Was bisher geschah: Riordan wird zu einem Kunden gerufen, der in einer schicken Villa an der Elbchaussee wohnt. Der Mann erweist sich als zierlicher Blonder mit einem ungewöhnlichen Wunsch: Er will verführt werden. Riordan kommt nicht nur dieser Bitte nach, sondern verliert auch noch sein Herz. Was er nicht weiß: Levi geht es genauso. Nach diesem Erlebnis kann er den Nebenjob als Callboy nicht länger ausüben. Er kündigt. Nach einem Monat ruft seine Agentur an: Levi fragt nach ihm. Als er sich bei dem ehemaligen Kunden meldet, bricht der zusammen. Riordan befürchtet das Schlimmste, rast zu Levi und findet ihn zwar lebend, aber sehr elend vor. Da begreift er, was Sache ist: Zwei Idioten haben sich vier Wochen umsonst gequält. Schon kurz darauf zieht er bei Levi ein.
~ * ~
Riordan wohnte gerade mal zwei Wochen bei Levi, da standen dessen Eltern vor der Tür. Es kam zu einem unschönen Wortwechsel, nach dem er seine Sachen packen durfte. Levi stand mit hängenden Armen daneben, eher ein Häufchen Elend, als ein erwachsener Mann. Riordan hörte noch, wie Levi ermahnt wurde, endlich zum richtigen Geschlecht zu wechseln, dann fiel die Tür hinter ihm zu.
Natürlich hatte er geahnt, dass die protzige Villa niemals Levi gehören konnte. Dass an die Nutzung des Hauses jedoch Bedingungen geknüpft waren, hatte Levi ihm verschwiegen. Riordan wusste nur, dass die Eltern ihm großzügige Summe überwiesen, damit er neben dem Studium nicht arbeiten brauchte. Armer Sohn reicher Eltern. Im Moment war er ziemlich angepisst und fühlte sich gedemütigt. Levi hatte ihn mit keinem Wort verteidigt, nur stumm dagestanden und den Fußboden angestarrt. Wenn so Liebe aussah, konnte der kleine Hosenscheißer sie sich irgendwo hinstecken.
Riordan kehrte in seine kleine Wohnung, die er eigentlich bald kündigen wollte, zurück. Nun hatten sich die Dinge geändert. Seine paar Sachen waren schnell ausgepackt. Gerade legte er das Rasierzeug im Bad vor dem Spiegel ab, als sein Handy summte. Er fummelte es aus der Gesäßtasche, sah Levis Nummer auf dem Display und drückte das Gespräch weg, anschließend stellte er das Gerät aus. Im Moment fühlte er sich nicht in der Lage, irgendein einigermaßen vernünftiges Gespräch zu führen. Levis Eltern hatten ihn als Nutte deklariert und dieser Stachel saß tief. Auch wenn ein Körnchen Wahrheit darin stecken mochte, war er immer noch ein Mensch. In seinen Augen hatten diese bornierten Leute weniger menschliches an sich als er, selbst in seiner Funktion als Callboy.
Es erwies sich als Vorteil, dass Levi seine Adresse nicht kannte. In den zwei Wochen hatten sie mehr rumgefickt als geredet, normal eben für Verliebte. Riordan genoss es ein wenig, sich Levis Hilflosigkeit vorzustellen. Als ihm die Vorstellung nicht mehr reichte, schaltete er sein Handy wieder ein. Auf der Mailbox befanden sich inzwischen 10 Nachrichten. Levis dünnes Stimmchen zu hören schmerzte, daher löschte er den Rest, nachdem er sich die erste Entschuldigung angetan hatte.
Die erste Nacht allein war schlimm. Immer wieder wachte Riordan auf, suchte im Halbschlaf nach Levis warmem Körper und holte schließlich seinen alten Teddy aus der Kommode. Der war zwar nicht warm, aber weich und kuschlig, außerdem roch er so vertraut.
Der nächste Morgen kroch grau und kalt ins Zimmer. Trotz nur kurzer Schlafphasen war er früh wach und starrte an die Decke. Wie sollte es weitergehen? Levi war der einzige Lichtstrahl in seinem ansonsten so öden Dasein … gewesen. Genau: In der Vergangenheitsform denken, Riordan!, ermahnte er sich.
Nach einer heißen Dusche, gründlichen Rasur und einer Gesichtsmaske aus Quark und Gurken fühlte er sich gewappnet, sein Leben neu zu ordnen. Als erstes nahm er seine schäbige Wohnung in Augenschein. Ein Eimer Farbe würde sicher nicht schaden. Vom Baumarkt kehrte er vollbeladen zurück, einen eingerollten Läufer über der Schulter, die Satteltaschen des Drahtesels vollgestopft. Am Ende des Tages roch die Wohnung nach Terpentin und das Schlafzimmer erstrahlte in neuem Glanz. Todmüde fiel Riordan ins Bett, umschlang seinen Teddy und vergrub die Nase in dessen Fell. Auch wenn er eine Nutte war, konnte er wenigstens vernünftig Wände streichen.
Am folgenden Tag nahm er sich die Küche vor, tags darauf das Wohnzimmer. Nach und nach wurde aus der schäbigen Behausung ein schmuckes Zuhause. Kleine Dinge, wie ein bunter Läufer und ein paar Topfpflanzen, werteten die billige Einrichtung auf. Noch nie hatte Riordan sich um derartige Dinge geschert, nun bereiteten sie ihm Freude. Zumindest lenkte sein Tun von dem Kummer ab, der sein Herz zerfraß. Wieso hatte Levi ihn verleugnet? Ihn hängen lassen und nicht hinter ihm gestanden?
In den Momenten, in denen er sich nicht mit hektischen Aktivitäten ablenkte, dachte er über die Person Levi nach. Sicher, der Mann war noch sehr jung, erst 24 und bestimmt von seinen Eltern verhätschelt worden. Für einen Sohn reicher Leute musste es schwer sein, sich aus dem Luxus zu lösen und den eigenen Unterhalt zu verdienen. Riordan selbst kannte solche Probleme nicht. Er war früh ausgezogen und hatte sich durchgeschlagen, allein schon, um seine Sexualität ausleben zu können. Inzwischen war er 27, fühlte sich aber weitaus älter. Die Art, wie er sein Leben anpackte, war natürlich nicht besonders klug. Das Studium schleifen zu lassen, anstatt es straff durchzuziehen, war nur einer der Punkte, die er dringend ändern musste. Vor allem durfte er sein Herz nicht an Männer verschenken, die darauf herumtrampelten.
