"When a claim is made on a living soul, it leaves a mark, a brand."
Castiel
"You've changed. You tell people it's not a big deal. You tell people you'll work through it, but you won't. You can't, and that scares the hell out of you."
Billie zu Dean 13x05
Es war anders diesmal, ruhiger, achtsamer. Geborgen im Atemzug einer fremden Lunge. Kein Fluch steuerte ihr Verlangen und so waren es nur sie beide, Dean und Castiel. Sie berührten sich auf intimste Weise, zwei Steine eines Puzzlespiels, die zusammengehörten, und ihre Körper wurden eins. Ineinander verschlungen. Erschütternde Intimität. Alles, was Dean vor dem Fallen bewahrte, war Castiel. Er hielt sich an ihm fest, um sich nicht zu verlieren, in dem was er fühlte. Noch immer tat es weh. Ein Tribut für das, was sie teilten.
Castiel fühlte den Druck von Deans Fingerspitzen, das Sich-Winden seiner Hüften, den glatten Druck des Fleisches, das ihn einzuschließen schien. Den Empfindungen ergeben stieß Castiel in den Leib des Menschen. „Dean…“, stöhnte er seinen Namen, ganz benommen von dem herben Schwall erdigen Duftes, den er dürstend in seinen Körper atme, in seine Lungenflügel aufnahm. Der Blonde warf den Kopf von der einen auf die andere Seite. Castiel hörte sein unartikuliertes Klagen, spürte wie er sich an ihn drückte.
Sie wiegten sich im Takt des Rhythmus den Castiel vorgab, sich nicht gegeneinander, sondern miteinander bewegend. Existenz im Einklang, das Schwingen in derselben Frequenz. Ihre Bewegungen wurden kraftvoller, intensiver, tiefer. Der Schmerz war ein Teil von ihnen, ein Teil von dem, was sie taten, ein Teil von dem, was sie waren.
Während Dean sich noch immer mit der einen Hand an ihm festhielt, suchte die andere nach Castiels und ihre Finger verschränkten sich ineinander. Seine Hand zitterte in der des Engels, er spürte deutlich das heftige Zucken seiner Muskeln und ihre Finger verkrampften sich beinahe schmerzhaft ineinander. Er wusste nicht, wo sein Körper aufhörte und Castiels anfing. Harmonie. Dean konnte sich nicht daran erinnern, vor der Begegnung mit dem Engel je derart empfunden zu haben. Verschmolzene Körper. Verbunden. Eine Kraft, die zwischen ihnen floss, einst ein feiner Silberfaden, der nun zu seinem reißenden Strom anschwoll.
Was passiert hier mit uns? Ich habe Angst. Halte es nicht auf. Es ist okay. Es soll so sein. Ich will es so. Es muss so sein. Dean hatte nie an das Schicksal geglaubt, sich immer geweigert vorbestimmte Wege zu gehen. Aber er war sich sicher, das, was gerade mit ihnen geschah, hätte von Anfang an geschehen sollen. Er konnte nicht sagen, woher er diese Gewissheit nahm, er wusste es einfach. Denn das hier, das war echt.
Selbst wenn der Engel gewollt hätte, er hätte es nicht gekonnt. Es war nicht mehr aufzuhalten. Es hatte begonnen. Seine Gnade würde den Menschen nicht mehr loslassen.
In einer fließenden Bewegung richtete Castiel sie auf, zog Dean in seinen Schoß, stützte seinen Rücken, dirigierte sein Becken. Der Mensch nahm ihn in sich auf, vollständig, mit all seinem Sein. Seine Augenlider flatterten vor dem entrückten Blick. Ergeben ließen sie sich von dem Gefühl überspülen, nahmen in Kauf, dass sie fast die Besinnung verloren. Gefangen in den Empfindungen lehnten sie Stirn an Stirn, geteilter Atem durch offene Münder, bis sie einander verschlossen und ihre drängenden Zungen in die Feuchte des anderen tauchten. Castiel schlang die Arme fester um ihn, presste ihn an sich. Ein Wimmern entfuhr dem Menschen.
Es war nicht nur Castiels unnachgiebiges Glied, das tief in ihm steckte und etwas aufgebrochen hatte, das unerträglich und befreiend zugleich war. Es war nicht nur der Vorgang des Penetriert-Werdens, der ihm deutlich machte, dass er nicht uneinnehmbar war. Es war nicht nur das Gefühl des Eindringens in sein Innerstes, das diese erschütternde Intimität erschuf. Es war nicht nur die schmerzhafte Dehnung und die Intensität der körperlichen Empfindungen, die ihm Tränen in die Augen trieben. Es war die Gnade des Engels.
Ihre Verbindung, sie zerrte, sie riss an ihnen, als würden ihre Lungen, ihre Herzen, Seele und Gnade ihnen entkommen wollen und nun zu dem jeweils anderen gehören. Dean fühlte, wie seine Seele brach, wie sie entzweigerissen wurde, wie eine Leere entstand, die vielleicht schon immer da gewesen war. Er fühlte es. Er fühlte, wie diese Leere im selben Augenblick wieder gefüllt wurde. Geflutet von Licht und Wärme.
