„Sie schüchtern mich ein", klagte ich jammernd, wobei ich mich unbemerkt kleiner machte. Dieser Situation war ich, trotz meiner früheren Wortgewandtheit, nicht gewachsen. Dank meines Ex-Freundes brachte ich es oft nicht mehr fertig, meine Meinung zu vertreten oder offen zu sein. Nur bei meiner besten Freundin schaffte ich es, weil sie über alles Bescheid wusste. Sie verstand und verurteilte mich nicht.
„Nicht um den heißen Brei herumreden", knurrte Mister Davis-Taylor.
Einige Sekunden bildete sich ein Kloß in meinem Hals, der mich nicht weitersprechen ließ, doch ich schaffte es, diesen niederzukämpfen. „Ich dachte, dass Sie ein alter, hässlicher Fettsack sind, der Gesellschaft braucht", nuschelte ich.
„Reden Sie deutlicher, ich verstehe Sie nicht."
Und ob er mich verstand! Er wollte mich nur bloßstellen! Mit seiner Art machte er mich wahnsinnig, aber auch wütend. Solche Leute mochte ich nicht, wenn sie andere gerne herumkommandierten. Das hatte ich genug und es war nicht das, was mir in Zukunft vorschwebte. Ich presste meine Lippen zusammen und schwieg.
Mister Davis-Taylor nahm meine Hand und drückte sie fest. „Miss Miller, ich will, dass Sie deutlich sprechen und nicht wie ein verängstigtes Kaninchen, das zur Schlachtbank geführt wird."
Mein Blick blieb an seiner Hand, auf deren Handrücken ich ein Tattoo erblickte, hängen. Dornen und Rosen. Sie schlängelten sich um sein Handgelenk und verschwanden unter dem Hemdärmel. Ich mochte Tattoos, auch wenn ich selbst keine besaß. Was sie wohl für eine Bedeutung hatten? Um nicht wieder getadelt zu werden, riss ich mich zusammen und wiederholte meine Worte.
Plötzlich grinste mein Gegenüber. „So, so. Entspreche ich denn Ihren Vorstellungen?", wollte er wissen. Erneut klang er verschmitzt und er erinnerte mich an einen Schuljungen, der gerade einen Witz machte.
Hastig, weil ich zuerst nichts hervorbrachte, schüttelte ich den Kopf. „Nein, überhaupt nicht, Mister Davis-Taylor", sagte ich schließlich, weil ich glaubte, dass er mit einem Kopfschütteln nicht zufrieden war.
„Dann bin ich beruhigt", grinste er breiter und lehnte sich lässig zurück. Wenn ich ihn richtig einschätzte, genoss er es, wenn andere ihm gehorchten und er die Kontrolle besaß.
Die Bedienung unterbrach das Gespräch, als sie die heißen Getränke brachte und sich erkundigte, ob wir noch etwas wollten. Auf unsere Verneinung hin ließ sie uns wieder allein.
„Erzählen Sie mir ein wenig von sich und warum Sie angerufen haben", bat Mister Davis-Taylor mit einem Blick, der ein Kribbeln in mir auslöste.
Ich spürte eine Gänsehaut, die sich auf meinem Körper ausbreitete. Diese wollte ich mit einem Schluck des Cappuccinos vertreiben. Prompt verbrannte ich meinen Mund und meine Zunge. Qualvoll verzog ich das Gesicht und fuhr mir über die Lippen. Heute ging aber auch alles schief. „Es gibt nicht viel zu erzählen", meinte ich diplomatisch, um unangenehme Themen zu umgehen. Er war sicherlich jemand, der gerne peinliche Fragen in der Öffentlichkeit stellte.
„Das entscheide am Ende immer noch ich, Miss Miller", erwiderte er. Während er sprach, musterte er mich genau. Wäre ich gestanden, hätte er wohl eine Ganzkörpermusterung durchgezogen.
Erneut spürte ich ein Kribbeln, aber auch ein unangenehmes Gefühl. Ich mochte es nicht, so angestarrt zu werden. Ich musterte ihn ebenfalls schamlos. Nicht so offensichtlich wie er, aber mir fielen die breiten Schultern und die muskulösen Arme, die sich unter seinem weißen Hemd versteckten, sofort auf. Ob er wohl täglich dafür trainierte? Wenn er wüsste, dass ich mich in Gedanken mit solchen Dingen ablenkte, würde es ihm sicherlich nicht gefallen.
