N.CIS Washington D.C.
„Hey, was soll der Quatsch?“, empörte sich Tony lautstark über die unerwartet rüde Behandlung durch seine neue Kollegin. „Wenn du unbedingt ein Date mit mir willst, dann muss das doch nicht ausgerechnet in der Kabine des Firmen-Lifts sein!“
„Ein Date wäre wohl das Letzte, was ich von dir will!“, fauchte Kensi und blitzte ihn herausfordernd an. „Vielmehr sollten wir beide hier und jetzt endlich ein für alle Mal die Fronten zwischen uns klären!“
„Ich kläre hier und jetzt gar nichts mit dir.“
„Hast du etwa Angst vor mir?“
„Ha! Das ich nicht lache! Angst vor dir? Sieh dich vor, kleine Kensi! Du könntest dir durch diese Aktion eine Menge Ärger einhandeln!“
„Uh, mir schlottern schon die Knie, DiNozzo! Ich bin keine Anfängerin!“
„Dann hör auf, dich wie eine zu benehmen!“
„Hör du auf, dich wie ein Idiot zu benehmen!“
Tony starrte sie fassungslos an, überlegte einen Augenblick und schüttelte dann entschieden den Kopf.
„Dir ist schon klar, dass ich der ranghöchste Agent im Team bin? Du solltest also aufpassen, was du sagst. Und soweit ich weiß, kannst du dir eine Zeitverschwendung wie diese hier kaum leisten, denn auf deinem Schreibtisch wartet eine Menge Arbeit auf dich! Höchste Zeit damit anzufangen.“ Sichtlich frustriert trat er vor und drückte auf den grünen Knopf.
Der Aufzug ruckte an.
Geistesgegenwärtig sprang Kensi vor und stoppte ihn erneut.
„Ich bin noch nicht fertig, DiNozzo!“
„Hör sofort mit diesem Blödsinn auf, Blye! Das Ding hier ist kein Spielzeug! Willst du uns umbringen?“, protestierte Tony und langte nun seinerseits wieder nach dem roten Knopf, doch Kensi schlug blitzschnell seine Hand weg.
„Angst, dass wir abstürzen?“, höhnte sie und postierte sich provozierend vor der Schalttafel. „Der tiefe Fall des Agent DiNozzo! Dazu brauchst du keinen Aufzug, Tony, mach einfach so weiter wie bisher, und du schaffst den Absturz auch ohne Hilfe!“
Schäumend vor Wut trat er einen Schritt auf sie zu und fixierte sie wütend aus seinen tiefblauen Augen. Furchtlos starrte sie aus ihren rehbraunen Augen zurück.
„Was willst du von mir?“, knurrte er drohend, jede einzelne Silbe betonend.
„Von dir persönlich will ich gar nichts“, erwiderte sie ebenso frustriert. „Aber ich arbeite jetzt hier, und ich erwarte, dass du das endlich akzeptierst!“
Es vergingen ein paar Sekunden, in denen keiner von beiden den feindseligen Blickkontakt unterbrach.
„Ich werde darüber nachdenken, Agent Blye“, lenkte Tony schließlich sichtlich widerwillig ein und trat einen Schritt zurück. „Sobald sich dieses Ding hier wieder in Bewegung setzt.“
Kensi trat beiseite und wies auf die Schalttafel.
„Bitte!“
„Danke!“ Tony streckte die Hand aus und hieb wütend auf den Knopf. Der Lift ruckte an, setzte sich kurz in Bewegung, gab dann ein undefinierbares Stöhnen von sich und blieb wieder stehen. Die Beleuchtung flackerte zweimal drohend auf, bevor sie ganz verlosch. Sofort schaltete sich die Notbeleuchtung in Form zweier an der Kabinendecke befindlicher, winziger roter Lämpchen ein.
DiNozzo und Kensi sahen einander an wie Kinder, die man auf frischer Tat bei etwas Verbotenem ertappt hatte.
