CN: Blut, Verletzung, Angst
Navale
Araz & Rove
(damals, als sie noch Feinde waren - oder nicht?)
Mit einem dumpfen Krachen fiel die Tür des Badezimmers auf. Der Schreck ließ Rove zusammenfahren und beinahe das mühevoll aufrechterhaltene Gleichgewicht zu verlieren. Verkrampft stützte sie sich über das Waschbecken und versuchte dem Schwindel wieder Herrin zu werden, während in ihr die Anspannung stieg. Durch einen Blick in den Spiegel sah sie Araz auf sich zukommen. Wer auch sonst?
“Bleib bloß weg”, fauchte sie so bissig wie ihr möglich. Doch die Worte kamen nur träge über ihre immer noch weiche Zunge.
Araz ließ sich davon nicht beirren und trat mit grimmigem Blick näher. Sie wollte ausweichen, ihn davon scheuchen, irgendwas, doch ihre weichen Knie ließen nicht zu, dass sie die Sicherheit des Waschbeckens, an das sie sich immer noch Halt suchend klammerte, zu verlassen.
“Was machst du da?!”, fauchte nun der Andrerkiin angespannt, als er sie schon fast erreicht hatte. Rove hob den Blick gerade weit genug um seinem folgen zu können. Seine schwarzen Augen lagen auf der Wunde an ihrem Unterbauch. Auf dem Blut, dass frisch aus den neuen Verletzungen drang und das Waschbecken besudelte. Sein Blick wanderte auch auf das nasse, verschmierte Handtuch und die kleine, ebenso verschmierte Nagelhautschere. “Marga!”, rief er durch die offenstehende Tür, woraufhin direkt der runde Lockenschopf der alte Dame erschien und sie sich daran mache, ins Bad zu eilen.
“Nein, nein, nein!”, fluchte Rove und wich reflexartig zurück - nur um endgültig den Halt zu verlieren. Bevor sie aber auf dem harten Steinboden ankam und sich unterwegs am Waschbecken stoßen konnte, griffen Araz Hände nach ihr, hielten sie aufrecht und führten sie zum zugeklappten Toilettensitz, um sie darauf abzusetzen.
“Nein, nein, nein!”, fluchte, wimmerte mehr, Rove weiter, hielt ihre Hand schützend über der Wunde und beugte sich tief darüber zusammen, damit keiner sie erreichen konnte.
“Was ist denn los?!”, fauchte Araz erneut und versuchte Rove in eine aufrechte Position zu zwingen. Es wäre ihm sicher gelungen, genug Kraft hatte er ja. Vielleicht wollte er aber nicht so grob zu ihr sein. Aber…
“Das war falsch, das war falsch…”, presste Rove verbissen und leise zwischen den Zähnen hervor. “Nicht behandeln… von denen…”, setzte sie hinterher. Das Schmerzmedikament setzte ihrer Konzentration immer noch stark zu. Dazu der Stress beeinträchtigte ihre Fähigkeit sinnvolle Sätze zu bilden enorm. Sie fühlte sich klein, dumm und verloren. Verletzt, zwischen Feind und Fremden, die es vielleicht, vielleicht auch nicht gut mit ihr meinten - und keine Ahnung davon hatten, was sie mit ihr machten. Sie sah sich schon wieder auf das Bett gezerrt zu werden, wo sie ihre Wunden erneut nähten. Oder klammerten. Und anschließend die Fäden und Klammern mit ihrer Haut verwuchsen, weil diese Leute nicht verstanden, dass sie doch längst ein Medikament aufgetragen hatte, dass ihre Heilung beschleunigte und keine Naht oder Klammerung notwendig war, sogar Schaden zufügen konnte.
Doch es kam anders. Unerwartet. Während sie noch hektisch dabei war, sowohl Araz, als auch Marga und einen zweiten Helfer abzuwehren und diese ihrerseits versuchten, beruhigend auf sie einzureden und ihr versicherten, dass sie nur helfen wollten, war es ausgerechnet der Andrerkiin, der die Menschen verscheuchte. Der Schwindel verbot es ihr für einen Moment, den Kopf zu heben, doch sie hörte, wie er sie ebenso scharf aus dem Raum verscheuchte, wie er zuvor Rove angegangen war. Ausgerechnet der, der bis vor einem Augenblick gefühlt noch ihr Feind gewesen war.
“Was ist los?”, fragte er diesmal sanfter und als sie den Blick vorsichtig hob, sah sie ihn vor sich knien. Was genau sich hinter dem Schwarz seiner Augen verbarg,, das konnte sie nur raten. Sie wollte ihm nicht glauben, dass er sowas wie Besorgnis für sie übrig hatte. Er war doch, immer noch, ihr Feind, oder nicht?
“Du glaubst doch nicht, dass ich dir etwas antun würde?”, fragte er, als sie nicht antwortete. “Wozu sollte ich mir so viel Mühe machen, wenn es doch so einfach für mich wäre?”
Mit der Logik ließ sich nicht streiten. Auch wenn Rove immer noch tausend Dinge einfielen, trotz ihrer immer noch schwer zu haltenden Gedanken, es machte wirklich wenig Sinn, dass er sich die Mühe machen würde, nach ihr zu sehen, wenn er sie am Ende ohnehin ausschalten würde. Selbst wenn er sie nur aufbauen wollte, um Informationen zu erhalten… aber als Andrerkiin standen ihm dafür auch andere Wege zur Verfügung, wie Rayya es schon am eigenen Leib erfahren hatte. Und war er es nicht, der sie überhaupt hier her gebracht hatte? Ohne ihn, da wäre sie vermutlich nicht länger am Leben. Und ohne sie, da wäre er nicht mehr am Leben gewesen. Das alles also war sein Dank?
“Ich… die Naht… ist falsch…”, brachte Rove gebrochen heraus und brachte sich langsam, um dem Schwindel nicht wieder zu verfallen, in eine aufrechtere Position.
Araz verzog das Gesicht, als er diesmal das volle Ausmaß ihres Versuchs, die Fäden selbst zu entfernen, mit den zittrigen Händen, erkannte. Natürlich konnte das kein schöner Anblick sein. Wäre sie nicht hier, allein mit einem Feind und Fremden, die sie in ihrem Zustand nicht ernst nehmen wollten, hätte sie sich vielleicht nicht daran zu schaffen gemacht, sondern gewartet. Aber hier, in der Situation? Wo sie nicht wusste, wem sie vertrauen konnte und sie so schnell wie möglich wieder auf die Füße kommen musste?
“Lass mich das machen.”