Vier Tage nachdem Levis Eltern ihn rausgeworfen hatten, stellte er sein Handy wieder an. Die Mailbox war voll von Nachrichten, die er ungehört einfach löschte. Es wunderte ihn nicht, dass das verdammte Ding im nächsten Moment blinkte und Levis Nummer im Display aufleuchtete. Diesmal nahm er das Gespräch an.
„Riordan, bitte! Wo bist du? Es tut mir so leid. Können wir reden?“ Levi klang so jämmerlich, dass sein Herz blutete.
„Magst du mir erklären, wieso ich vor deinen Augen als Hure abgestempelt werden darf?“ Riordan konnte nicht verhindern, dass seine Stimme einen scharfen Ton annahm. Es half, sich gegen den Schmerz zu wehren.
„Das verstehst du nicht. Sie zahlen für mich und … Das ist keine Entschuldigung. Du hast recht.“ Er hörte Levi schniefen. „Können wir uns irgendwo treffen? Hier geht das nicht. Ich bin sicher, dass mein Haus beobachtet wird.“
„Na klasse! Im Hotel? Nein, vergiss es. Werde erwachsen. Ach ja, falls es dir hilft: Du hast mir verdammt wehgetan.“
„Tut mir leid.“ Nun heulte Levi richtig. Riordans Herz schmolz, dennoch wahrte er Distanz. Sich wieder auf den Kerl einlassen bedeutete einen Drahtseilakt, zu dem er nicht bereit war. Er war nicht aus Stein, aber auch kein Fußabtreter.
„Hör mal, Levi, so geht das nicht. Ich hab auch Gefühle und so lange du nicht zu mir stehen willst, möchte ich dich nicht mehr sehen. Nun sage ich: Tut mir leid. Mach’s gut.“ Riordans Magen tat weh, seine Lunge schmerzte und er fiel in ein tiefes, schwarzes Loch. So klug seine Worte auch waren, er hätte lieber etwas ganz anderes gesagt. Noch viel lieber würde er Levi sehen, umarmen und ihnen beiden vorgaukeln, dass das Leben ein Ponyhof war. Nun, es war eher ein Turnierplatz. Dort würde Levi untergehen und er auch.
Am nächsten Tag ging er endlich wieder zur Uni, anschließend nahm er einen Vorstellungstermin bei einem Pizzaservice, bei dem er sich zwischenzeitlich online beworben hatte, wahr. Er hatte Glück: Der Job gehörte ihm. Somit waren seine Finanzen für die nächste Zeit gerettet. Als er wieder auf die Straße trat wurde ihm plötzlich klar, dass Weihnachten bevorstand. Überall blinkten bunten Lichter, liefen Leute hektisch umher und mehr Menschen als sonst sammelten Spenden. Das war ihm in seinem Kummer bisher gar nicht aufgefallen.
Eigentlich war ihm diese Zeit verhasst. Seit er von zu Hause ausgezogen war, feierte er nicht mehr. Warum er in diesem Jahr plötzlich einen Tannenbaum haben wollte? Vielleicht brauchte er Trost und wenn es mit so simplen Mitteln funktionierte, würde er sich nicht dagegen wehren.
Zwei Wochen später – einen Tag vor Heiligabend – sah seine Wohnung aus, als wären Weihnachtsjunkies darin eingefallen. Überall hingen Zweige und auf jedem noch so kleinen Fleckchen hatte er Kerzen, Wichtel und sonstige schrecklich kitschige Dinge aufgestellt. Dank der vielen 1-Euro-Shops belastete das sein Budget nicht über Gebühr. Im Grunde war das Ganze schauderhaft, besänftigte aber sein Herz. Es fühlte sich an, als wäre er weniger allein. Traurig? Ja, schon, aber immerhin besser, als vor Kummer Trübsal zu blasen.
Am Morgen des Festtages plünderte Riordan den Supermarkt, als stünden ihm drei Wochen ohne Möglichkeit der Nahrungsbeschaffung bevor. Ihm ging’s nicht allein so. An den Kassen waren die Schlangen so lang, dass er locker einen dicken Wälzer während der Wartezeit hätte verschlingen können. Sein Kühlschrank platzte aus allen Nähten, sodass er ein paar Lebensmittel auf dem Balkon lagern musste. Die Temperaturen waren glücklicherweise entsprechend nahe dem Gefrierpunkt.
Nachdem er sich, wie an jedem Heiligabend, einen Horrorschocker reingezogen hatte, brachte er einige Zeit in der Küche damit zu, etwas Leckeres zu brutzeln. Wieso er beim Anblick der fertig gepellten Kartoffeln an Levis Haut denken musste? Sie war genauso hell, cremig zart und … Nein! Schnell lenkte er seine Gedanken in eine andere Richtung. Der Rucolasalat weckte keine sexy Erinnerungen.
Riordan hatte gerade die Küche aufgeräumt, als sein Handy summte. Levis Nummer blinkte auf dem Display und wenn er nicht gerade sentimental gestimmt wäre, hätte er das Ding sicher einfach ausgestellt. „Ja?“, meldete er sich barsch.
„Ich stehe am Bahnhof Altona. Meine Eltern … es gab Streit. Darf ich zu dir kommen? Bitte! Es ist so kalt.“
Er konnte Levis Zähne förmlich klappern hören, sah zum Fenster und entdeckte erstaunt dicke Schneeflocken. Mittlerweile war es neun geworden. Levi dort draußen zu wissen, einsam und frierend, durchbrach seinen Schutzwall. „Okay. Komm her.“ Er nannte seine Adresse. „Schaffst du das oder soll ich dich holen?“ Da war er wieder, der Beschützerinstinkt. Riordan verfluchte sich dafür.
„Ich schaff das. Danke.“ Levi legte auf.
