Zuflucht
oder
Der Anfang ist das Ende ist der Anfang
"I'm worried. Dean's been acting strange, and he just packed up and left,
and then he hugged me. We only hug if it's the end of the world."
Sam zu Mary 14x11
Plötzlich war alles wieder da.
Sein Zukunfts-Ich, der ihm mitteilte, Cas sei getötet worden.
Lucifer, der Sam als Hülle missbrauchte und Cas mit einem Fingerschnipsen vaporisierte.
Castiel, der die Seelen des Fegefeuers wieder losließ und danach bewusstlos zusammenbrach. Castiel, der ins Wasser ging, sein Trenchcoat angespült am Ufer.
Das Jahr seiner verzweifelten Suche nach Cas im Fegefeuer und wie er dessen Hand im Portal verlor, Finger die aus den seinen glitten, er konnte sie nicht halten.
Der Engel, der keiner mehr war, Castiel so menschlich, übersät von Schnitt- und Stichwunden, der in seinen Armen starb, sein lebloses Gesicht in seinen Händen, er öffnete die Augen nicht mehr.
Das Engelsschwert kalt in seinen Fingern auf Cas gerichtet, während der schwer verletzt am Boden lag, verletzt von ihm, das Kainsmal pochend auf seinem Arm.
Castiel, der sich unter Rowenas Fluch krümmte und schlussendlich zu Boden fiel.
Lucifer, der Castiel als Hülle missbrauchte, jeder Versuch ihn vom Teufel zu befreien schlug fehl.
Castiel, der in dieser Scheune lag, eine klaffende Wunde in seiner Seite, und ihm sagte, dass er sterben würde, vor Schmerzen schrie, schwarzer Schaum aus seinem Mund.
Sam, der ihn durch den Spalt in ihre Welt zurückzerrte, während Cas in der apokalyptischen blieb, um Lucifer daran zu hindern eben diese zu verlassen. Castiel, der wider aller Befürchtungen doch zurückkehrte, durch den Spalt in ihre Welt, Lucifer hinter ihm, ein Stich in den Rücken ohne Vorwarnung, helles Licht, rußige Abdrücke von Flügeln neben Castiels Leichnam.
Alles war wieder da. Die Angst, die Panik, die Verzweiflung, die Hilflosigkeit, die Schuld, die Trauer, der Schmerz. Nicht wie eine schlimme Erinnerung, sondern so als würde es jetzt in diesem Moment geschehen. Gefangen in einer nicht enden wollenden Schleife aus Bildern, Tönen, Worten, Gerüchen und Empfindungen, entsagte sein Geist der Realität.
Sam fand ihn nach ihrem Streit auf dem Boden kauernd, schreiend vor Angst und Schmerz, am ganzen Körper zitternd, nicht mehr ansprechbar. Er kniete sich zu ihm und umfasste sein Gesicht mit beiden Händen. „Hey, Dean, hey, sieh mich an. Hey! Sieh mich an! Gut. Und jetzt atme mit mir, ein… und aus, ein… und aus. Das hier ist real. Dein Name ist Dean Winchester. Ich bin dein Bruder. Heute ist der 28. August. Es ist fünf Uhr dreißig am Morgen. Wir sind gerade zurück in den Bunker gegangen. Castiel liegt in deinem Zimmer. In Sicherheit. Lebendig.“ Noch.
Die Angaben beinahe routiniert, wusste Sam, was zu tun war. Er tat das nicht zum ersten Mal. Deans Flachbacks hatten nach der Hölle begonnen, waren wiedergekehrt, als er ohne Castiel dem Fegefeuer entkommen war, und waren scherwiegender geworden, nachdem er dem Engel unter dem Einfluss des Kainsmals wehgetan hatte. Sie hatten geglaubt alle Trigger erkannt zu haben. Während der Jagd hatte Dean funktioniert, aber sobald sie in Sicherheit gewesen waren, war der Horror in seinem Kopf zurückgekehrt. John Winchester hatte seinen Söhnen beigebracht die Dunkelheit zu fürchten. Er hatten vergessen zu erwähnen, was im Licht passierte.
Am späten Nachmittag dieses Tages war Deans Zimmer leer.
Dean: "Do we have any chance of surviving this?"
Castiel: "You do."
5x03
Bald würde sie untergehen. Die Sonne stand tief am Horizont und verzauberte Wasser, Himmel und Land. Orangerotes Licht erhellte die Welt, umso schöner, da seine Zeit begrenzt war, sein Erlöschen eine Ahnung von Vergänglichkeit erlaubte. Früher hatte Dean es nicht verstanden und nie damit gerechnet, es je zu verstehen. Stets hatte er es vorgezogen zu trinken. Und wenn er seine Augen hatte schweifen lassen, dann mit dem Blick des Jägers. Ob er einen Dämon anvisiert hatte oder eine Frau, hatte dabei keine Rolle gespielt. Auf das Ergebnis war es ihm angekommen. Und im Betrachten eines Sonnenuntergangs fand sich kein Ergebnis. Kein Ziel ergab sich. Ein Beobachter konnte nur hilflos dabei zusehen, wie das Licht starb und die Nacht siegte.