Um es schnell hinter mich zu bringen, erzählte ich ihm, dass ich Mitte zwanzig war, aber auch, wo ich aufgewachsen und zur Schule gegangen war. Ein langweiliges Thema, das ich generell nicht gerne ansprach. Auch meine Ausbildung zur Kauffrau im Groß- und Außenhandel und einen Aufenthalt im Ausland erwähnte ich. Eigentlich war alles langweilig, weil nichts Aufregendes in meinem Leben geschah, dennoch hörte er scheinbar interessiert zu. Nebenbei bemerkte er, dass er 37 Jahre alt war.
Von einer Frau in der Nähe schnappte ich einen Wortfetzen auf, dass Mister Davis-Taylor heiß wie Feuer war. Eine andere kicherte daraufhin. Da die beiden nicht gerade leise sprachen, war ich mir sicher, dass er es mitbekam. Seine Augen und seine Aufmerksamkeit lagen jedoch nur auf mir. Ich musste zugeben, es imponierte mir, dass er die anderen völlig ignorierte. Das war ich nicht gewohnt, zumal mein Ex-Freund selbst in meiner Anwesenheit mit anderen geflirtet hatte.
Als ich mit meinem mageren Statusbericht fertig war, lehnte ich mich aufatmend zurück. Was für ein Interview! Das war wie eine Bewerbung.
Genüsslich nahm ich einen Schluck meines Cappuccinos. Dieses Mal, ohne mich zu verbrennen. Innerlich frohlockte ich, weil ich es meiner Meinung nach ganz gut hinbekommen hatte. Vor allem hatte ich es geschafft, ihm dabei in die Augen zu sehen. Darauf schien er großen Wert zu legen.
„Und wie sieht es privat bei Ihnen aus? Verheiratet? Freund?", fragte er plötzlich.
Ich verschluckte mich und meine Wangen färbten sich rotweinähnlich. Mit aufgerissenen Augen starrte ich ihn an. Vor Entsetzen brachte ich die ersten Sekunden nichts weiter als ein Stottern hervor, das keinen Sinn ergab. Fragte er allen Ernstes nach meinem Privatleben? Das ging ihn doch gar nichts an! Oder etwa doch?
„Ich warte auf Ihre Antwort", sagte Mister Davis-Taylor mit einem süffisanten Grinsen und ich wusste sofort, dass er meine Schwachstelle herausgefunden hatte.
Ich hasste es, über private Dinge zu reden. Früher war ich oft genug in Fettnäpfchen getreten, die für mich am Ende nur große Enttäuschung und Ärger bedeutet hatten. Deshalb schwieg ich auch eisern und dachte verzweifelt darüber nach, wie ich dieser Situation entkommen konnte.
Nervös fischte ich nach meiner Tasche am Boden und grapschte nach meinem Smartphone, das mir allerdings immer wieder aus den Fingern rutschte. Ich fluchte. Hatte sich gerade die ganze Welt gegen mich verschworen? „Entschuldigen Sie, ein Anruf, den ich annehmen muss", nuschelte ich undeutlich und bemerkte aus den Augenwinkeln, wie er die Stirn runzelte und dann noch breiter grinste.
Kaum hielt ich das Smartphone in der Hand und wollte so tun, als würde ich mit jemandem telefonieren, nahm er es mir ab und drehte es mit dem Display nach unten neben seine Kaffeetasse. „Ein guter Versuch, abzulenken, Miss Miller. Haben Sie vergessen, was ich von Ihnen verlange?", fragte er mit einer Stimme, die bei mir für Gänsehaut sorgte.
„A-Aber ...", begann ich schwach zu protestieren, doch als er mit der Zunge fast schon tadelnd schnalzte, brach ich ab.
„Widersprechen Sie mir nicht. Sie bekommen keinen Anruf, sondern spielen mir etwas vor, weil Sie nicht antworten wollen", bemerkte Mister Davis-Taylor nüchtern.
