Eigentlich macht es Riordan nichts aus, für Geld mit Männern intim zu werden. Bis zu dem Abend, an dem ihn ein fetter Kunde erwartet. Danach hat er einen Termin mit einem Mann, der sein Herz berührt und es stiehlt.
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Riordan
Es gibt mehr männliche Prostituierte, als die Gesellschaft wahrhaben will. Ich bin einer von ihnen und vermarkte meinen Körper über eine Agentur, die sich ‚Hau(p)tkontakte‘ nennt. Ein Edelladen, der nur ausgesuchte Stricher vermittelt. Ich überzeuge durch mein Aussehen und – natürlich! – durch mein Auftreten. Außerdem habe ich alle Tricks drauf, die ein männliches Modell auf Lager haben sollte, um in dieser Branche zu überleben.
Ich übe diesen Beruf nicht mit Leidenschaft aus, sondern aus der Not heraus. Das Geld benötige ich für mein Studium. Nachdem ich die Regelstudienzeit überschritten habe, unterstützen mich meine Eltern nicht mehr. Ich kann es ihnen nicht verdenken, sie haben kaum selbst genug, um zweimal jährlich Urlaub zu machen.
Das Geschäft läuft gut, nur manchmal – manchmal packt mich der Ekel, und dann wünsche ich mir, ich könnte auf andere Weise das gleiche Geld verdienen. Strippen würde sich noch anbieten, jedoch ist bei mir einfach kein Taktgefühl vorhanden. Tanzen war noch nie mein Ding. Ficken kann ich in jedem Fall besser.
Die Adresse, zu der ich heute geschickt wurde, ist ein typisches Hamburger Stundenhotel auf St. Pauli. Der Portier gibt mir gelangweilt die Zimmernummer von Herrn Müller, der Deckname des Kunden. Ich laufe durch die schäbigen Flure und klopfe kurz, bevor ich die Tür aufdrücke. Schon der Anblick des Kunden verursacht mir Magenschmerzen.
Ein fetter Mittfünfziger in altmodischer Feinripp Unterwäsche erwartet mich. Er sitzt auf der Bettkante und steht nicht auf, als ich in das Zimmer trete und die Tür hinter mir schließe. Sein Gesicht ist verlebt, dicke Tränensäcke hängen unter den fahlblauen Augen. Er mustert mich und verzieht die fleischigen Lippen zu einem lüsternen Grinsen.
„Ich bin Riordan“, informiere ich meinen Kunden. „Wie meine Agentur Ihnen sicher gesagt hat, mache ich keine Abartigkeiten und nur safe.“
„Schon klar, Junge“, brummt der Dicke und stemmt sich hoch.
Sein Bauch hebt sich leicht, die Haut an den Beinen ist schlaff und auch von den Armen hängt sie lose herunter. Ein Schauer läuft durch meinen Körper. Kein Lustschauer, wohlgemerkt. Der Kunde trägt edle Slipper, und auch seine teure Armbanduhr weist ihn als vermögenden Mann aus. Leider kann man Schönheit nicht kaufen.
„Ich will dich ficken“, verkündet Fettwanst, dabei streift er die Feinripphose von den Hüften und steigt heraus. „Zieh dich aus.“
In diesen Fällen hilft nur eins: Augen zu und durch. Ich habe dafür einen Trick: Ich ziehe mich hinter eine unsichtbare Wand zurück, phantasiere von meinem Traummann und blende die Wirklichkeit aus. Das funktioniert mal besser, mal schlechter. Gerade wird es wahrscheinlich sehr schwierig werden.
Ich schlüpfe schnell aus den Kleidern und schmiere mir selbst Gleitgel in die Spalte. Das Risiko, dass mein Kunde das vergisst, ist mir zu groß. Der Kerl sabbert fast bei meinem Anblick, und sein kleiner Schwanz steht hart empor. Hoffentlich geht es schnell!
„Bück dich“, verlangt mein Kunde heiser. „Ich heiße Henry, falls du einen Namen stöhnen willst.“
„Soll ich das denn?“, frage ich, während ich zum Bett tapse.
„Nein, ich will dich vor dem Spiegel nehmen“, fordert Henry, wobei er sich seinen Harten massiert.
Verdammt! Das gefällt mir gar nicht! Ich hasse es, wenn ein Kunde mich dabei beobachtet, füge mich aber und laufe hinüber zu dem Spiegel, der über einer Kommode hängt. Dort beuge ich mich vor und lege die Handflächen auf die hölzerne Oberfläche. Fleischige Finger packen mein Becken, mit einem harschen Ruck versenkt der Kunde seinen Schwanz in meinem Arsch. Es tut weh, obwohl er nicht groß ist, aber der Kerl ist unsensibel und nur auf seine eigene Lust konzentriert. Gut, dafür ist er Kunde, dennoch muss ich die Zähne zusammenbeißen, um nicht schmerzerfüllt aufzustöhnen.