„Na ganz toll!“, meckerte Tony schließlich, drückte noch ein paar Mal vergeblich auf den Knopf und zerrte dann hektisch am obersten Knopf seines Hemdes. „Super, Blye, wirklich super!“
„Wieso ich?“, schoss sie zurück. „Du warst es doch, der wie ein Wahnsinniger auf den Knopf gehauen hat!“
„Weil du mich dazu getrieben hast!“, fauchte er lautstark, mit seiner Geduld am Ende.
„DiNozzo, Blye? Alles in Ordnung?“, klang die Stimme von Gibbs gut hörbar durch den Aufzugschacht aus der Etage über ihnen.
„Alles bestens, Boss!“, unkte Tony. „Wir sitzen fest!“
„Das sehen wir“, erwiderte Gibbs, und es schien, als müsse er sich mit aller Mühe das Lachen verkneifen. „Der Techniker wird gerade informiert. Versucht die Ruhe zu bewahren, bis er da ist und sich um die Sache kümmert.“
„Die Ruhe bewahren? Ich bin die Ruhe selbst!“, brüllte Tony hinauf, worauf Kensi in lautes Gelächter ausbrach.
„Kein Grund zur Sorge, Gibbs!“, rief sie schließlich, als sie sich wieder einigermaßen beruhigt hatte. „Ich glaube, DiNozzo muss nur mal dringend aufs Klo, deshalb regt er sich so auf!“ An Tony gewandt fügte sie grinsend hinzu: „Hör lieber auf zu winseln, sonst lacht noch die ganze Abteilung über uns.“
Be`er Scheva, Süd-Israel
Noch bevor die Maschinengewehr-Salve verklungen war, hielten Deeks, Callen und Sam ihre Waffen in den Händen und liefen in geduckter Haltung im Schatten der Büsche den Weg zurück, den sie eben gekommen waren. Im Schutz der Giebelwand verharrten sie einen Augenblick, als sie mehrere Zurufe in arabischer Sprache hörten. Gleich darauf vernahmen sie eine Stimme, die in gebrochenem Englisch rief: „Kommt heraus, Amerikaner! Ihr könnt gehen, wir werden euch nichts antun! Wir wollen nur die Verräterin!“
Callen arbeitete sich Schritt für Schritt bis zur Hausecke vor und lugte vorsichtig um die Ecke. Dicht an die Hauswand gepresst hob er schließlich einmal vier und kurz darauf noch einmal fünf Finger, was bedeutete, dass er mindestens vier bis fünf Leute vor dem Haus vermutete. Die drei NCIS-Agenten zogen sich ein paar Schritte zurück, um sich rasch über ihre weitere Vorgehensweise zu verständigen, denn dass sie Ziva helfen würden, stand für jeden einzelnen von ihnen außer Frage.
Nach kurzer Absprache verschwand Deeks hinter dem Haus und tat nun genau das, was er vorhin zunächst vermieden hatte, und was auch seinen Kollegen kurz vor ihrem Überraschungsbesuch nicht erspart geblieben war: er arbeitete sich durch das dichte, störrische Dornengestrüpp zur Hintertür vor. Dort angekommen verharrte er zunächst und lauschte gespannt, was passieren würde.
Sam war mit Callens Hilfe schnell und nahezu lautlos seitlich auf den Dachvorsprung geklettert und schlich von dort aus ans andere Ende des Daches, wo sich ihm eine gute Schussposition bot. Callen selbst postierte sich erneut an der Hausecke und prüfte noch einmal kurz die Lage. Zwei der bewaffneten Männer bewegten sich soeben die Stufen hinauf auf den Eingang zu, um die Haustür gewaltsam zu öffnen, während die anderen beiden nach links und rechts auszuschwärmen, um Ziva und ihre vermeintlichen Gäste einzukreisen und ihnen gegebenenfalls den Fluchtweg abzuschneiden.
Callen wartete in seiner Deckung, bis der Kerl, der sich auf ihn zu bewegte, an der Hausecke war, nutzte den Überraschungseffekt, packte den Mann und überwältigte ihn, bevor dieser auch nur einen Laut von sich geben konnte. Er schaltete seinen Gegner mit geübtem Griff aus, schnappte sich dessen Waffe zusätzlich zu seiner eigenen und sprang dann mutig aus seiner Deckung.