Die Stimme des Kleinen hatte erstaunlich fest und entschlossen geklungen, dennoch tigerte Riordan durch die Wohnung und spürte dabei wachsende Unruhe. Seit vier Wochen hatten sie einander nicht gesehen. Wie ging es Levi? Oh Mann! Sollte er sich nicht eher Sorgen um sein eigenes Wohl machen? Als es an der Tür läutete, rannte er hin und riss sie auf. Eine hässliche Mütze tief ins Gesicht gezogen, den dicken Schal mehrfach um den Hals geschlungen und einen großen Koffer neben sich, stand Levi im Treppenhaus. Riordan hatte noch nie etwas Schöneres gesehen.
„Ich …“ Levis Zähne schlugen beim Sprechen aufeinander. „Ich hatte Streit. Die wollen mich … in ein Umerziehungscamp stecken. Bin … abgehauen. Darf ich hier schlafen?“
„Komm rein.“ Er gab den Weg frei, zwang sich, Levi nicht mit dem Gepäck zu helfen. Unbeholfen und steif stolperte der arme Kerl in den Flur und rammte dabei die Garderobe mit dem sperrigen Koffer. Nun konnte Riordan nicht länger an sich halten. Bestimmt gab er Levi einen Schubs in Richtung Wohnzimmer, griff nach dem Gepäck und bugsierte es kurzerhand in seine Schlafstube. Darüber konnten sie später diskutieren, erst mal musst es aus dem Weg. „Ich mach dir einen heißen Grog“, rief er Levi hinterher, ging in die Küche und stellte den Wasserkocher an. Eine Flasche Rum fand sich in einem der Oberschränke.
Als er wenig später mit zwei Bechern ins Wohnzimmer kam, hockte Levi in voller Montur auf dem Sofa. Mit zitternden Fingern nahm er eine der starken Rummischungen entgegen und führte sie an seine Lippen. „Heiß“, flüsterte er und bedachte Riordan mit einem zaghaften Lächeln. „Danke.“
Lange Minuten saßen sie einfach da, während der Rum seine Wirkung tat. Levi entfernte nacheinander Mütze, Schal und Jacke, zuletzt schlüpfte er aus den Stiefeln. Auch Riordan spürte, wie er zu glühen anfing. „Was soll diese Sache mit dem Umerziehungscamp?“, durchbrach er die Stille. „Das gibt es doch nur in den USA.“
„Keine Ahnung. Meine Eltern haben genug Geld, um mich überallhin zu schicken. Es war vorhin richtig schrecklich. Erst dachte ich, sie würden mich einsperren, aber so verrückt sind sie dann doch noch nicht. Sie haben gesagt, ich wäre nicht länger ihr Sohn, wenn ich nicht gehorche.“ Levi schniefte. „Tja, dann bin ich jetzt wohl auf mich gestellt.“
Es kostete Riordan nahezu übermenschliche Kraft, den Kleinen nicht in seine Arme zu ziehen. „Wissen sie, dass du bei mir bist?“
„Keine Ahnung. Wahrscheinlich. Wo sollte ich sonst hin?“ Levi zuckte die Achseln.
Da konnte Riordan doch nur hoffen, dass Levis Eltern nicht hier aufkreuzten. Entgegen ihrem Sohn dürften sie die Adresse kennen, da sie ja auch von seinem Job gewusst hatten. Bestimmt war ihm ein Privatdetektiv gefolgt. „Willst du auch noch einen Grog?“ Er stand auf und streckte die Hand nach Levis Becher aus.
„Ja. Aber mit weniger Rum, bitte.“ Das zaghafte Lächeln war entzückend.
Riordan war gerade in der Küche angekommen, als es an der Tür läutete. Dem energischen Dauerklingeln nach konnten es nur Levis Eltern oder die Bullen sein. Mit Vermutung eins lag er richtig. „Wo ist unser Sohn?“, polterte Levis Vater, ein distinguierter Grauhaariger, los.
„Was wollt ihr denn hier?“, hörte er Levis Stimme in seinem Rücken.
„Dich abholen, bevor dieser Stricher dir dummes Zeug …“ „Riordan ist kein Stricher und ihr verschwindet besser“, fuhr Levi seinem Vater dazwischen. „Ich bin hier besser aufgehoben als bei Leuten, die mein Gehirn manipulieren wollen.“
„Aber Junge“, schaltete sich nun auch Levis Mutter ein. „Es ist doch nur …“ „Ja, ja. Zu meinem besten, schon klar. Warum schafft ihr euch nicht einen Roboter als Sohn an? Lasst Riordan und mich bitte in Ruhe. Wenn ihr ihn noch einmal beschimpft, rede ich nie wieder mit euch!“ Riordan staunte nicht schlecht, wie hart Levis Stimme klang.
„Du weißt aber, Sohn, dass wir sofort die Zahlungen einstellen, nicht wahr?“ Der alte Brechstein bleckte die Zähne.
„Macht doch. Ich komm schon klar.“
„Rainer! Nun lass den Jungen. Für heute reicht’s“, lenkte Levis Mutter ein und zog ihren Gatten am Ärmel. „Ich will nicht, dass Levi auf der Straße leben muss. Komm, wir fahren nach Hause.“
Riordan bekam noch einen abfälligen Blick zugeworfen, dann drehte Levis Vater sich um und ging die Treppe hinunter. Frau Brechstein brachte ein entschuldigendes Lächeln zustande, bevor sie ihrem Mann folgte. Er atmete auf. Mit dieser Entwicklung hatte er nicht gerechnet, vor allem nicht damit, dass Levi sich für ihn stark machen würde. „Ich mach uns mal einen richtig steifen Grog“, murmelte er und ging in die Küche.
Levi kauerte wieder auf der Couch, als er mit zwei Bechern ins Wohnzimmer kam. „Das hätte ich schon lange tun sollen. Ich meine: Meinen Eltern Paroli bieten. Nur war vor dir niemand da, für den es sich gelohnt hätte.“
„Ich glaube, deine Mutter wird sich für dich einsetzen.“ Riordan stellte die dampfenden Getränke ab. „Wenn’s okay für dich ist, geh ich nach diesem Grog schlafen. Lege dir gleich Bettzeug raus.“ Er plumpste schwerfällig aufs Sofa. Der Alkohol und die vergangenen kurzen Nächte hatten ihn müde gemacht.