Dean hatte Castiel zum See gebracht, zu ihrem See. Eine seltsame Ruhe erfasste ihn, jedes Mal wenn er herkam. So dicht wie möglich parkte er am Ufer, half Castiel auszusteigen und sich auf den Steg zum Wasser zu setzen. Die Planken knarrten unter ihnen und der See wiegte sich in dem beständigen Rhythmus der Wellen. Eine leichte Brise ließ das Schilf am Ufer leise rauschen. Die Luft war angenehm an diesem lauen Abend Ende August und roch noch nach dem Sommer, der ihnen geschenkt worden war. Ein gemeinsamer Sommer, sie sollten dankbar sein. War es vermessen sich zu wünschen, ihnen wäre mehr Zeit geblieben?
Dankbar sah der Engel ihn an, lehnte sich erschöpft an seine Schulter und schloss für einen Moment die Augen, lauschte den Geräuschen, die sie umgaben. „Es ist schön hier.“ Castiels schwache Stimme übertönte kaum das Rauschen der Bäume im Wind. Ein schöner Ort zum Sterben.
„Ja“, antwortete Dean mit einem Lächeln. Sie hatten hier viel erlebt. Der Jäger hatte oft von diesem Steg an genau diesem See geträumt und manchmal war der Engel in diesen Träumen zu Besuch gewesen. Es war Deans persönlicher Zufluchtsort gewesen. Dann hatte er es zu ihrem gemeinsamen Ort gemacht, denn Castiel war nun seine Zuflucht.
Als es etwas wärmer geworden war, waren sie hier schwimmen gegangen, danach hatten sie hier Sex gehabt. Diese Böschung dort waren sie lachend hinuntergerannt. Genau dort an diesen Baum hatten sie ihre Shorts zum Trocknen aufgehängt. Und dort drüben bei den Sträuchern hatten sie in der Nachmittagssonne gelegen, bevor sie noch einmal ins kühle Nass gesprungen waren und sich danach vereinigt hatten.
Anfangs hatte Dean nicht gewollt, dass der Engel so weit ins Wasser hinaus ging, zu sehr hatte es ihn an seinen Verlust durch die Leviathane erinnert, Castiel der sich den Fluten ergeben hatte, sein angeschwemmter Trenchcoat. „Hab keine Angst, du wirst mich nicht erneut verlieren“, hatte Cas daraufhin gesagt.
Eine Weile sahen sie wortlos auf das Wasser und verloren sich in der Vorstellung, dass sie niemals gehen mussten, dass das hier nie enden würde. Ein Moment, eingefroren inmitten der Zeit. In weiter Ferne besang ein Vogel die letzten Stunden des Tages. Die Bäume auf der anderen Seite verloren sich im leichten Nebel, so wie sie einander verloren.
Dean keuchte, hatte vergessen zu atmen, alles vergessen, starrte noch immer auf die Wasseroberfläche, die nun ruhig vor ihm lag, Bewegung lediglich in der Flüssigkeit, die sie beide umgab. Dunkel wirkte sie nun. Den Grund konnte er nicht mehr erkennen. Vielleicht gab es keinen Grund, keinen Grund für all das. Und als er wieder aufsah, glänzte der See in einem purpurfarbenen Ton, während die Sonne mit einem letzten vergeblichen Versuch, Licht und Wärme zu spenden, verschwand.
Die Reflektionen des Wassers malten flirrende Lichtsplitter in die grünen Iriden und ließ die Textur seiner Haut um die Augen, die früher sicher einmal Lachfältchen gewesen waren, deutlicher hervortreten. Nicht zum ersten Mal bemerkte der Engel wie schön Dean war, nicht bloß von außen. Vielleicht hatte er Glück und Dean würde das Letzte sein, das er sah. Es war seine letzte Gelegenheit. Seine letzte Gelegenheit die Sommersprossen, die das sonst ebenmäßige Gesicht bedeckten wie Sterne den Nachthimmel, zu zählen. Er scheiterte.
Seine Sicht verschwamm. Das war der Moment in dem Castiel zur Gänze begriff, dass er den nächsten Morgen nicht mehr erleben würde. Es ging zuende. Dean war da. Das war gut. Er mochte die Anwesenheit dieses Menschen. Besonders jetzt. So würde er die Möglichkeit haben, sich von ihm zu verabschieden. Das Sprechen fiel ihm schwer. Jeder Atemzug kostete ihn mehr und mehr Anstrengung. Dean sollte ihn nicht so sehen. Er sollte ihm nicht beim Sterben zusehen. Nie hatte der Engel geglaubt, dass es so enden würde. Er hatte Angst, furchtbare Angst. Den Schmerz in Deans Augen zu sehen tat ihm weh. Er wünschte, er hätte ihn lächeln sehen können, nur noch ein letztes Mal.