„Hey!“, lenkte er die vor der Eingangstür befindlichen Männer ab und feuerte sofort, als diese herumfuhren. Einer der Männer stürzte getroffen zu Boden, während sich der andere geistesgegenwärtig zu Boden fallen ließ und nun seinerseits das Feuer auf Callen eröffnete. Der Maschinengewehrsalve ausweichend hechtete dieser erneut in seine Deckung zurück, wobei die Kugeln haarscharf an ihm vorbeipfiffen.
Auf der anderen Seite des Daches ertönten ebenfalls mehrere Schüsse, und Callen hoffte inständig, dass Sam bei seiner Aktion erfolgreich gewesen war. Erneut fiel ein Schuss, diesmal wieder von der Front des Hauses. Neue Zurufe in Arabisch waren zu hören, aus denen der Agent schloss, dass sich noch ein weiterer Angreifer auf der Veranda befand. Sekunden später vernahm er das Bersten von Holz, dann Schüsse im Inneren des Hauses und Splittern von Glas.
Callen überlegte nicht länger, erklomm mit einem Satz den Sims des seitlichen Fensters, schlug mit dem Griff seiner Waffe das Glas ein und schwang sich mit den Beinen voran schwungvoll in den dahinter befindlichen Raum. Dort ließ er sich zunächst auf den Boden fallen, um Deckung zu nehmen, als erneut Schüsse fielen. Geduckt arbeitete er sich quer durch das dunkle Zimmer und stieß die Tür auf. Sein Blick fiel auf einen der Angreifer, der tödlich getroffen auf dem Boden lag. Bevor er sich Gedanken darüber machen konnte, durch wessen Hand der Mann zu Tode gekommen war, hörte er plötzlich Zivas Stimme:
„G… Vorsicht!“
Der Schlag, den sie daraufhin vor den Kopf bekam, entlockte ihr ein kurzes, schmerzhaftes Aufstöhnen, Bruchteile von Sekunden, bevor Callen die Situation erfasst hatte.
Dem Eindringling war es gelungen, Ziva die Pistole zu entwenden, nachdem sie seinen Kumpan mit mehreren Schüssen niedergestreckt hatte. Mittlerweile hielt er sein Opfer fest im Würgegriff, während er der jungen Frau den Lauf seiner Handfeuerwaffe an die Schläfe drückte. Das bärtige Gesicht zu einer entschlossenen, hässlichen Grimasse verzerrt, ließ er keinen Zweifel daran, dass er bereit war, wenn nötig sofort abzudrücken. Seine schwarzen Augen blitzten siegessicher.
„Die Waffe runter, Amerikaner, sonst erschieße ich sie!“
„Das tust du doch sowieso“, knurrte Callen und sah beunruhigt, dass Ziva aus einer Wunde am Oberarm blutete. Hatte sie während des Schusswechsels eine Kugel abbekommen?
„Töte ihn, G!“, rief Ziva, worauf der Mann seinen Griff brutal verstärkte und sein Opfer noch ein Stück weiter in Richtung Tür zerrte.
Callen blickte Ziva fest in die Augen und schüttelte kaum merklich den Kopf, was bedeutete, dass sie ihren Angreifer nicht unnötig provozieren, sondern sich möglichst still verhalten sollte. In der Hoffnung auf Verstärkung durch seine beiden Begleiter hob er die Arme und legte dann seine Waffe langsam auf den Boden.
„Lass sie los, dann reden wir“, schlug er vor, um noch etwas Zeit zu gewinnen.
Der Mann lachte höhnisch.
„Du glaubst, du bist in der Lage, Forderungen zu stellen? Da irrst du dich, Amerikaner! Du kannst dir ansehen, was Leute wie wir mit Verrätern wie der da machen, bevor ich dir ebenfalls eine Kugel in den Kopf jage!“
„Langsam...“, erwiderte Callen so ruhig wie möglich. „Warum willst du sie töten? Was hat sie getan?“
„Du weißt, was sie getan hat! Sie und ihr Gesindel vom NCIS haben Ilan Bodnar auf dem Gewissen, unseren Anführer, und dafür werdet ihr in der Hölle schmoren!“
So leicht gab Callen nicht klein bei. Unbeeindruckt verzog er das Gesicht und wiegte den Kopf.
