Gemeinsam mit dem Gefreiten Levi verlies ich das Gebäude, wobei wir auf dem Gelände der Kaserne blieben. Levi schwieg und sah nicht zurück. Er schien genauso begeistert wie Lina von der Idee Smiths zu sein. Nach dem Durchqueren eines kleinen Trainingsgeländes kamen wir an ein Haus.
"Hier wohnt unser Trupp." sagte er trocken und öffnete die Tür. Wir kamen in ein großes Zimmer, welches als Küche, Speise- sowie Besprechungsraum zu dienen schien. Ich sah mich um. Alles war extrem sauber. Selbst vom Boden hätte man essen können, so sehr glänzte dieser.
"Willkommen zurück, Hauptgefreiter Levi." sagte Petra, die soeben die Treppe hinunterkam. Levi nickte.
"Petra, nimm du dich Ihrer an. Zeig ihr das Haus, euer Zimmer und vor allem den Waschraum. Am Nachmittag will ich euch vollständig ausgerüstet auf den Trainingsplatz sehen. Dort werden wir die Neue austesten." Er drehte sich nun zu mir um, sah mich kurz an und ging dann die Treppe hinauf.
"Verstanden." sagte Petra nur und kam auf mich zu gerannt. "Dann komm mal mit!"
Wir durchliefen das gesamte Haus. Unten befand sich der große Allgemeinraum und ein kleines Hinterzimmer, welches die Toilette darstellte sowie ein etwas größerer Waschraum. Oben waren vier Schlafräume angesiedelt. Dabei wurde der größte Raum von Auruo und Gunther geteilt, wohingegen Levi, Eld und Petra Einzelräume hatten, was sich nun ändern sollte.
"Dies ist nun unser gemeinsamer Raum." erklärte Petra, "ich habe das Bett und den Schrank an der rechten Seite. Ich hoffe, das ist für dich in Ordnung. Die Kommode können wir uns teilen. Momentan nutze ich dort nur die oberste Schublade." Ich nickte.
"Ich habe ohnehin nichts." meinte ich nur und setzte mich an den kleinen Tisch, der am Fenster stand. Petra stand schweigend da. Sie wusste anscheint nicht, was sie sagen sollte. "Möchtest du mir jetzt die Ausrüstung zeigen? Ich wäre über ein Bad und einen Kleiderwechsel wirklich froh." versuchte ich die Stille zu brechen.
Die junge Frau lächelte und ging mit mir hinunter. Sie stellte mir ein vollständiges Ausrüstungsset zur Verfügung und schenkte mir sogar einen BH und eine Unterhose aus Mitleid. Ich war wirklich peinlich berührt, nahm diese jedoch verzweifelt an. Was sollte ich auch anderes machen? In der Wanne schrubbte ich mich aggressiv ab. Ich fühlte mich so stinkend, es war kaum mehr auszuhalten.
" -dN- brauchst du noch was?" rief Petra vor der Tür stehend. Sie war wirklich unglaublich sorgsam.
"Komm ruhig rein!" meinte ich und stieg nun aus der Wanne. "Ich habe dir noch duftende Creme gebracht. Ich selbst liebe Lilie." Ich schaute mir die drei kleinen Töpfchen an und entdeckte ein lila Gemisch.
"Lavendel?" fragte ich.
Sie bejahte es und drückte es mir in die Hand. "Für dich."
"Vielen Dank, ich weiß gar nicht, was ich sagen soll."
"Du musst dem Gefreiten Levi danken. Er hatte gestern bereits mit uns besprochen, dass er denkt, dass du zu unserem Trupp stoßen wirst und meinte, wir sollen dich so gut wie möglich behandeln." Ich sah sie unglaubwürdig an, sodass sie noch hinzufügte: "Der Gefreite Levi wirkt vielleicht nicht so, aber er kümmert sich sehr um seinen Trupp. Und um ehrlich zu sein, freue ich mich riesig, dass du zu uns kommst. Du sollst wirklich sehr willensstark sein und außerdem bist du endlich als zweite Frau hier im Elitetrupp." Sie lächelte begeistert und ich grinste mit.
Ich cremte mich ein. Der Duft von Lavendel brachte mich in freudige Stimmung. So gut hatte ich mich in den letzten drei Wochen nicht mehr gefühlt. Danach kleidete ich mich an und ging mit Petra in eine Art Stall, in dem auch die Waffen und 3D-Manöver-Geräte lagen. Sie zeigte mir, wie man diese optimal anlegte. Es war nicht einfach, aber ich begriff schnell, dass man vor allem bei den Schnallen behutsame Einstellungen tätigen musste. Dann zeigte sie mir mein Pferd.
"Sein Name ist Sturm. Er ist schnell und wendig, dafür aber ein Dickkopf." Ich streichelte dem schwarzen Hengst über seine Nüstern. Seine großen Kulleraugen glänzten freudig. Wahrscheinlich erwartete er unseren Ausflug mit voller Vorfreude.