„Stöhn für mich“, verlangt Henry, während er sich wie eine Dampframme in mich treibt.
Ich kneife die Augen zu und stöhne gehorsam, wobei ich an einen kleinen, blonden Kerl denke. Mein Traumtyp, den ich aber bisher noch nicht getroffen habe. In diesem Moment ist er es, der mich fickt. Noch hat der Mann kein Gesicht, doch es reicht mir, an seine Locken zu denken und an seinen schmalen Körper, um das Elend hinter mir ertragen zu können.
„Ja-ha“, keucht Henry.
Seine Hüften zucken, das Rammen hat aufgehört. Ein Glück. Der Kerl hat in mir herumgestochert, als suche er etwas ohne zu wissen, wo sich dieses Teil aufhalten könnte. Endlich entfernt der Kunde seinen Schwanz aus mir. Ich warte einen Moment, bevor ich mich aufrichte und blindlings zu meinen Klamotten laufe. Schnell streife ich sie über, schnappe mir meine Jacke und gehe zur Tür. Das Finanzielle hat meine Agentur im Vorwege geregelt, ein echter Pluspunkt.
„Warst geil, Riordan“, nuschelt der Kunde. „Ich verlange nächstes Mal wieder nach dir.“
Tu das!, denke ich, bevor ich wortlos aus dem Zimmer verschwinde. Ich werde diesen Kunden auf keinen Fall noch mal bedienen und wenn ich stattdessen Teller abwaschen muss.
Ich laufe an dem schmierig grinsenden Portier vorbei, trete auf die Straße und atme tief durch. Normalerweise ist meine Klientel einigermaßen ansehnlich, dieser Kunde stellt wirklich eine Ausnahme dar. Ich ziehe das Handy aus der Hosentasche und wähle die Nummer der Agentur. Anita meldet sich nach dem zweiten Klingeln.
„Nie wieder dieser Kunde“, knurre ich.
Anita seufzt.
„War er so schrecklich?“, fragt sie mitfühlend.
Ich mag sie. Sie macht die Termine und ist gleichzeitig Kummerkasten für mich und die Kollegen.
„Frag nicht“, antworte ich.
„Okay.“ Anita lächelt, ich kann es an ihrer Stimme erkennen. „Hast du noch Zeit für einen weiteren Kunden? Außer dir habe ich niemanden und er hat ausdrücklich nach einem großen Dunkelhaarigen verlangt.“
„Wie klang er?“
„Nett …“ Sie kichert. „… sehr nett und irgendwie schüchtern.“
„Na gut, gib mir die Adresse“, gebe ich nach.
Geld stinkt nicht, außerdem ist es noch früh am Tage, gerade mal neun Uhr abends. Anita nennt mir eine Anschrift in der Elbchaussee. Kurz spreche ich mit ihr über den Preis, dann winke ich ein Taxi heran. Der Kunde wird den Fahrpreis bezahlen, sonst hätte ich den öffentlichen Nahverkehr benutzt.
Ich schaue aus dem Seitenfenster, während der Wagen die unendlich lange Elbchaussee entlangfährt. Die stolzen Fronten der Patriziervillen leuchten grellweiß in den letzten Strahlen der Sonne. Wer hier wohnt hat entweder Geld, oder einflussreiche Freunde, die ihm das Leben auf der Sonnenseite des Lebens ermöglichen. Vor einem eher unscheinbaren Gebäude hält das Taxi und ich steige aus, nachdem ich dem Fahrer einen Geldschein gereicht habe.
Gemäß Anweisung laufe ich um das Haus herum zum Hintereingang. Es stört mich nicht, wie ein Dienstbote behandelt zu werden. Wenn ich mein Studium beendet habe wird sich alles ändern. Dann kann ich den Kopf wieder hoch erhoben tragen, muss nicht mehr durch schäbige Flure schleichen und mich von Portieren wie ein lästiges Insekt betrachten lassen.
Ich klopfe und ein blonder Kerl öffnet die Tür so schnell, als hätte er dahinter auf mich gewartet. Er ist gut einen Kopf kleiner als ich und seine blauen Augen mustern mich ausführlich, wobei er die langen Wimpern gesenkt hält. Ihm scheint zu gefallen was er sieht, denn seine Mundwinkel ziehen sich hoch und er macht eine einladende Geste mit der Hand.
„Komm rein“, flüstert er mit rauer Stimme.