„Denk nach, Mann! Was hast du davon, wenn du uns erschießt? Tot nützt euch keiner von uns.“
Eine Sekunde lang schien der Angreifer tatsächlich unschlüssig, als draußen plötzlich wieder eine der Treppenstufen knarrte.
Mit einer Schnelligkeit, die man dem kräftigen Mann gar nicht zugetraut hatte, fuhr er mitsamt Ziva im Arm herum und feuerte ohne Vorwarnung mehrere Schüsse auf Sam ab, der sich unbemerkt bis zur Eingangstür herangeschlichen hatte.
Im selben Augenblick tauchte Deeks mit seiner Waffe im Anschlag aus einem der Hinterzimmer auf und streckte den Eindringling, ohne zu zögern, mit einem gezielten Kopfschuss nieder. Lautlos sackte der Getroffene zusammen und riss seine Geisel mit sich zu Boden.
„Sam!“ Callen hatte seine Waffe bereits wieder ergriffen und eilte hinaus, um nach seinem Partner zu sehen, während sich Deeks um Ziva kümmerte, die sich mühsam aufrappelte.
„Bist du verletzt?“, fragte er besorgt. Sie schüttelte den Kopf und hielt sich den blutenden Arm. „Nur ein Streifschuss, nicht der Rede wert.“
Deeks führte sie zum Sofa.
„Lass mich mal sehen!“
„Schon gut, mir fehlt nichts“, wehrte sie ab und wies auf die völlig zersplitterte Eingangstür. „Schau lieber nach deinen Kollegen!“
„Nicht nötig“, ließ sich Callen vernehmen, der in diesem Moment mit Sam das Haus betrat.
„Er ist okay? Was ist mit dir?“
„Sie hat was abbekommen, aber zum Glück anscheinend nur eine Fleischwunde“, erklärte Deeks und steckte seine Waffe weg. „Wo hast du Verbandszeug, Ziva?“
„Im Badschrank links“, erwiderte sie und hielt ihren schmerzenden Arm.
„Was ist mit dir, Deeks?“, fragte Sam besorgt.
Der hob nur den Daumen als Zeichen, dass ihm nichts fehlte. Mit einem prüfenden Blick auf Ziva verschwand er im Badezimmer, um nach Verbandsmaterial zu suchen.
„Ich könnte einen Drink vertragen“, meinte Sam und begann vorsichtig damit, Zivas Wunde zu untersuchen. Angesichts des schmerzhaften Zuckens ihrer Mundwinkel fügte er grinsend hinzu: „Und du sicher auch.“
Callen war Deeks gefolgt. Nachdenklich lehnte er sich an den Türrahmen zum Badezimmer und beobachtete, wie sein Kollege rasch den Schrank nach dem Verbandsmaterial durchsuchte. Als Deeks ihn bemerkte, hielt er kurz inne.
„He Mann, das war ja fast zu einfach.“
„Aber nur, weil sie nicht wussten, dass wir das Haus bereits verlassen hatten“, erwiderte Callen mit ernster Miene. Deeks nickte nachdenklich.
„Sie müssen uns von Tel Aviv hierher verfolgt haben. Ich wette, die Kerle vom Mossad waren nicht die einzigen, die am Flughafen auf uns gewartet haben. Sie haben uns beschattet und sich dann einfach an unsere Fersen geheftet.“
„Vermutlich“, stimmte Callen zu. „Hätten sie Ziva hier aufgespürt, als sie allein war, wäre sie jetzt vermutlich tot, denn sie hätte sich nie kampflos ergeben. Du hast ihr mit deinem schnellen Einsatz das Leben gerettet.“
„Ich habe einfach reagiert, sozusagen instinktiv“, wehrte Deeks bescheiden ab.
„Stimmt genau“, nickte G Callen. „Du hast nicht gezögert, als es darauf ankam, und das war entscheidend.“ Er atmete tief durch. „Du warst gut, Deeks, genauso wie früher. Ich hätte dich wirklich gern wieder im Team!“
Deeks blickte Callen erstaunt an, und dieser nickte ihm bestätigend zu. „Welcome back, Partner!“
Während Sam wenig später Zivas Wunde versorgte, hatte sich Deeks zu ihr auf das Sofa gesetzt. Plötzlich griff sie nach seiner Hand und drückte sie.