Petra und ich ritten durch die Stadt und verließen diese durch das hintere Tor ins sichere Gebiet hinter der Mauer. Dort direkt an der Mauer befand sich ein großes Trainingsgelände.
"Reiten kannst du schon mal." begrüßte uns Levi als wir vom Pferd abstiegen.
"Ja, das gehörte zu meiner Ausbildung." stimmte ich zu.
"Wie sieht es mit dem Umgang mit Schwertern, Kraftsport und Beweglichkeit aus?" Ich bleib stumm und errötete. All diese Dinge waren in meiner Ausbildung enthalten, doch in meiner Tätigkeit als Spionin kaum gefordert worden. Ich wollte es nicht sagen, aber statt Muskeln am Bauch hatte ich eher ein paar Fettpölsterchen angelegt und statt Schwertkampf zu üben, nutzte ich in letzter Zeit Dolche, da mir dies deutlich hilfreicher erschien.
"Scheiße, wir fangen also fast von ganz vorne an." warf er nun ein, ohne auf meine Antwort zu warten. "Um die 3D-Manöver wirkungsvoll einzusetzen, musst du vor allem je nach Situation deinen Schwerpunkt des Köpers verlagern können. Hiermit kannst du steuern, ob du Geschwindigkeit durch den Einsatz des Gases benötigst." Levi kam auf mich zu, nahm die Halterungen meines 3D-Mavöers in die Hand und legte sie in meine. Ich war verblüfft, wie nah er mir kam, und starrte ihn an. Sein Blick war immer noch kühl und trotzdem wirkte er entspannter und auch mir gegenüber offener als bisher. Er zeigte mir die zu ziehenden Bügel, um das Gas einzusetzen, den Mechanismus, um die Haken zu schießen, sowie das Einklicken der Schwerter. Ich hörte halb zu, sah ihm jedoch immer wieder in die Augen und musterte sein Gesicht. Ob er wohl vergeben war, fragte ich mich und zuckte gleichzeitig zusammen. Hatte ich das eben wirklich gedacht? Im Ernst? Ich glühte plötzlich und Levi blickte mich nun verwundert an.
"Was ist?"
"Nichts." stotterte ich leise.
Er wandte seinen Blick wieder ab und sagte nur: "Ein zweites scheiß Mal erkläre ich dir das nicht."
"Verstanden." gab ich nur von mir und flüchtete auf den Trainingsplatz. Die Situation war unangenehm genug geworden. Petra war bereits am durch die Lüfte schweben und machte dabei einige Rollen.
„So schwer sieht das Ganze doch gar nicht aus.“ dachte ich und schoss dabei den den ersten Haken an einen der Bäume, um abzuheben. Das Gefühl war unglaublich. Ich war weiterhin beweglich, obwohl ich keinen Boden mehr unter den Füßen hatte, was an den vielen Umgurtungen liegen musste, welche mich stabil im 3D-Maöver-Gerät hielten. Mit einem zweiten Haken zog ich mich in eine andere Richtung, um nicht in den Baum zu fliegen. Auch dies klappte grade noch so, wobei ich bereits ins Wanken gerat. Wie konnte das bei denen so leicht aussehen? Ich biss die Zähne zusammen – was die konnten, musste ich doch auch ohne Probleme hinkriegen. Selbstsicher nahm ich an Geschwindigkeit zu und breitete meine Arme aus. So fühlte es sich also an zu fliegen. Ich sah mich in der Luft um. Den nächsten Haken musste ich an eine Mauer befestigen. Ich schoss ihn, doch er prahlte ab.
"Mist, wie hol ich das Ding zurück? Noch wichtiger: Wie breeeemse iiiiiiiich?" Meine Frage endete in einem Schrei, den ich ausrief, als ich in einen Baum flog. Der Aufprall war laut und schmerzhaft. Ich schlug mit meinem Kopf an einen Ast und fiel daraufhin auf meinen Hintern. Zusammenkauernd verharrte ich unter der Eiche und versuchte den Schmerz auszuhalten.
"Wow, das war super für das erste Mal." rief Petra aus, die nun neben mir landete.
"Aber es tut verdammt weh." widersprach ich.
"Das kenne ich zu gut. Aber wer so gut wie du startet, wird sicher nicht so oft fallen wie ich." Sie lachte und half mir auf. Ich sah mich um. Der Gefreite war bereits verschwunden. Wahrscheinlich hatte er dringendere Dinge zu erledigen.