„Danke.“ Scheu lächelte Levi ihm zu, beugte sich vor und nahm seinen Becher hoch.
Schweigend saßen sie da, tranken und sahen in die Gegend. Es fühlte sich gut an, Levi so nahe zu haben, dabei auch etwas fremd. Ihre Beziehung hatte nur zwei Wochen angedauert, zu kurz, um eine tiefe Vertrautheit entstehen zu lassen. Als Riordans Becher leer war, stand er auf und holte aus dem Schlafzimmer eine Decke, ein Laken und Kissen. Das alles legte er neben Levi auf die Couch, anschließend schleppte er den Koffer herein. „Dann … schlaf gut“, sagte er leise.
„Mhm. Du auch.“ Wieder dieses schüchterne Lächeln, das ihm so gut gefiel.
Wenig später lag Riordan im Bett, guckte an die Decke und war mit einem Schlag putzmunter. Er hörte Levi im Bad rumoren, über den Flur tappen und dann wurde es still. Trug der Kleine einen seiner geilen gestreiften Schlafanzüge? Die Dinger fand Riordan wahnsinnig scharf und hatte es geliebt, Levi davon zu befreien. Wie würde es weitergehen? Wenn es nach ihm ginge, könnte Levi erstmal bleiben, bis er eine Wohnung gefunden hatte. Sie hatten perfekt harmoniert während der zwei Wochen.
„Riordan? Schläfst du?“
In Gedanken versunken hatte er gar nicht bemerkt, dass die Tür aufgegangen war. Im Halbdunkel, das in seinem Zimmer herrschte, konnte er Levi nur schemenhaft ausmachen. Den weißen Pyjama mit den Streifen erkannte er jedoch sehr wohl. „Nein. Was ist denn noch?“
Levi kam näher, hockte sich auf die Bettkante und strich mit den Handflächen über seine Oberschenkel, wie immer, wenn er verunsichert war. „Darf ich bei dir schlafen? Ich bin auch brav.“
Brav? Das war niedlich. Riordan musste schmunzeln. „Na gut. Hol deine Sachen.“
„Danke.“ Levi flitzte davon, kehrte mit Decke und Kissen zurück und warf sich auf die unbenutzte Bettseite.
Nun war an Schlaf noch weniger zu denken. Riordan fixierte wieder die Zimmerdecke und versuchte den Kleinen auszublenden. Wieso hatte er so schnell nachgegeben? Hoffentlich wollte Levi nicht reden, danach war ihm gar nicht.
„Duhu? Riordan? Ich hab dich wahnsinnig vermisst.“
„Ich dich auch“, brummte er.
„Warum liegst du dann so weit weg?“ Levi rückte näher, wie er aus dem Augenwinkel bemerkte.
„Willst du Sex?“
„Wenn … wenn’s dir nichts ausmacht.“
„Ich bin nicht in Stimmung.“
„Ach so.“ Sein Bettnachbar hielt trotz der Ablehnung die Stellung. Riordan konnte den Levi eigenen Duft nach Pfirsichshampoo, vermischt mit einer maskulinen Note, riechen. Er stand auf diese Komposition und reagierte allmählich mit einer wachsenden Erektion. Die Erinnerung an die vielen schönen Stunden überfiel ihn urplötzlich. Levi, wie er unter ihm stöhnte, diese entzückenden Laute ausstieß, die seinen nahenden Höhepunkt ankündigten.
„Darf ich … darf ich dich in Stimmung bringen?“
„Von mir aus.“ Riordan wandte den Kopf und sah Levi in die Augen.
Etwas hatte sich geändert. Der Kleine war immer noch schüchtern, dennoch wirkte er irgendwie entschlossener als noch vor einigen Wochen. Er sah Levis Gesicht näherkommen, bevor er die weichen Lippen spürte. Erst vorsichtig tastend, dann zunehmend mutiger strichen sie über seinen Mund. Eine nasse Zunge teilte seine Lippen, gleichzeitig fuhren Finger unter die Decke und strichen ihm über die Brust. Bisher war er immer der dominante Part gewesen, daher überraschte ihn Levis zielstrebiges Vorgehen. Hatte er etwa zwischendurch woanders Erfahrungen gesammelt? Schlagartig verfolg seine beginnende Erregung.
„Warte!“ Er zog an Levis Haaren. „Hast du mit anderen Männern …?“
„Nein! Warum sollte ich? Will nur dich.“ Empört wurde er angefunkelt.
Levi klang ehrlich entrüstet. Eines wusste Riordan sicher, nämlich dass der Kleine nicht lügen konnte. Eine seiner vielen liebeswerten Charaktereigenschaften. Er ließ sich wieder küssen, gestattete, dass Levi sein T-Shirt hochschob. Die schmalen Finger auf der nackten Haut hinterließen eine brennende Spur. Als Levi über seine erigierten Knöpfchen kratzte, stöhnte Riordan ungehalten. Was stellte der Kleine nur mit ihm an? Zwischen seinen Beinen juckte es wie verrückt und wenn nicht bald Linderung eintrat, würde er über Levi herfallen, wie ein wildes Tier.
„Ich mag deinen Duft. Du riechst so männlich“, raunte Levi, biss in seine Unterlippe und leckte sofort mit der Zunge über die Stelle. Woah! Hier mutierte noch jemand zum Raubtier! Riordan gab die passive Rolle auf, fummelte an den verdammten Knöpfen des Schlafanzugsoberteils herum und zerrte es schließlich ungeduldig über Levis Kopf. Die helle Haut schimmerte verführerisch. Beim nächsten Kuss ließ er seine Hände auf Wanderschaft gehen, was ihm ein süßes Stöhnen einbrachte. Schon bald flog die Decke auf den Boden, gefolgt von seiner Shorts und dem T-Shirt. Levi streifte selbst die Pyjamahose ab, kletterte auf Riordans Bauch und betrachtete ihn lüstern. Bevor er recht begriff, was der Kleine vorhatte, spuckte der in seine Handfläche, griff hinter sich und verteilte die Nässe auf Riordans steifem Glied. Als nächstes steckte seine Schwanzspitze in dem engen Muskel. Levis helle Augen hingen an seinem Gesicht, während er sich langsam senkte. Riordan legte beide Hände an die schmalen Hüften, hätte am liebsten nach oben gestoßen, überließ aber Levi das Tempo. Die raue Vereinigung raubte ihm den Verstand. Er tastete nach Levis Glied, fand es halbsteif und vollführte pumpende Bewegungen, bis die Lust ganz zurück war. Für wenige Atemzüge verharrten sie vollkommen starr, sahen sich an und begannen gleichzeitig zu lächeln. Ein Moment, der den eisernen Ring um Riordans Brust sprengte. „Liebdichimmernoch“, flüsterte er rau.