Castiel war blass, atmete nur noch flach und unregelmäßig, er lag im Sterben, er lag in seinen Armen. Mit klammen Fingern strich der Jäger durch sein Haar, über seine Wange. Einmal mehr war Dean sich bewusst, dass es richtig war. Seine Hand war ruhig, zitterte nicht mehr, als er die Engelsklinge neben sich legte, die er die ganze Zeit bei sich getragen hatte. Er wollte sicher gehen, eine irdische Waffe würde aufgrund ihrer Verbindung vielleicht nicht funktionieren. Castiels verwirrter Blick traf den seinen.
„Cas…“, seine Stimme klang rau, „Hannah hat es mir gesagt.“
"I believe in us. And I'll keep believing until I can't. Until there's absolutely no other way. But when that day comes, you have to take it for what it is, the end. And you have to promise me that you'll do then what you can't do now, and that's let me go."
Dean 14x12
„Dean, wo steckst du?“ Er konnte ihn nicht finden. Weder Castiel noch sein Bruder waren in dessen Zimmer gewesen, auch nicht im Zimmer des Engels oder in der Bibliothek, wo Dean sich sonst immer aufhielt, wenn er nicht bei Cas war, auch nicht im Archiv oder in der Küche. Langsam wurde Sam mulmig zumute.
Und da sah er ihn, den Zettel. Er entdeckte ihn auf dem kleinen Tisch im Aufenthaltsraum, an dem er immer zu Abend aß. Unschuldig lag er da, einmal gefaltet, sein Name stand darauf. Sam setzte sich, ignorierte sein heftig schlagendes Herz und seinen rebellierenden Magen, und faltete das Papier auseinander.
Deans Schrift war zittrig, gewann mit jeder Zeile jedoch an Sauberkeit. Sein Bruder musste aufgewühlt gewesen sein, Angst vielleicht, Sorge, Trauer. Deutlich war zu sehen, wie sehr es Dean gelungen war sich zu beherrschen, während er geschrieben hatte. Er hatte sich Zeit gelassen.
Sam wollte das nicht lesen, wollte nicht wissen, was auf dem vergilbten Papier stand, das er in nunmehr bebenden Händen hielt. Und als er es doch tat, wurde ihm schlecht.
Sammy,
wenn du das hier liest, werde ich nicht mehr bei dir sein können. Es tut mir leid. Ich hoffe du wirst eines Tages verstehen, wieso ich gehen musste. Falls alles so verlaufen ist wie geplant, bin ich jetzt zuhause, an dem Ort, an den ich gehöre. Ich habe Frieden gefunden.
Weißt du noch, wie du mich einst gebeten hast nach deinem Tod ein bürgerliches Leben zu führen? Ich will, dass du glücklich bist. Tue all das, was du immer wolltest, aber nie konntest, weil ich an diesem Tag in deiner Studentenwohnung aufgetaucht bin und du dich von Jess verabschiedet hast. Es soll keine weiteren Abschiede in deinem Leben geben. Lass dies der letzte sein.
Leb wohl, kleiner Bruder.
Dean
"I want you to know that what I'm doing isn't about giving up. This is about time. We've run out of it. Left the Impala in Cicero. Where I'm going, we don't need roads. Sam, you told me once that you pray every day, not sure if that's still true, probably isn't, but if it is, give it one last try for me. And Sammy, one Winchester lost to this fight is enough."
Deans Brief 5x18
„Dean, nein.“ Der Engel mobilisierte seine letzte Kraft, richtete sich mühsam auf, stützte sich ächzend auf seine Arme.
Verschwommen erinnerte sich Dean an Castiels Worte: Stirbt der Engel, tötet sich sein Gefährte wenig später selbst. Es tat ihm leid, so schrecklich leid, dass Cas mitansehen musste, was er jetzt tun würde. Er hatte in das angrenzende Waldstück gehen wollen, aber er konnte nicht. Er würde es nicht schaffen, jetzt aufzustehen und einfach wegzugehen, sich zu entfernen, sich im Unterholz vor den Augen des Engels zu verstecken.
„Ich gehe doch sowieso drauf, wenn du stirbst“, vielleicht eine deplatzierte Rechtfertigung und doch die Wahrheit. Dich zu lieben tut weh, aber dich zu verlieren würde mich umbringen.
