Die Pizza war lecker und Kai überlegte sich, ob er nicht doch etwas mehr Zeit und Energie ins Kochen investieren sollte. Doch erst einmal mussten die Karolines Kochkünste genügen. Als sie schließlich zusammenpackte, fragte er: „Wann sehen wir uns wieder?“
„Ach, ich glaube, das dauert jetzt drei Wochen. Ich habe noch einmal Ausbildung und besuche dann noch meine Tante im Norden, muss noch ein paar Resturlaubstage vom letzten Jahr nehmen.“
„Na gut. Aber wir telefonieren dann mal, oder?“
„Klar, ich melde mich. Schließlich muss ich doch wissen, wie es meinem Löwen geht!“ Albern fauchte er und bewegte seine Hand, als würde er seine Krallen ausfahren. Doch niemand hätte das ernst nehmen können. „Du Spinner. Ich mach mich auf den Weg, gute Nacht!“
„Gute Nacht, und danke für den schönen Abend, trotz der Karten.“ Sie drehte sich wortlos um und ging zur Tür hinaus. „Und verdrehe nicht die Augen!“ Jetzt blickte sie doch zurück und so konnte er sie lächeln sehen.
Wenig später lag er, müde von den Gesprächen, schon im Bett und mummelte sich in seine Decke. „Gute Nacht, Löwe“, sagte er zu sich selbst und schon wenig später war er eingeschlafen.
Etwas war anders, und er brauchte eine Weile, bis ihm gewahr wurde, dass es seine eigenen Körperbewegungen waren. Er ging durch einen Wald, nahe an einem Fluss, und wunderte sich, dass ihm die Grashalme am Mund kitzelten. War er etwa geschrumpft? Der Wald roch angenehm intensiv, viel stärker, als er es jemals erlebt hatte, gleichzeitig hatte er die Befürchtung, dass ihn jemand sehen konnte. So kannte er sich gar nicht! Da entdeckte er ein parkendes Auto. Sicher würde er sich im Lack spiegeln können. Er brauchte einen Moment, um den Widerhall seiner Erscheinung zu verdauen, die Panik, die in ihm aufstieg, nicht zu groß werden zu lassen. Im Blech schaute ihn eine Katze entgegen. Erst da kam er auf die Idee, an sich herunterzuschauen, und sah auf seine graufelligen Pfoten. Der Schreck über die Echtheit seiner Verwandlung ließ ihn aufspringen wie diese Katzen aus den Youtube-Videos, die plötzlich eine Gurke sehen. Sein Atem ging schnell und er brauchte eine Weile, um sich zu beruhigen. Noch einmal näherte er sich dem Auto, schaute sich wieder an, und betete, es wäre ein Traum. Bestimmt würde gleich der Wecker läuten und dann könnte er endlich aufwachen. Doch nichts dergleichen geschah. Er starrte auf sein Spiegelbild. Bewegte sich da hinten etwas? Vorsichtig drehte er sich um und ging in die Hocke. Lief da noch eine Katze? Sie war auffällig rot, hob den Kopf und schaute in seine Richtung, als könnte sie ihn riechen, und ging doch endlich weiter. Ein Knall, dicht gefolgt von einem überlauten Grollen ließ ihn erneut zusammenzucken und er brauchte einen Moment, um zu erkennen, dass jemand den Wagen startete und wegfuhr. Er lugte auf die andere Seite des Waldweges und entdeckte erst ein paar leuchtende, grüne Punkte, dann noch ein paar, dann noch welche. Er überlegte, warum er denn in einem Wald war, warum als Katze, und warum da noch mehr Katzen waren. Noch mehr? Doch da war es schon zu spät. Sie griffen ihn an, er hatte keine Chance, die Pranke eines besonders aggressiven Exemplars fuhr ihm übers Gesicht.
Endlich! Er begrüßte den Schmerz, der ihn aufwachen ließ. Immer noch atmete er schwer. Als Erstes tastete er nach dem Licht auf dem Nachttisch, erfreut, dass er seine Hand sah und keine Pfote. Jetzt musste er etwas trinken, diesen Alptraum mit ein wenig Wasser runterspülen. Er stand auf und ging ins Bad, ließ das kalte Wasser im Waschbecken laufen, trank ein paar Schluck Wasser und ließ sich schließlich das kühle, beruhigende Nass über den Kopf laufen. Als er sich aufrichtete, um sich abzutrocknen, zuckte er erneut zusammen: Quer über seine linke Wange zogen sich drei leicht blutende Schrammen. „Shit, Shit, Shit!“, fluchte er und betastete die Verletzung. „Das kann doch nicht sein, ich habe doch nur geträumt!“ Er schaute sich seine eigenen Fingernägel an, ob er sich vielleicht im Traum selbst gekratzt habe? Aber nein, seine Fingernägel waren sauber und kurzgeschnitten, wie immer. „Ganz ruhig, es wird für alles eine Erklärung geben.“ Wenn niemand da ist, muss man sich eben selbst beruhigen. Er versorgte die Wunde, sprühte sich ein wenig Desinfektion darauf, was ähnlich schmerzhaft war, wie im Traum gekratzt zu werden. „Na, das wird was werden in der Band heute Abend.“
Aus Furcht, wieder im Körper einer Katze zu landen, entschied er, sich nicht mehr hinzulegen. Es war sowieso schon fünf Uhr und sein Magen rief trotz der Pizza vom Vorabend, nach Frühstück.