Levi stieß einen wimmernden Ton aus, beugte sich vor und küsste ihn. Zugleich hob er den Hintern, bis Riordan fast rausglitt, um sich gleich darauf wieder sinken zu lassen. In dieser Weise ritt er ihn, erst langsam, dann immer wilder. Sein geiler Cowboy! Fasziniert beobachtete Riordan das Gesicht des Kleinen. Völlig entrückt, die Lider auf Halbmast, die Lippen leicht geöffnet, eroberte Levi seinen Körper. Bei jeder Bewegung schwang dessen imposante Erektion gegen den flachen Bauch. Riordan griff danach, gleichzeitig krallte er die Finger in Levis Hüfte. Seine Faust pumpte, während er das Becken nach oben stieß und Levi förmlich aufspießte. Die wenigen Herzschläge bis zum hin Finale steigerte sich Levis Lautstärke. Auf dem Gipfel stieß er Riordans Namen hervor, während warmer Nektar aus ihm sprudelte. Der erregende Anblick ließ nicht zu, noch einen Moment länger auf die Erfüllung zu warten. Riordans Hüften ruckten hoch, ohne dass er darüber Kontrolle hatte. Sein Schwanz wurde schier zerquetscht und im nächsten Moment öffnete sich für ihn der Himmel.
Sex war ein gutes Schlafmittel. Körperlich total ausgelaugt, Levi an seine Brust gedrückt, dämmerte Riordan vor sich hin. „Du hast mein Herz gebrochen, nun ist es wieder heil. Selbst wenn du es nicht willst, es gehört für immer dir“, nuschelte der Kleine schläfrig.
Levis Sinn für Romantik hatte er schon immer rührend gefunden. Er selbst war eher der nüchterne Typ, aber in diesem Augenblick wollte er gern etwas Ähnliches erwidern. Riordan überlegte angestrengt, in seiner Lage ein schwieriges Unterfangen. „Ich tausche. Du bekommst meines. Okay?“, flüsterte er schließlich.
„Mhm“, schnurrte Levi, hob den Kopf und strahlte ihn an. „Für immer?“
Wer konnte da widerstehen? Die blonde Sirene sah so glücklich aus, dass Riordan alles versprochen hätte, damit es weiter so blieb. „Für immer“, willigte er ein.
~ * ~
„Mhm.“ Genüsslich schnupperte Riordan an dem sexy Kerlchen, das mit dem Rücken an seiner Brust lag. Levi war da, wie schön. Sein Teddy saß neben ihnen, auf dem unbenutzten Kopfkissen und starrte ihn vorwurfsvoll aus aufgenähten Knöpfen an. Mit einem Schlag war Riordan hellwach. Sie hatten gevögelt und einander ihre Liebe gestanden, damit war aber nicht alles in Butter. Levi musste sich mit seinen Eltern auseinandersetzen und ob dabei nicht wieder er auf der Strecke blieb war fraglich. Vielleicht war Levis Mut gestern aus der Verzweiflung geboren und inzwischen wieder eingeschlafen.
Leise schlich er sich aus dem Bett, stieg unter die Dusche und wusch die Spuren der letzten Nacht von seinem Körper. Levi hatte eine riesige Menge Sperma auf ihm abgeladen, das nun getrocknet war und auf seiner Haut spannte. In Gedanken versunken wusch er gerade seine Haare, als ein Schwall kalter Luft einen weiteren Duschkandidaten ankündigte. Levi schmiegte sich von hinten an seinen Rücken.
„Wieso hast du mich nicht geweckt?“, maulte der Kleine.
„Du hast so schön geschlummert und außerdem hat Teddy auf dich aufgepasst.“ Seifige Finger fuhren über seine Brust, was unweigerlich eine Reaktion auslöste. Riordan verbiss sich ein Stöhnen.
„Teddy?“ Levis Stimme verriet seine Neugier. „Hat er keinen Namen?“
„Doch, eben Teddy. Oha! Nimm die Finger da weg!“ Riordan schlug die schmale Hand weg, die sein Geschlecht gestreift hatte.
„Wieso? Ist doch Weihnachten und ich möchte dir was schenken.“
„Echt? Was denn?“ Er drehte sich in der Umarmung um.
„Mich.“ Levi strahlte von einem Ohr zum anderen. „Nimmst du mich?“
„Du bist echt ein Sexmonster“, flüsterte Riordan, beugte sich runter und küsste die wunderschönen Lippen. „Wo ist mein scheuer Levi hin, der verführt werden möchte?“
„Magst du den lieber?“
„Ich mag beide. Komm, lass uns schnell hier fertig werden, dann schenke ich dir was: Eine Verführung. Okay?“
Zu sehen, wie Levis blaue Augen aufleuchteten, rührte Riordans Herz. Lächelnd griff er nach dem Shampoo, verteilte eine Portion auf dem blonden Haar und massierte anschließend die Kopfhaut des Kleinen. Genüsslich senkte Levi die Lider, hielt sich an seiner Taille fest und seufzte ein ums andere Mal. Bei der folgenden Ganzkörperwäsche wurde aus dem Seufzen ein Stöhnen und als Riordan fertig war, standen sie beide mit einem Ständer da.
„Los, ab ins Bett“, forderte er, gab Levi einen Klaps auf die Kehrseite und stellte das Wasser ab.
In ein flauschiges Handtuch gemummelt, sah der Kleine ihm beim Abtrocknen zu. Allein der lüsterne Blick reichte aus, dass Riordans Erektion kaum weicher wurde. Kein Mann hatte bisher derart viel Macht über ihn gehabt und nun war es ausgerechnet diese halbe Portion, die eine so starke Wirkung auf ihn ausübte.