„Nein, du bist stark, du wirst das überstehen, so wie Sam damals.“ Castiels Blick flackerte zwischen dem Engelsschwert und dem Gesicht des Menschen hin und her. „Lass los, lass mich gehen, vergiss unsere Verbindung, und du wirst leben“, wollte er sagen, doch brachte vor Erschöpfung und Entsetzen kein weiters Wort heraus.
Weiche Knie, beschleunigter Puls. Adrenalin pumpte durch Deans Adern, rauschte in seinen Ohren, fokussierte seine Sinne. Sein Körper signalisierte ihm Gefahr, anders als auf der Jagd, vorhersehbarer. Denn diesmal war er es selbst.
„Ja, Sammy ist stark, er wird das schaffen, auch ohne mich.“ Die Klinge fühlte sich kühl in seiner Hand an, vertraut und doch fremd. Auch deine Zeit wird irgendwann kommen, Dean Winchester. Dorothys Prophezeiung. – Ich weiß, und ich werde bereit sein. – Du schon, aber wird auch er es sein?
„Nein, nein, nein! Dean, bitte tu das nicht! Diese Welt braucht dich.“ Ein keuchender Husten brach trocken aus Castiels Kehle und schüttelte seine schwache Hülle. Angestrengt hielt er die Augen offen.
„Nicht wenn du sie verändern kannst.“ Instinktiv streckte Dean seine Hand nach dem Engel aus. Lass mich nicht allein. Er wusste, was zu tun war.
„Dean, nicht…“ Als sie sich fanden, verschränkten sich ihre Finger.
Ich habe Angst, Cas. Mach es mir nicht noch schwerer. Wehmütig löste Dean ihre Hände, streichelte seine Wange, küsste ihn zum letzten Mal. Als er seine Lippen auf Castiels presste, konnte dieser das Salz seiner Tränen schmecken. „Ich liebe dich, Castiel. Das darfst du nie vergessen, versprich mir das.“
Und was wenn der Mensch zuerst stirbt? – Dann kann der Engel dessen Seele beanspruchen. Fest sah er ihm in die Augen, das tiefe Blau bereits getrübt. „Ich sage Ja zu dir.“ Schmerz, da wo die Waffe in seine Haut stach, bei jeder Atembewegung. Die Spitze gegen sein Shirt gepresst, färbte es sich langsam rot. „Nimm meine Seele, sie gehört dir.“
Der Tod war freundlich und loslassen war leicht, wenn man etwas hatte, wofür es sich zu sterben lohnte. Die Klinge in seinem Herzen, Dean spürte sie kaum. Das Engelsschwert hatte seine Haut und sein Fleisch durchdrungen an den Rippenbögen vorbei, bevor sie das schlagende Organ in seiner Brust erreicht hatte. Zu sterben tat nicht weh, es war friedlich. Da war kein Schmerz mehr, nur ein Lächeln auf seinen Lippen, als er Castiel zum letzten Mal ansah, und gleißendes Licht, das sie umgab.
"So this is it? E.T. goes home."
Dean zu Castiel 8x23
"So, then, this is goodbye?"
Castiel zu Dean 14x12
Sam fand ihn völlig entkräftet im Bunker.
„Whoa, alles okay bei dir? Wie bist du hier reingekommen?“ Wie hatte der Engel die Schutzzauber überwunden? Der Bunker war gegen alles Übernatürliche gesichert, auch und vor allem gegen Soldaten des Himmels. Bei dem Geräusch von Flügeln war der hochgewachsene Jäger erschrocken zusammengefahren und aufgesprungen, hatte aber rasch seine Waffe wieder sinken lassen, als er erkannt hatte, wer der Eindringling war. Castiel.
„Welcher Monat ist heute?“, fragte dieser schwankend.
Sam musterte den Dunkelhaarigen kritisch, bevor er antwortete. Der Engel wirkte zwar gesund aber so erschöpft, als wäre er gerade einen Marathon gelaufen, als hätte er sich gänzlich verausgabt, überanstrengt und sein Mojo etwas zu sehr beansprucht.
„Oktober, wieso?“ Keine Reaktion. „Cas, was ist los? Dean und ich wollten gerade eigentlich zu einem Fall aufbrechen, aber wenn etwas passiert ist...“
Dean. „Ein Fall?“, Castiels Stimme klang seltsam zittrig.
„Gehäufte unerklärliche Todesfälle in den Klöstern und Kirchen in und um Salem“, klärte der Jäger ihn auf, „Alle Opfer waren Geistliche und sie starben immer am Morgen nach einer Neumondnacht.“
Ein Lächeln huschte über das Gesicht des Engels, ernst und so schnell wieder verblasst, dass es niemand bemerken konnte. „Ich werde euch begleiten.“
"The grand story, and we ripped up the ending, and the rules, and destiny,
leaving nothing but freedom and choice."
Castiel 6x20