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Nach dem Prompt „Riesenwaran“ der Gruppe „Crikey!“
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Mit finsterem Blick betrachtete Kheiladoo die Ruinen des Dorfes. Die Hütten waren zerstört, Habseligkeiten und Kleidung lagen überall verstreut, und man konnte die dunkleren Flecken erkennen, wo das Blut Verletzter und Sterbender in den Sand gezogen war. Die Leichen waren bereits fortgeschafft worden.
Entweder von den Dorfbewohnern oder von der Bestie.
Die Perentie hatte unzählige Leben gefordert und das gesamte Dorf unbewohnbar gemacht. Nun betrachtete Kheiladoo die Speere, die auf dem Boden ausgebreitet waren, die Bumerangs und Steine und sonstige Waffen.
"Müssen wir ihn wirklich jagen?", fragte Jemairo leise.
"Natürlich müssen wir!", knurrte Kheiladoo. "Dieses Monster hat so viele Womarry getötet. Er ist ein Mörder."
"Es ist nur ein Tier. Es folgt seinen Instinkten", widersprach Jemairo.
Kheiladoo sah seinen Gehilfen kopfschüttelnd an. "Ich weiß, das behagt dir nicht, aber diese Leute wollen Rache und wir werden dafür bezahlt, sie ihnen zu geben."
Sie rasteten, als der Berg in Sicht kam. Nachdem sie die trockenen Sträucher entfernt und den roten Boden freigelegt hatten, entzündete Jemairo ein Feuer. Die Krieger des zerstörten Dorfes sahen finster in die Flammen, in Gedanken eindeutig bei dem morgigen Tag, wo sie die Perentie jagen und ihre Rache erhalten würden.
"Kennt ihr eigentlich die Legende der Malerechse?", fragte Jemairo, um die Stille zu füllen.
Mit gehobener Augenbraue sah Kheiladoo zu, wie Jemairo ohne eine Antwort abzuwarten begann, die alte Legende vorzutragen. Laut derer hatten sich die große und die kleine Perentie gegenseitig angemalt. Während die Große - das Monster, das sie jagten - sich Mühe gab und die hübsche Musterung der kleineren Echsen erschuf, war jene zu faul und kippte lediglich ihren Eimer über der Großen aus.
Jemairo spielte die gähnende Echse so gut nach, dass die Krieger lauthals lachten, selbst jene, die in dem Angriff Liebste verloren hatten. Vielleicht war es nach all den Tagen auch an der Zeit, dass sie ihre Trauer loswurden.
Herumhüpfend mimte Jemairo die wütende Perentie nach, die ihren kleineren Verwandten davonjagte.
Sie lagerten hinter einigen Felsen und behielten die ferne Höhle im Blick. Die große Echse - so hoch wie zwei Mann übereinander, und noch deutlich länger - hockte darin. Kheiladoo wollte Fallen im Bau stellen, doch dazu mussten sie abwarten, bis dieser leer wäre.
"Wir hätten gestern schon beginnen sollen", brummte er.
"Wir haben die Pause gebraucht", widersprach Jemairo, der sie überhaupt erst vorgeschlagen hatte.
Also warteten sie nun ungeduldig. Nach einer gefühlten Ewigkeit bebte die Erde und der riesige Waran schob sich aus dem Erdloch.
Allerdings nicht allein. Die Augen der versammelten Jäger weiteten sich, als drei, vier kleinere Echsen herauskamen, etwa so groß wie ein Womarry.
"Es ist ein Muttertier", murmelte Kheiladoo erstaunt.
"Sie brauchte Nahrung, um ihre Jungen zu ernähren", flüsterte Jemairo und sah zu den Jägern.
Das Muttertier stapfte los und die kleineren Echsen folgten ihr mit dem verwunderten Ausdruck von Kindern, die zum ersten Mal die Farben der Welt sahen. Sie konnten noch nicht alt sein.
"Jemairo, du hältst Ausschau. Pfeif, wenn sie zurückkehrt." Kheiladoo erhob sich, kaum, dass die Echse außer Sicht war. "Der Rest kommt mit mir."
Er lief los und stockte, als er nicht die erwarteten Geräusche hörte. Als er sich umdrehte, hatte sich keiner der Krieger bewegt.
"Na los. Das ist unsere Chance auf Vergeltung!", forderte Kheiladoo sie auf.
"Wir ... wir können doch kein Muttertier mit seinen Jungen töten", widersprach einer der Krieger.
"Sie hat eure Frauen und Kinder getötet!"
"Ja, aber ... wir wussten, dass es ein Risiko ist, das Fleisch im Dorf zu lagern. Wir haben die Gefahr nur ignoriert." Der Krieger deutete zur Höhle. "Wenn wir diese fünf umbringen, sind wir schlimmer, denn wir töten nicht aus Hunger, nur aus Rache. Und was, wenn die Perentie überlebt und unserem Geruch zurück zum Dorf folgt?"
Kheiladoo runzelte die Brauen. "Seht ihr das alle so?"
Die Kämpfer tauschten Blicke und nickten.
Kheiladoo senkte den Speer. "In Ordnung. Kehren wir um."
"Habt vielen Dank." Der Häuptling reichte Kheiladoo und Jemairo das versprochene Geld.
"Aber ... wir haben die Bestie nicht getötet!"
"Ihr habt uns geholfen, unsere Vergeltung zu finden. Nur auf andere Art, als man erwarten würde." Der Häuptling des Dorfes lächelte. "Ihr habt euch euren Lohn verdient, tapfere Jäger."