„Riordan? Du guckst so grimmig.“ Levi stellte sich auf Zehenspitzen und schlang die Arme um seinen Hals. „Wegen mir? Soll ich doch lieber gehen?“
„Auf keinen Fall. Ich hab nur überlegt, wieso …“ Riordan biss sich auf die Zunge. Was laberte er hier? Levi brauchte nicht wissen, welchen Stellenwert er für ihn besaß. Jedenfalls noch nicht.
„Wieso was?“ Kurz streiften Levis Lippen seinen Mund.
„Wieso du immer noch hier stehst. Ab ins Bett!“, improvisierte er.
„Ach so. Bin schon weg.“
Er bekam noch einen sanften Kuss, bevor Levi die Umarmung löste und in Richtung Schlafzimmer huschte. Die blonden Haare des Kleinen standen wild von seinem Kopf ab und unter dem Handtuch konnte Riordan den runden Knackarsch erkennen, wohl auch, weil Levi damit wackelte wie eine Nutte. Anscheinend fieberte er der Verführung entgegen. Plötzlich konnte Riordan es auch nicht mehr erwarten, endlich wieder den sexy Körper mit Händen und Lippen zum Vibrieren zu bringen. Schnell trocknete er sich zu Ende ab, warf das Handtuch über den Heizkörper und folgte Levi.
Wie Jesus am Kreuz, lag der Kleine auf dem Bett: Die Arme ausgebreitet, die Beine übereinandergeschlagen. Voller Vertrauen und freudiger Erwartung ruhte Levis Blick auf ihm, als er auf die Matratze krabbelte. Das Glied des Kleinen war etwas abgeschwollen, ein glitzernder Faden spannte sich zwischen der breiten Spitze und flachen Bauchdecke. Riordan beugte sich vor, leckte einmal über die glänzende Eichel und beobachtete, wie der Schwanz zuckte und an Härte gewann. Oh ja, das liebte er. Levi war überaus sensibel und reagierte mit einem entzückenden Lustlaut, dass ihm ganz anders wurde.
Entschieden stupste er Levis Schenkel auseinander, kauerte sich dazwischen und strich mit den Fingerspitzen an deren Innenseiten rauf und runter. Eine Gänsehaut überlief die auf diese Weise liebkoste Haut. Levi wimmerte, Musik in seinen Ohren. Riordan senkte den Kopf, biss in die sensiblen Stellen und arbeitete sich langsam bis zu den Kronjuwelen vor. Als er kurz aufschaute, hatte Levi die Arme nach oben gereckt und die Metallstreben des Kopfteils umklammert. Ein glühender Blick aus himmelblauen Augen streifte ihn. „Ds is Folter“, jammerte Levi.
„Du magst das.“ Riordan klang wie jemand, der Sandpapier verschluckt hatte. Er richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf die Köstlichkeiten vor seiner Nase. Erst saugte er die hübschen, glatten Eier in seine Mundhöhle und lutschte sie gründlich, dann leckte er über den verästelten Schaft und nahm kurz die Spitze zwischen seine Lippen.
„Uoh!“, stöhnte Levi, hob das Becken an und versuchte, tiefer in Riordans Mund einzudringen. Noch wollte er das nicht zulassen, erst, wenn der Kleine schier wahnsinnig vor Lust war. Bedächtig platzierte Riordan Kuss um Kuss auf dem Weg nach unten, winkelte Levis Beine an und schob die Hände unter dessen Prachthintern. Das kleine rosa Loch schien förmlich nach seiner Liebkosung zu schreien. Einmal leckte er durch die Furche, dann bohrte er die Zunge in die runzlige Öffnung. Prompt reckte Levi den Hintern noch höher und stieß einen wehklagenden Laut aus. Es wurde wirklich immer besser. Die Hemmungslosigkeit, mit der sein Liebhaber reagierte, machte Riordan richtig an. Er ersetzte die Zunge durch zwei Finger, beobachtete Levis gerötetes Gesicht und hätte ihn am liebsten sofort genommen. Wahrscheinlich würde dem Kleinen das auch gefallen, aber er wollte es diesmal anders. Das hier war Levis Geschenk, er tat es nur für ihn. Klar, auch für sich selbst, schließlich liebte er Lust zu schenken. Jedenfalls bei Levi. Für ihn würde er alles tun.
„Nimm mich!“ Der Kleine bog seine Arschbacken selbst auseinander und starrte ihn, mit der Verzweiflung eines kurz vorm Orgasmus stehenden Mannes, an.
„Liebdich“, nuschelte Riordan, stemmte einen Ellbogen seitlich von Levis Hüfte ins Laken und schob sich den herrlich dicken Schwanz in den Mund. Der herbe Geschmack explodierte auf seiner Zunge. Genüsslich sog er den Duft ein, den nur Levi verströmte. Zwei Finger ringförmig um die Wurzel geschlossen, holte er sich den Liebessaft. Der Kleine stöhnte und ächzte, als würde er sterben, während cremige Strahlen Riordans Kehle fluteten. Es erschien ihm wie das schönste Geschenk, das er je bekommen hatte. Selig schluckte er alles, leckte anschließend die gesamte Länge sauber und verabschiedete sich mit einem sanften Kuss auf die Schwanzspitze.
Levis Augen strahlten so hell wie zwei Sterne, als er sich neben ihm lagerte. „Und … was ist mit nun meinem Geschenk?“, stieß er atemlos hervor.
Riordan runzelte die Stirn, konnte im Moment nicht klar denken.
„Ich wollte mich …“ Levi holte tief Luft. „Wollte mich dir schenken.“
„Hast du doch.“ Rein körperlich und vom Vertrauen her, hatte der Kleine das echt getan. Es war diesmal so anders gewesen, noch viel schöner als zuvor. Allerdings ließ sich Bettsport nicht aufs Leben übertragen. Ob sie es auch im Alltag, im Kampf gegen Levis Eltern schaffen würden, war ungewiss. Als hätten Riordans Gedanken ein Signal gesendet, drang das Läuten der Türglocke an sein Ohr. Das konnte nichts Gutes bedeuten, da er eigentlich nie Besuch bekam. Er drückte Levi einen Kuss auf die Stirn, schwang die Beine aus dem Bett und schlüpfte in Jeans und T-Shirt.
