennen konnte. Aber ich verfolgte gespannt das Navigationsgerät mit den Augen, um mir einzuprägen, wohin wir fuhren. Schließlich wusste ich nicht, wo mein neuer Arbeitgeber wohnte.
Während der Fahrt schwieg ich und lauschte der altmodischen Musik, die meine Großeltern früher täglich gehört hatten. Eigentlich konnte ich die alten Kamellen nicht ausstehen, doch die Anwesenheit des Chauffeurs und der Musik beruhigten mich.
Es war ausgerechnet er, der das Schweigen unterbrach. „Ich bin Phillip, Mister Davis-Taylors persönlicher Chauffeur", stellte er sich vor, als er die Innenstadt verließ und Richtung Long Island fuhr.
Dass Mister Davis-Taylor ausgerechnet hier wohnen würde, hatte ich nicht erwartet. Bisher war ich nur ein einziges Mal in dieser Gegend gewesen, weshalb ich mich neugierig umsah. „Ich bin Jadelyn. Sie können mich ruhig duzen", bat ich lächelnd. Ich kam mir immer schrecklich alt vor, wenn ich gesiezt wurde.
Phillip nickte und lächelte leicht. Trotz des Verkehrs war er die Ruhe selbst und fuhr weiter. Aufmerksam las ich die Beschilderungen und unterdrückte einen erstaunten Ausruf, als der Name Gibson Beach auftauchte.
Hier wohnte er? Wahnsinn! Aufregung machte sich in mir breit. Direkt am Strand zu wohnen und jeden Morgen die Sonne beim Aufgehen zu beobachten, musste herrlich sein! Ich war sowieso ein Sonnenmensch und hoffte, dass ich die Chance bekam, mich hier ein wenig zu sonnen. Auch wenn es heiß war, sorgte die Meeresbrise sicher für eine Abkühlung.
Die Häuser hier waren nobel – hollywoodverdächtig, wenn ich ehrlich war –: riesige Anwesen, die allesamt Pools vorwiesen und Gärten, von denen jeder Blumenliebhaber wohl träumte.
Als Phillip auf ein Tor zufuhr und einen Code am Auto eingab, öffnete es sich. Ich musste schlucken. Das Anwesen schien bewacht zu sein, wenn man nur so hineingelangen konnte. Kaum waren wir durch, schloss es sich automatisch.
Ich hatte schon geglaubt, dass wir angekommen waren, doch Phillip fuhr seelenruhig weiter auf ein Haus zu, das mich quietschen ließ. Ein Beach-Haus wie aus dem Bilderbuch! Blinzelnd betrachtete ich die von den Sonnenstrahlen leuchtende Fassade des Hauses. Durch die vielen Glasfenster wirkte die Villa edel und modern.
Schwach grinste ich, als ich daran dachte, dass Mister Davis-Taylor für die Hitze im Sommer gewiss eine Lösung parat hatte. Wie für alles andere wohl auch.
Der Wagen hielt vor den Eingangsstufen der Villa und ich brauchte einige Sekunden, mich dazu aufzuraffen, meinen Blick von dem Anwesen zu nehmen und ihn auf Mister Davis-Taylor zu richten. Dieser stand lässig vor der Tür und sah abwartend aus. Er war legerer als beim ersten Treffen gekleidet, doch in seiner Jeans und weißem Hemd sah er ... zum Anbeißen aus. So ungern ich es zugab, er war eine Augenweide.
Phillip stieg aus und umrundete das Auto, um mir die Tür mit einer Verbeugung zu öffnen. Lächelnd stieg ich aus und dankte ihm. Dann strich ich mein Kleid glatt und blieb stehen. Meine Beine wollten mich nicht zu meinem Arbeitgeber tragen. Vor allem nicht, als ein breites Grinsen seine winzigen Lachfalten zu Tage beförderte.
„Miss Miller", grüßte er mich und kam die Stufen hinunter.
„Mister Davis-Taylor", grüßte ich lächelnd zurück. Verlegen strich ich über mein Haar, als er meine Hand nahm und mir einen Kuss darauf drückte. Dabei sah er mich mit eindringlichen Augen an. Himmel, sie brachten einen zum Schmelzen! Es kostete Überwindung, diesem Blick standzuhalten.
Um nicht stumm zu bleiben, bemerkte ich, dass sein Anwesen wunderschön sei. „Der Blick aufs Meer muss herrlich sein", sagte ich und seufzte innerlich, als eine Haarsträhne in meine Augen wirbelte. Warum hatte ich mein Haar so sorgfältig gebändigt, wenn der Wind alles in wenigen Minuten zerstörte? Hätte ich gewusst, dass er am Strand lebte, hätte ich meine Haare zusammengebunden.
„Ich freue mich, wenn es Ihnen gefällt. Kommen Sie herein. Wir trinken einen Kaffee, während Sie den Vertrag unterschreiben", schlug er vor und zupfte leicht an meiner Hand.
Diese Geste hatte etwas Aufforderndes an sich und ich folgte ihm. Im Haus erwartete mich angenehme Kühle, die mir ein Lächeln ins Gesicht zauberte. Hatte ich es doch gewusst! Wie es aussah, dachte er wirklich an alles.
„Was bringt Sie zum Lächeln?", fragte Mister Davis-Taylor mich von der Seite musternd, während er seine Schuhe abstreifte.
Ich beobachtete ihn dabei. „Die angenehme Kühle", erwiderte ich wahrheitsgemäß und zog die Pumps aus, die zum Glück nicht sehr hoch waren. Diese hatte ich mir von Tatjana geliehen, da ich keine passenden zum Kleid besaß. Und ein Fan von schwindelerregenden Schuhen war ich nicht. Ich knickte zu leicht um und zu einem unangenehmen Vorfall wollte ich es nicht kommen lassen.
Nachdem er seine eigenen Schuhe ordentlich abgestellt hatte, nahm er meine und stellte sie wie selbstverständlich daneben. Dann reichte er mir Ballerinas, die wie neu aussahen und zu meinem Kleid passten. Auffordernd hielt er sie mir hin, da ich ihn perplex anstarrte.
„D-Danke", sagte ich, schnappte sie mir und schlüpfte hinein. Der samtene Stoff fühlte sich angenehm an. „Sind das neue Schuhe?", fragte ich, während ich in ihnen hin und her lief. Wider Erwarten waren sie gut zu tragen und drückten nicht.
„Ja. Damit Sie hier welche besitzen", sagte er schlicht und führte mich in den offenen Wohnraum mit dem Blick zum Pool und Meer.
„Wow", entfuhr es mir und ich biss mir auf die Lippen, als er lachte. Was war so lustig über meine Bemerkung?
Die Kombination von heller und dunkler Einrichtung verschlug mir die Sprache. Er hatte alles, was man sich wünschen konnte. Eine lederne Sitzecke mit flauschigen Kissen war das Herzstück des Wohnzimmers. Zur linken Seite befand sich eine Küche mit Kochinsel und, wie ich flüchtig feststellte, sogar zwei Herden. In einer Ecke gab es einen Bereich, in dem frische Kräuter wuchsen. Also schien er neben Kochkünsten auch einen grünen Daumen zu besitzen.
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