Die Zeit schien still zu stehen. Ein Kraftfeld umgab sie als würden sie von innenheraus leuchten. Etwas hatte sich in ihnen geöffnet, durch das der jeweils anderen nun ungehindert Einlass erhielt. Sie reagierten miteinander, Seele und Gnade, Mensch und Engel. Sie gaben sich einander hin. Sie spürten den anderen in sich, seine Präsenz, seine Wärme, sein Licht. Als hätten sie eine Energie entfesselt, die hineinfloss in jeden Winkel ihres Seins, sie durchströmte und tief in ihnen pulsierte. Das waren sie, Dean und Castiel. Nicht allein. Nie wieder.
Sie bemerkten nicht, wie sie zurück in die Kissen sanken, wie der Engel intuitiv das Gesicht des Jägers in seine Hände nahm: „Sieh mich an… Sieh mich an…“ Seinen eindringlichen Worten gelang der Weg durch die Entrückung des Menschen unter ihm. Grüne Augen, die zu ihm hinaufschauten, voller Furcht, und voller Vertrauen. Eine offengelegte Seele, so verletzlich, so schwer verwundet, so wunderschön.
Als sich ihre verklärten Blicke fanden, überrollte sie ihr gemeinsamer Orgasmus wie eine Eruption. Heftiges Zucken ging unkontrolliert durch ihre Glieder, Muskeln verkrampften. Grelles Licht vor ihren Augen. Sie schrien und wanden sich unter den Schüben ihres Höhepunktes, stießen ungestüm ihre Unterleiber gegeneinander, verloren sich im Taumel des anderen. Brennend heiß spürte Dean den Samen des Engels in sich.
Benebelte Sinne an der Grenze zur Ohnmacht. Wild schlagende Herzen aneinandergepresst, ein menschliches, ein himmlisches. Allesumfassende warme Erschöpfung. Castiel zog sich nicht zurück, blieb in ihm, die Beine ineinander gewunden. Nicht imstande sich zu rühren. Zutiefst erschüttert von dem, was geschehen war. Benommen lagen sie da, ineinander verschlungen, verwoben. Wund und offen. Roh und neu. Verändert. Miteinander zu schlafen ließ sie verletzt und zerbrochen zurück. Sie hatten einen Teil von sich selbst in dem anderen zurückgelassen.
Wie lang hatten sie so dagelegen? Unfähig sich voneinander zu lösen, in dem Versuch die Eindrücke zu verarbeiten. So behutsam wie möglich entzog Castiel sich dem menschlichen Körper.
„Fuck, ich werde, ich werde nie wieder laufen können“, stieß Dean hervor. Nicht nur sein Körper, auch seine Seele tat weh. Dean spürte diesen Schmerz und gleichzeitig ein Licht in sich.
Sie küssten und streichelten sich, auch dort, wo sie noch nie gestreichelt worden waren, wie um es wiedergutzumachen. Und obwohl es ihnen gefallen hatte, hatten sie jetzt schon Angst vor dem nächsten Mal. Wie konnte etwas so Sanftes so wehtun? Nicht nur ihre Körper schmerzten. Der Preis ihrer Intimität. Der Schmerz hatte etwas in ihnen aufgerissen, zu dem sie ohne die süße Pein keinen Zugang gehabt hätten.
Dean hatte nie damit gerechnet, dass ihm soetwas passieren würde. So viele kitschige Darstellungen kannte er aus Filmen, und doch konnte keine von ihnen auch nur annähern beschreiben, was er fühlte. Nichts kam dem nahe. Nichts konnte er damit vergleichen. Er bezweifelte, dass es dafür überhaupt Worte gab. Die Welt betrachtete er nicht plötzlich durch eine rosarote Brille und er schwebte auch nicht auf Wolke sieben. Es war grundlegender, tiefer, betraf den Kern seines Seins. Da war etwas, das vorher nicht da gewesen war, etwas Großes, etwas Essentielles, etwas Allumfassendes. Die tiefe Gewissheit, dass er nicht allein war, dass er geliebt wurde. Nie hatte er damit gerechnet, dass ihm soetwas passieren würde.
Es brauchte eine ganze Weile bis Dean genug Kraft hatte ihn loszulassen.
„Ich will nur kurz…“, der Rest ging in einem erstickten Stöhnen unter, während Dean sich aufsetzte. „Bist du noch da, wenn ich wieder zurückkomme?“ Unsicher sah er den Engel an.