Levis Mutter stand vor der Tür, eine Papiertüte in der Hand. Der Duft frischer Brötchen hing in der Luft, dazu trug Frau Brechstein ein verbindliches Lächeln auf den Lippen. „Morgen Herr Kunstmann. Ich dachte, wir reden einfach mal ruhig miteinander.“ Sie hob die Tüte leicht an. „Bei einer Tasse Kaffee.“
Ein eindeutiges Friedensangebot. Riordan warf dennoch einen misstrauischen Blick ins Treppenhaus, ob Levis Vater irgendwo lauerte.
„Ich bin allein hier. Mein Mann weiß nichts davon. Ist auch besser so. Manchmal ist er ein wenig schnell mit Worten.“ Frau Brechstein seufzte. „Levi ist unser einziges Kind. Ich möchte ihn nicht verlieren.“
„Dann kommen Sie rein. Ihr einziger Sohn ist allerdings nicht angezogen.“ Das konnte Riordan sich einfach nicht verkneifen.
„Bin ich doch. Hallo Mama“, erklang hinter ihm Levis Stimme. „Frohe Weihnachten.“
So klang ein wohlerzogener Junge. Riordan musste grinsen, ließ Levis Mutter eintreten und schloss die Tür. In ihrem teuren Mantel wirkte sie deplatziert in seiner Wohnung, trotz der Renovierung. Levi, ganz der artige Sohn, küsste seine Mutter, nahm ihr den Mantel ab und hängte ihn sogar auf einen Bügel. Anschließend führte er sie in die Küche. Riordan hörte, dass er sie bat am Tisch Platz zu nehmen, während er selbst schnell ins Schlafzimmer huschte und ein bisschen Ordnung machte. Normalerweise würde er so etwas für Besuch nicht tun, aber irgendwie wollte er bei Frau Brechstein, wo sie doch in friedlicher Absicht erschienen war, einen guten Eindruck hinterlassen. Auch den Zustand des Wohnzimmers prüfte er rasch, bevor er in die Küche ging.
„Haben Sie einen Weihnachtsfetisch, Herr Kunstmann?“ Frau Brechstein betrachtete das Fenster, dessen Scheibe er mit Kunstschnee verziert hatte.
„Darf meine Mutter dich Riordan nennen? Bitte! Das andere ist so steif.“ Levi stand vor der Kaffeemaschine, die Glaskanne in der Hand und bedachte ihn mit einem Bettelblick.
„Von mir aus.“ Er lächelte den Kleinen an. „Und: Nein, kein Weihnachtsfetisch. Ist das erste Mal, dass ich überhaupt so etwas mache. Also, die ganze Deko“, wandte er sich an Frau Brechstein. „Ich feiere eigentlich gar nicht.“
„Traurig. Nenn mich Hannelore.“ Levis Mutter stand auf und reichte ihm die Hand. „Ich möchte mich für meinen Mann entschuldigen. Er ist in mancherlei Hinsicht etwas altmodisch.“
Der Händedruck war angenehm fest. Im Ganzen war Riordan sehr überrascht, dass sich Hannelore als so einsichtig und liberal erwies. Nach ihren ersten beiden Begegnungen hatte er sie als hochnäsige Zicke eingeschätzt.
„Ich kann dir an der Nasenspitze ansehen, dass du mich für eine reiche Tussi hältst, die nichts im Kopf hat.“ Hannelore lachte, setzte sich wieder hin und reichte ihm die Brötchentüte. „Du wirst es kaum glauben, aber in meiner Jugend hab ich keine Sünde ausgelassen.“
Sich die elegante Frau ihm Hippieoutfit vorzustellen brachte Riordan zum Schmunzeln. Während er die Brötchen aufschnitt, Levi Geschirr in die Hand drückte und anschließend Lebensmittel aus dem Kühlschrank auf den Tisch räumte, gab Hannelore einen Schwank aus ihrer wilden Zeit zum Besten. Die Geschichte ihres Trips per Anhalter durch halb Europa war amüsant, gespickt mit pikanten Details. Levi lauschte dem mit hochgezogenen Augenbrauen, als sei ihm die Sache peinlich. Riordan zwinkerte dem Kleinen zu, um zu signalisieren, dass es ihm gefiel.
„Die Freundin, mit der ich damals gereist bin, hat leider nicht den Weg aus dem Drogensumpf gefunden. Sie starb mit Anfang zwanzig“, beendete Hannelore ihre Erzählung. „Levi? Kiffst du?“
„Nein!“ Vor Empörung funkelten Levis Augen. „Wie kommst du denn darauf?“
„Ich frag ja nur. Hätte auch nie geglaubt, dass mein braver Sohn sich Liebe kaufen muss.“ Kurz entstand eine unangenehme Stille. Riordan seufzte leise. War ja klar gewesen, dass dieses Thema zur Sprache kommen würde. „Wenn ich mir allerdings Riordan so ansehe, kann ich dich schon verstehen.“
Er atmete auf, setzte sich gegenüber Hannelore hin und bekam von Levi einen Becher gereicht. Eine Weile waren sie alle mit Essen beschäftigt. Levis Mutter sprach der Nussnougatcreme eifrig zu, was den Verdacht erweckte, dass sie im Hause Brechstein verboten war. „Rainer mag nicht, wenn ich solches Zeug esse“, bestätigte Hannelore Riordans Vermutung.
„Was hast du Papa überhaupt erzählt, wo du bist?“, meldete sich Levi.
„Ich hab gesagt, ich fahr zu Tante Olga. Du weißt, dein Vater hasst sie.“ Hannelore kicherte albern und wandte sich an Riordan. „Er hasst sie, weil sie anders ist. Olga trägt gern Rüschenkleider, schwelgt in Groschenromanen und raucht Pfeife. Sie ist Witwe und hat ein Vermögen geerbt, daher kann sie sich jedwede Grillen erlauben. Manchmal glaube ich, ihr Mann ist nicht ganz von selbst gestorben.“
Inzwischen waren alle Brötchen verspeist. Levi schenkte Kaffee nach, während Riordan den Tisch abräumte. Er bemerkte, dass Hannelore heimlich unter dem Tisch ihre Pumps ausgezogen hatte und gerade genüsslich die Zehen streckte. Mit jeder Minute wurde die Frau ihm sympathischer. Was fand sie nur an einem steifen Kerl wie Levis Vater?
