Selina hatte es sich nicht nehmen lassen, selbst zu kochen, nachdem ich ihr erzählt hatte, dass Bertl und ich in unserer Jugend immer um die Wette gefuttert hatten. Am Liebsten Wienerschnitzel mit Butterkartoffeln. Also ließ sie sich alles Notwendige liefern und war gespannt auf Bertl, der ein richtiges Original war. Unsere Außenposten wussten Bescheid und ließen Bertl passieren. Pünktlich um sieben klingelte es. Ich wollte zur Haustür humpeln, doch Selina wollte ihm selbst öffnen. Bertl hatte einen richtig schönen Blumenstraus mitgenommen und begrüsste Selina auf seine typische Art. "Servus, I bin der Bertl!" Das gefiel! Selina fand ihn auf Anhieb symphatisch und geleitete ihn zu mir ins Wohnzimmer. "Schau, was mir der Bertl für schöne Blumen mitgebracht hat, Michael! Die stell ich gleich ins Wasser und dann komm ich mit dem Essen." Kaum war sie aus dem Zimmer, flüsterte Bertl: "Mi hauts am Arsch, Michl, wo hast denn die her? Wow, is des a Katz!" Das war typisch Bertl! "Ja Bertl, so hats mich noch nie erwischt, aber die kann mehr, als hübsch sein. In groben Zügen, berichtete ich ihm davon, wie sie mich aus dem Seehaus gerettet und in der Klinik operiert hatte. Bertl war sichtlich beeindruckt. Ich erzählte ihm auch, dass wir zusammenbleiben und die Stiftung weiterführen wollten, was er schon aus den Medien wusste. Selina kam mit einem Behältnis, in dem schätzungsweise zehn große Schnitzel warmgehalten wurden und stellte sie auf den gedeckten Tisch. In der anderen Hand hatte sie die Schüssel mit den Kartoffeln. Ich konnte ihr ja schlecht helfen. Als ich aufstehen wollte, hielt sie mich zurück. "Wieviel hast du denn heute von den Blauen genommen, Schatz?" - "Nach dem Streifschuss, hast du mir zwei gegeben. Danach hatte ich keine Zeit mehr für Schmerzen, Kleines." - "Dann kannst du heute mal ein paar Bier zum Schnitzel trinken" - "Danke, Frau Doktor!" Bertl grinste: "Tu ihm nicht so schön, weil der gwohnt sich dran, der Lump! Dann hast so an Weli da!"
Wir genossen dieses Abendessen in vollen Zügen. Zusammen mit grünem Salat war es einfach perfekt. Es hatte auch etwas Befriedigendes, dass die Beiden auf Anhieb Spaß miteinander hatten, und offensichtlich Vertrtauen zueinander fassten. Ein Umstand, der für Klient und Anwalt von großer Bedeutung ist. Bertl erklärte Selina, dass er die Unterlagen der Stiftung einsehen musste und mit dem Anwalt ihres Vaters Kontakt aufnehmen würde. Die "Machtübergabe" an mich hatte nach Regeln zu erfolgen, die man erst nach genauer Kenntnis der Sachlage kennen würde. "Also I freu mi fürn Michl, dass du ihn gfundn hast, Sel. Er hätts eh nicht gschafft, dich zu findn! Und er braucht Eine, die was ihn wirklich gern hat! Weißt, im Findn von Frauen is er normal patschert, da hat er a Glück ghabt mit dir."- "Jetzt reichts aber Bertl! Erzähl jetzt ja keinen Schwank aus unserer Jugend!"
Wir scherzten noch lange dahin und als wir nach Bertls Aufbruch den Abwasch erledigt hatten, (wenigstens das wollte ich unbedingt mit ihr gemeinsam tun) legten wir uns noch ein wenig auf die Couch. Das Leben hätte so schön sein können. Natürlich hatten wir noch einen weiten Weg vor uns, aber wir hatten eine Kraft, die man nur gemeinsam hat. Das einzige, was wirklich extrem störte, war die Lebensgefahr, in der wir uns nach wie vor befanden. Selina war mit dem Kopf auf meiner Brust eingeschlafen und murmelte im Traum ein Wenig dahin. Ich brachte es nicht übers Herz, sie aufzuwecken und so streichelte ich ihren Nacken bis mich selbst der Schlaf übermannte. Erst lange nach Mitternacht küsste Selina mich wach. "Komm mit ins Bett, Liebling, du bist eingeschlafen." - "Nein, du bist eingeschlafen." - "Gar nicht wahr! Du bist eingeschlafen..."