Unsicher? Ein Dean Winchester war nicht unsicher, und schon gar nicht in solchen Dingen! Zwar war er noch nie der Typ gewesen, der mit seinen Eroberungen geprahlt oder sich nach dem vollzogenen Akt einfach aus dem Staub gemacht hatte. Aber er hatte stets Verständnis für seine jeweilige Bekanntschaft gehabt, wenn sie es getan hatte, wenn sie kommentarlos und ohne einen Abschied gegangen war. Vielleicht war es sogar besser so gewesen. Schließlich sollte man, wenn einem das eigene Leben lieb war, nicht länger als unbedingt nötig in dem seinen verweilen, dem eines Jägers.
Doch das hier, das war Cas. Und bei Cas war alles anders. Alles hatte sich verändert.
Dem Jäger wurde bewusst, dass das hier das erste Mal gewesen war. Zum ersten Mal hatten sie aus freien Stücken miteinandergeschlafen, ohne das verzehrende Verlangen des Fluches, ohne sein Leben retten zu müssen, ohne einen Vorwand zu haben. Es war ihr erstes Mal gewesen.
„Natürlich, ich werde immer da sein“, antwortete Castiel ihm. Sie wussten beide, das war kein Versprechen, es konnte keines sein, aber es war auch keine Floskel, nicht einmal annähernd. Es war eine Feststellung, die sich auf mehr berief als bloß auf die körperliche Anwesenheit. Denn sie hatten ein Stück von sich in dem jeweils anderen hinterlassen.
Als Dean ihm den Rücken zuwandte, um sich etwas überzuziehen, sah Castiel, dass seine Finger deutlich sichtbare Spuren auf der Haut des anderen hinterlassen hatten. Bläulich violette Flecken und rote Striemen überzogen seinen Rücken, seine Schultern, seinen Nacken, seine Arme. Hier und da eine Brandwunde, übertroffen nur von dem leuchtend rot geschwollenen Handabdruck. Er hätte sich beherrschen müssen, Menschen waren so fragil.
„Lass mich dich heilen, Dean.“ Vorsichtig streckte der Engel seine Hand aus und berührte die einsetzenden Hämatome und Kratzer. Doch der Mensch drehte sich wieder zu ihm.
„Nein…“, Dean nahm die ausgestreckte Hand in seine eigenen und der Anflug eines Lächelns zierte seine Lippen, „Nein. Ich will dich auf meiner Haut tragen.“
Irgendwann früh am Morgen, die Wintersonne war noch lang nicht aufgegangen. Sam hatte unruhig geschlafen, bis er es schließlich aufgegeben hatte. Die Küche lag noch dunkel und verlassen da. Er genoss sie, die Stille des heranbrechenden Tages.
Unschlüssig öffnete er den Kühlschrank. Ein Streifen Licht fiel in das sonst dämmrige Zimmer und ein Schwall kühler Luft ergoss sich auf seine Haut. Er fröstelte ob des klaren Gegensatzes zur Temperatur im Bunker. Er hatte die Räumlichkeiten wohl ein wenig überheizt. Gestern am Spätnachmittag war der erste Schnee gefallen.
Unverrichteter Dinge schloss er die Kühlschranktür wieder. Im Grunde hatte er nur nachsehen wollen, ob noch Magerquark und Cranberrys da waren, damit er sich sicher sein konnte etwas zum Frühstück zu haben, wenn er nachher vom Joggen zurückkehrte. Früher hatte ihm Dean immer Pancakes gemacht. Nein nicht immer, korrigierte er sich selbst. Nur dann, wenn genug Geld da gewesen war, die Lebensmittel zu kaufen, und sie sich ein Motelzimmer mit Küchenzeile hatten leisten können. Damals war er noch zu jung gewesen um zu verstehen, dass das was sie gehabt hatten, keine Kindheit gewesen war.
In den glänzenden Türen der Einbauküche spiegelte sich schemenhaft die Silhouette eines Mannes. Ohne sich umzuschauen wusste Sam, wer es war, und Erleichterung erfasste ihn. Obwohl er nicht damit gerechnet hatte, dass etwas schief gehen würde, war er erleichtert seinen Bruder zu sehen. Eine unerwartete Begegnung so früh am Morgen. Er stutzte. Etwas war anders an Dean. Nur in Boxershorts und T-Shirt bekleidet, die Haare zerzaust, verkrampfter Gang und dieses Leuchten in den Augen. Es war nicht zu übersehen: „Du und Cas, ihr habt euch gerade geliebt?“
Dean verdrehte die Augen. Was für eine indiskrete und dumme Frage. Wenn dem nicht so wäre, würde er wohl kaum noch unter den Lebenden weilen. Eigentlich wollte er seinem Bruder an den Kopf werfen, dass ihn seine sexuelle Aktivität nicht im Geringsten etwas anginge. Aber da ja neuerdings sein Leben davon abhing, entschied er sich dagegen und erwiderte stattdessen: „Ja, wir haben miteinander geschlafen.“
„Nein, ihr habt euch geliebt“, entgegnete der Jüngere mit einem wissenden Lächeln.
Verlegen blickte Dean zu Boden. Verdammt, man sah es ihm an.
"The things we've shared together, they have changed me.
You're my family. I love you."
Castiel zu Dean 12x12