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Nach dem Prompt „Goldschwanzgecko“ der Gruppe „Crikey!“
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Mayra kroch mit angehaltenem Atem vorwärts. Der Jäger hatte zwischen den gelben Blüten der Goldakazien vor sich Bewegung ausgemacht. Es war etwas Großes, das sich dort bewegte. Er hatte ein schwarz-weißes Muster erkannt, das Mayra von keinem großen Tier kannte.
Ohne ein Geräusch zu verursachen, schob sich Mayra weiter. Er atmete so flach wie möglich und spürte doch, wie sein Atem kleine Erdkrümel vor seinem Kinn aufpeitschte. Wachsam lauschte er auf jedes Geräusch, doch der nahe Wasserfall übertönte fast alles.
Deswegen war er hier: Nach der langen Reise benötigte er frisches Wasser. Doch Mayra hatte trotz des Durstes nicht in seiner Wachsamkeit nachgelassen, und so hatte er das Wesen bemerkt.
Nur, was war es? Offenbar war es vor ihm in die Senke gestiegen, wo der Wasserfall an einen Teich mündete. Mayra kannte die Grube, er suchte sie auf seinen Reisen immer auf. Der Wasserfall war klar und versiegte selbst während der Doppelsonnenzeit nicht. Hier, am Teich, beugten sich Pflanzen dicht und grün über die steile, steinige Felssenke, in der sich sogar einige Höhleneingänge befanden, alle so tief, dass er sie nie erforscht hatte. Niemand wagte sich dort hinein, denn man fand nur schwer wieder hinaus.
Langsam schob Mayra die letzten Blätter zur Seite - und erstarrte.
Vor ihm, in der Senke des Teichs, stand nicht etwa ein Tier. Es war ein Mensch, oder doch jedenfalls ein erdvölkisches Wesen mit Armen und Beinen. Doch die Haut der Kreatur war mit Schuppen bedeckt und auch der Kopf merkwürdig echsenähnlich geformt.
Haare hatte das Wesen keine, und auch keine Kleidung. Während es unter den Wasserstrahl trat und sich im kühlen Nass duschte, fragte sich Mayra unwillkürlich, ob es ein Mann oder eine Frau sei - erkennen konnte er nichts, der Unterleib war völlig glatt, die Brust flach, der Körperbau schlank und schmal.
Fasziniert konnte er den Blick nicht abwenden. Er sah je drei Finger an großen Händen, die sich an die Spitzen verbreiterten, und einen langen Echsenschwanz mit einem goldenen Streifen, der bereits auf dem unteren Rücken ansetzte, in scharfem Kontrast zum weißen Körper mit kleinen, schwarzen Punkten. Die Füße hatten weit nach hinten reichende Fersen, das Wesen ging auf den Ballen und Zehenspitzen wie ein Wolf. Ein Teil von Mayra wusste, dass er Angst haben sollte, doch er konnte sich nicht davon überzeugen, dieses Wesen hässlich zu finden.
Ein ovaler Kopf saß auf einem schlanken Hals. Das Gesicht war fast menschlich, jedoch mit einem breiten Mund, einer flachen Nase und großen, rötlich schimmernden Augen. Nie zuvor hatte Mayra etwas Schöneres gesehen.
Das Wesen sah aus wie die Wongarra aus den alten Mythen. Echsenmenschen wurden sie dort genannt, doch es hieß auch, dass sie hässlich und gefährlich wären. Dieses Wesen war alles andere als das.
Er lehnte sich zu weit vor und ein Ast brach unter seinem Gewicht. Hastig warf er sich zurück in den Schatten, mit wild hämmerndem Herzen.
Hatte die Kreatur ihn gesehen? War sie womöglich gefährlich, wie es in den Legenden hieß? Nervös sah er über die Schulter zurück zum Teich.
Doch das Tal war leer. Keine Spur war von dem faszinierenden Wesen geblieben. Als wäre es in den Höhlen abgetaucht oder die Felswände emporgeflogen.
Mit einem wehmütigen Gefühl der Kälte begriff Mayra, dass er wieder allein war.