Petra und ich übten in den nächsten zehn Tagen täglich bis in die Nacht hinein. Sie schien für mein Training zuständig zu sein, während die restlichen Mitglieder des Trupps unterwegs waren. Ich fühlte mich zunächst wie eine Last an ihr, doch ihre freundliche Art ließ mich dies unglaublich schnell vergessen. Immer wieder zeigte sie mir den Umgang mit dem 3D-Manövergerät und ich versuchte ihre Bewegungen, so gut wie möglich, nachzuahmen, fiel jedoch dennoch unzählige Male.
"Mach dir nichts draus, du bist schon wirklich sehr gut geworden." tröstete sie mich ständig. Doch in mir breitete sich eine Unzufriedenheit aus, die ich nur schwer verbergen konnte.
Es war einer dieser Abende, in denen wir spät vom Übungsplatz zurückkehrten und den Speiseraum betraten. Levi und ein weiterer Soldat saßen am Tisch. Sie schienen von ihrer Mission zurück zu sein und waren zivil gekleidet. Levi trank eine Tasse Tee.
"Eld Jinn, willkommen im Trupp." sagte der blonde Mann, welcher einen Kinnbart trug. Er stand auf und salutierte.
"-dN- -dNN-, vielen Dank für die Aufnahme." antwortete ich und verbeugte mich.
"Wie war das Training?" fragte Levi nun und hob seine Tasse hoch. Er hielt diese mit mehreren Fingern am oberen Rand fest und sah mich verwundert an, als ich ebenso verwundert seine Art des Teetrinkens beobachtete. Ich wurde rot.
"Alles wunderbar. -dN- hat wirklich Talent. Sie fliegt schon sehr gut, stürzt nur recht häufig. Warum, weiß ich nicht." erklärte Petra.
Levi stellte seine Tasse ab.
"Mmmh, ich habe da eine Vermutung. -dN-, folge mir. Wir werden noch etwas prüfen."
Levi ging mit mir zum Stall und befahl mir, das 3D-Manöver-Gerät anzulegen. Ich tat dies, wie Petra es mir gezeigt hatte und stand nun ausgerüstet vor ihm.
"Nicht jeder benötigt die gleichen Einstellungen." sagte er nun und griff an den Gurt an meinem Bein. Ich zuckte kurz, versuchte aber ansonsten keine Bewegung zu machen. Wurde ich etwa grade nervös?
"Petra trägt ihr 3D-Mavövergerät mit recht unüblichen Engen, was ihr aber mehr Freiraum bei ihren Bewegungen gibt. Mmh, die scheinen in Ordnung." meinte er nun und bewegte seine Hand auf meine Hüfte zu. Ich drehte sie ihm zu und spürte wie mein Herz zu rasen begann. Unsicher presste ich meine Lippen zusammen. Diese Nähe verdrehte mir plötzlich den Kopf. Ohne zu zögern griff er nach dem Gurt und berührte versehentlich meinen Bauch. Seine Augen weiteten sich. Er selbst schien ein wenig unsicher zu werden und hob seinen Blick, um mein errötetes Gesicht zu mustern. Ich atmete tief ein, nahm seinen Duft in mir auf: Sandelholz - süßlich und leicht. Eine Note, die nicht unbedingt zu seinem Charakter zu passen schien - aber was wusste ich schon über ihn? Einschätzen konnte ich ihn kaum, aber musste ich das? Ich ergriff den Moment und kam seinem Gesicht ein wenig näher. Ich wollte ihn küssen - diese schmalen Lippen, die so direkt waren. Er öffnete ein wenig seinen Mund. Die Nervosität durchfuhr mich - mein Herz schlug plötzlich so stark, sodass ich das dumpfe Pochen in meinen Ohren hören konnte. Mein Blick wanderte an ihm entlang, sodass ich durch seinen Kragen in den Pullover hineinsah und den Ansatz seiner Brustmuskeln erkannte. Ein leises Seufzen entglitt mir - erwärmt wie ich war. Doch plötzlich drehte er sich weg.
"Der Hüftgürtel ist nicht fest genug." sagte er und strich sich durchs Haar. Ohne ein weiteres Wort verließ er den Stall mit gesenktem Kopf. Seine Augen waren verdeckt von seinem dunklen Haar, jedoch erkannte ich, wie er seine Zähne zusammenbiss. Er hatte es also auch gespürt - diese Anziehung zwischen uns.
Nachdem ich meine Ausrüstung abgelegt hatte, kehrte ich in das Haus zurück. Keiner saß mehr im Aufenthaltsraum, sodass auch ich in mein Zimmer ging, in welchem Petra bereits schlief. Ich zog mich bis auf die Unterwäsche aus und legte mich in mein Bett. Es war weich und kuschelig. Verträumt starrte ich in die Dunkelheit und wurde mit jedem Moment unsicherer. Hatte er es wirklich auch so empfunden wie ich? Was wenn es ihm nur unangenehm war? Wenn er bemerkt hatte, dass ich mich angezogen fühlte? Ich seufzte.
"Sandelholz" sagte ich leise zu mir selbst und schlief ein.