„Danke“, sagte sie leise.
„Wofür?“
„Dafür, dass du zur richtigen Zeit hier aufgetaucht bist. Vermutlich hast du mich gerettet.“
„Gern geschehen“, erwiderte Deeks bescheiden und wurde das seltsame Gefühl nicht los, dass sie mit ihren Worten eben nicht nur den Todesschuss auf ihren Angreifer gemeint hatte.
„Die Party ist vorbei, Leute“, unterbrach Sam seine Grübelei, während er Zivas verletzten Arm vorsichtig in einer provisorischen Schlinge fixierte. „Wer räumt auf?“
„Orli“, erwiderte Ziva zähneknirschend. „Ich werde sie anrufen.“
N.CIS Washington D.C.
Leider konnten Kensi und Tony nicht so schnell aus dem Lift befreit werden, wie sie sich das gewünscht hätten. Der Techniker war außer Haus, und langsam wurde es heiß und stickig in der engen Kabine.
Die beiden unfreiwillig eingeschlossenen Kontrahenten saßen im spärlichen Licht der Notbeleuchtung nebeneinander auf dem Boden und starrten die Tür an, als hofften sie, diese würde sich unter ihren eindringlichen Blicken von allein wieder öffnen.
Nach einer Weile war es Kensi, die endlich das Schweigen brach.
„DiNozzo…“
„Was?“, erwiderte er schroff, doch sie ließ sich nicht beirren.
„Sie fehlt dir, habe ich Recht?“
„Wer?“
„Na wer schon! Meine Vorgängerin.“
Er schnaufte abfällig.
„Ich komme damit klar.“
„Nein, das tust du nicht, und das weißt du auch. Oder willst du mir weismachen, dass dir wirklich noch nicht aufgefallen ist, dass du einigen Kollegen mächtig auf die Nerven gehst, seitdem sie weg ist?“
„Lass gut sein, das geht dich nichts an.“
„Oh doch, das tut es. Immerhin muss auch ich mit dir zusammenarbeiten, schon vergessen?“
Tony atmete hörbar ein und lehnte den Kopf an die kühle Wand des Liftes.
„Tut mir leid, wenn ich dir irgendwie auf die Füße getreten bin, Kens. Nimm es nicht persönlich.“
„Doch, das tue ich. Sag mir die Wahrheit, DiNozzo: Liegt es an mir, weil ich eine Frau bin? Erinnere ich dich vielleicht an sie?“
Tony strich sich mit der Hand über die Stirn und fuhr sich dann mit den Fingerspitzen durchs Haar, eine Geste, die seine innere Verzweiflung widerspiegelte.
„Ja… nein… verdammt, es ist schwer zu erklären.“
„Das kommt auf einen Versuch an. Zumindest kann ich dir momentan kaum weglaufen, schon vergessen?“
Er musterte sie von der Seite und grinste etwas unbeholfen.
„Du könntest dir die Ohren zuhalten.“ Da sie nicht antwortete, nickte er schließlich. „Na gut, was soll`s. Weißt du, als ich mich von Ziva am Flughafen von Hatzerim Airbase in der Nähe ihrer Heimatstadt Be`er Scheva verabschiedet habe, spürte ich, dass sie bleiben musste, um ihr Leben neu zu ordnen und ihre Vergangenheit zu bewältigen. Aber tief in mir drin glaubte ich damals trotzdem nicht, dass es für immer sein würde. Ich habe mir die Hoffnung bewahrt, dass sie nach einiger Zeit von ganz allein merken würde, wo sie wirklich hingehört. Ich war überzeugt davon, dass sie zurückkommen würde, irgendwann. Und solange der Boss ihre Stelle nicht neu besetzt hatte, konnte ich mir diese Hoffnung bewahren. Aber Tag für Tag verging ohne eine Nachricht von ihr, und als schließlich Hetty hier auftauchte, mit dir…“ Wieder drehte er den Kopf und warf der neben ihm auf dem Boden sitzenden Kensi einen bedeutungsvollen Blick zu. „Verstehst du, was ich meine?“
Sie nickte und lächelte bitter.