Ertappt senkte ich den Blick und spürte, wie meine Wangen glühten. „Ich möchte nicht darauf antworten. Es ist privat und ich trenne das strikt von der Arbeit", erklärte ich und überlegte krampfhaft, wie ich mein Smartphone zurückbekommen konnte. Als seine Hand näherkam, beobachtete ich diese genau. Was hatte er jetzt vor? Machte er mit seinen Psychospielchen weiter?
Seine Fingerspitzen berührten meine Hand und ich bekam einen elektrischen Schlag, der mich zusammenzucken ließ. Das war nicht das Schlimmste. Seine Finger fuhren hauchzart über meine vor Nervosität erhitzte Haut. Damit löste er ein Kribbeln in mir aus, das mich schlucken ließ.
„Ich verstehe Ihren Punkt, aber für mich ist es wichtig zu wissen, ob Sie in einer Beziehung sind", sagte er, wobei er scheinbar meine Reaktionen genau studierte.
Es war schwer, meinen Blick zu heben und ihn anzusehen. Ich wollte nicht antworten, hatte aber das Gefühl, dass er mich nicht in Ruhe lassen würde, bis ich mich geäußert hatte. „Zurzeit nicht." Das war meiner Meinung nach aussagekräftig genug. Langsam zog ich meine mittlerweile zitternde Hand zurück und vergrub mein Gesicht fast schon hinter meinem Cappuccino.
Seltsamerweise sagte er nichts, sondern ließ mich in Ruhe. Jedoch lag sein musternder Blick wie eine dunkle Wolke über mir, sodass ich hoffte, dass er mich bald gehen ließ.
Minutenlang saßen wir uns gegenüber, ohne etwas zu sagen, und doch wusste ich, dass er einiges wissen wollte. „Was denken Sie, könnte ich von Ihnen wollen, wenn wir einen Vertrag aufsetzen?", fragte er plötzlich und brachte mich erneut aus dem Konzept.
Woher sollte ich das wissen? Er war doch der Arbeitgeber, nicht ich. „Ich ... weiß nicht", antwortete ich und warf einen Blick an die Lampe an der Decke, um nachzudenken. Ihn anzusehen und nachzudenken war nicht möglich. Dazu lenkte er mich zu sehr ab. „Dass ich Zeit mit Ihnen verbringe und Sie auf Events begleite?" So hatte ich das aus seinem Inserat herausgelesen.
„Unter anderem, ja." Überrascht sah ich ihn fragend an, was ihn scheinbar dazu aufforderte, weiterzusprechen. „Wenn ich Sie anrufe, halten Sie sich bereit. Ich warte nicht gerne. Seien Sie immer pünktlich und leisten Sie mir Gesellschaft, wenn ich mich danach sehne."
„Was ist mit richtiger Arbeit?", fragte ich vorsichtig, da es sich für mich eher anhörte, als würde etwas anderes dahinterstecken. Es konnte nicht sein Ernst sein, jemanden dafür zu bezahlen, nur damit er Gesellschaft hatte!
„Sie arbeiten, indem Sie Zeit mit mir verbringen. Ich erwarte nicht, dass Sie mein Haus putzen oder sonstiges. Einfach Gesellschaft leisten. Mit mir reden, einen Wein trinken, essen gehen, Kinobesuche, Auslandsreisen", zählte Mister Davis-Taylor auf.
Mit großen Augen sah ich ihn an. „Und dafür bezahlen Sie mich?", fragte ich atemlos. Das sollte doch ein Kinderspiel werden, so ein wenig Extra-Geld zu verdienen! Für solche Aktivitäten jemals bezahlt zu werden, hätte ich nie gedacht. Es war ein Traumjob, der sicherlich auch negative Seiten haben konnte. Aber es war schnelles Geld. Und das brauchte ich.
Er nickte. „Genau. Je nach Stunden und Dingen, die wir tun. Sie können sich jedoch sicher sein, dass ich Sie großzügig entlohnen werde."
Ich schnappte nach Luft und nickte heftig. „Natürlich. Ich bin damit einverstanden", versicherte ich, ohne mir bewusst zu sein, auf was ich mich wirklich einließ.