„Ja, ich verstehe, sehr gut sogar.“ Sichtlich erleichtert darüber, dass er ihr die Wahrheit sagte, atmete sie tief durch. „Weißt du, Tony, auch ich habe meine Hoffnungen, und genauso wie du habe ich Angst, sie könnten jeden Augenblick zerplatzen wie Seifenblasen.“
„Was für Hoffnungen sind das?“
„Darüber darf ich noch nicht reden. Aber eines kann ich auf jeden Fall sagen: für immer hier in D.C. zu bleiben, gehört eindeutig nicht dazu.“
„Vermisst du das schöne Kalifornien?“
„Oh ja, ich vermisse alles, Kalifornien, meine Arbeit dort, unser Team…“
„Gibt es eigentlich jemanden in deinem Leben?“
„Das gehört eindeutig zu den Fragen, die ich mir momentan selbst noch nicht beantworten kann. Aber vielleicht geht es mir auch hier genau wie dir: die Hoffnung stirbt zuletzt.“
„Irre ich mich, oder sitzen wir zwei sozusagen im selben Boot?“
„Gut möglich. Nur würde ich diesen Lift hier nicht gerade als Boot bezeichnen.“
„Was ist eigentlich mit deinem Partner… wie heißt er doch gleich?“
„Deeks. Marty Deeks.“
Er nickte.
„Ja, ich erinnere mich. Schwere Folter im Undercover-Einsatz. Wie geht es ihm inzwischen?“
Kensi dachte an ihr letztes Gespräch mit Hetty und hob die Schultern.
„Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Er ist traumatisiert durch das, was ihm während diesem missglückten Einsatz angetan wurde. Ich weiß, er versucht dagegen anzukämpfen, und Hetty sagte mir, er sei auf dem richtigen Weg.“ Sie nickte, wie zu ihrer eigenen Bestätigung. „Ich hoffe, dass er es schafft, das Erlebte zu überwinden, aber es ist nicht leicht. Für ihn, für das Team, für jeden von uns.“
„Man muss seinen Partner fast so gut kennen, wie sich selbst, um wirklich perfekt mit ihm zusammen zu arbeiten“, meinte Tony, und es war, als spräche er zu sich selbst. „Man muss genau wissen, wie der andere tickt, jeden Schritt vorausahnen, man muss…“
„… sich bedingungslos vertrauen“, vollendete Kensi seinen letzten Satz und nickte. „Ja, genauso sollte eine Partnerschaft sein.“
„War das bei euch so?“
„Ja. Und bei dir und Ziva?“
„Ich glaubte sie über die Jahre hinweg zu kennen, aber sie hat es verstanden, mich immer wieder aufs Neue zu überraschen. Trotzdem haben wir während unserer Einsätze einander immer bedingungslos vertraut.“
„Hallo?“, ertönte McGees Stimme gut hörbar aus dem Aufzugschacht über ihnen. „Der Mechaniker ist jetzt da. Ich denke, in ein paar Minuten seid ihr wieder draußen.“
„Wird auch Zeit, McLangsam!“, gab Tony in altbekannter DiNozzo-Manier zurück und rappelte sich auf. Grinsend streckte er Kensi seine Hand entgegen. „Na komm, versuchen wir, in Würde und auf unseren eigenen Füßen stehend unserem weiteren Schicksal entgegenzusehen.“
„War das ein Filmzitat?“
„Das eben? Nein, das war die neue DiNozzo-Lebenseinstellung.“
Das Licht flackerte plötzlich auf, der Lift ruckte kurz an.
Tony hatte Kensis Hand nicht losgelassen, nachdem er sie auf die Füße gezogen hatte.
„Weißt du was? Vergiss die Aktenordner auf deinem Schreibtisch. Das können die Anfänger machen. Lass uns stattdessen noch einmal ganz neu anfangen.“
„So wie Erwachsene?“
„Ja, wie Erwachsene und wie Team-Kollegen.“