„Und wie geht das jetzt mit euch weiter?“ Hannelore lehnte sich lässig zurück und nippte an ihrem Kaffee, wobei ihr Blick zwischen Levi und ihm hin und her wanderte.
„Na ja, ich suche mir eine billige Wohnung und einen Job“, murmelte Levi.
„Levi bleibt bei mir so lange er mag.“ Riordan griff unter dem Tisch nach der Hand des Kleinen. „Hier ist Platz genug und zu zweit können wir die Miete locker zahlen.“
„Bist ein anständiger Kerl. Liebst du meinen Sohn?“
Darüber musste er nicht nachdenken. „Ja.“
Sie sah Levi an. „Mhm. Und du, Purzel?“
„Mama! Nenn mich nicht so!“
Purzel? Wie süß! Riordan gluckste.
„Lach nicht! Ja, ich liebe diesen Idioten“, schimpfte Levi, trat Riordan gegens Schienbein und schnaubte empört.
„Tja. Was soll ich dazu sagen? Dein Vater hat sämtliche Zahlungen gestoppt. Zum Glück hab ich ein eigenes Konto und werde dir die Hälfte von dem, was du sonst bekommen hast, monatlich überweisen. Nun …“ Sie fixierte Riordan. „… wo du hoffentlich für Sex nicht mehr bezahlen…“ „Mama!“ Levi lief rot an.
„Ich mach’s ihm umsonst“, mischte Riordan sich ein. „So oft er will.“ Feist grinsend sah er Levi in die Augen. „Und wie er es will.“
„Sicher ahnst du bereits, dass Rainer einen Detektiv auf dich angesetzt hat. Daher weiß ich auch, dass du nicht mehr für diese Agentur arbeitest. Ich sehe das so: So lange ihr beiden glücklich seid, soll’s mir egal sein, wer wem seinen Pipimann in den Popo …“ „Hannelore!“, stieß Levi hervor und sprang abrupt auf. Seine Gesichtsfarbe glich inzwischen der einer reifen Tomate. „Nun werde mal wieder normal!“
„Bin ich das nicht?“ Sie hob die Augenbrauen.
„Du bist ordinär und … Ach, vergiss es. Blamier mich einfach nicht, okay?“ Der Kleine ließ sich wieder auf seinen Stuhl plumpsen.
„Du hörst dich an wie dein Vater.“ Hannelore seufzte. „Na ja, der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Magst du mir mal meine Handtasche holen, Purzel?“
Levi kniff erbost die Lippen zusammen, stand auf und umrundete Riordan. Der nahm die Gelegenheit war und kniff dem Kleinen in den Hintern. Holla! Da hatte ja noch jemand keine Unterwäsche an. Begeistert starrte er Levi hinterher und wandte sich gerade wieder Hannelore zu, als die sich plötzlich vorbeugte und zischte: „Wenn du meinem Jungen weh tust, reiß ich dir die Eier ab.“
Unwillkürlich presste Riordan die Schenkel zusammen. Heidewitzka! Die Frau hatte Haare auf den Zähnen. „Verstanden“, murmelte er eingeschüchtert. Er zweifelte keinen Moment daran, dass Hannelore ihre Drohung wahrmachen würde.
„Hier ist keine Handtasche“, rief Levi vom Flur her.
„Ach ja, die hab ich gar nicht dabei. Ich Dummerchen.“ Hannelore erhob sich, ging auf Strümpfen aus der Küche und kehrte gleich darauf mit einer Geldbörse und Levi im Schlepptau zurück. „Setz dich, Goldstück.“ Sie wuschelte ihrem Sohn durchs Haar, nahm Platz und zog ein Bündel Geldscheine aus dem Mäppchen. „Da ich davon ausgehe, dass ihr morgen nicht zum Essen kommen wollt, lass ich euch ein paar Taler hier. Macht euch schöne Weihnachten. Aber …“ Sie guckte streng, warf die Noten auf den Tisch und hob mahnend einen Finger. „Kein Wort zu Rainer! Auch nicht über das andere.“
„Ich rede nicht mehr mit Papa, wie soll ich ihm da was sagen?“ Levi raffte die Geldscheine zusammen, zählte kurz und schüttelte den Kopf. „Davon können wir einen Monat leben.“
„Sei nicht so spießig, Sohn! Lasst die Puppen tanzen. Ich muss wieder los, sonst wird Rainer doch misstrauisch.“ Hannelore schlüpfte in ihre Pumps und stand auf. „Ich halte es nämlich auch nie lange bei Olga aus.“
Levi folgte seiner Mutter, während Riordan die Becher in die Spüle stellte. Als er sich gerade zu den beiden gesellen wollte, läutete es an der Tür. „Erwartest du Besuch?“ Der Kleine, der gerade Hannelore in den Mantel helfen wollte, guckte über die Schulter.
„Nein. Ich lach mich schlapp, wenn das dein Vater ist.“
„Rainer? Oh mein Gott!“ Levis Mutter schlich zur Tür, linste durch den Spion und fing leise an zu lachen. „Er ist es. Darf ich mich im Kleiderschrank verstecken?“
Sie verfrachteten die haltlos kichernde Hannelore ins Schlafzimmer. Levi drückte ihr den Mantel in den Arm, zischte ‚Pscht!‘ und tastete nach Riordans Hand. Die Finger des Kleinen waren plötzlich eisig kalt. Beruhigend strich Riordan mit dem Daumen über Levis Handrücken, während sie gemeinsam zur Tür gingen. Levis Vater wirkte ruhig und setzte sogar ein schiefes Lächeln auf.
„Ähm. Hallo. Es ist doch Weihnachten und da dachte ich …“ Er kramte eine Börse aus der Innentasche seiner Jacke. „Hier! Ihr könnt ja essen gehen oder so.“ Das Bündel Noten war noch dicker, als das von Levis Mutter. Erst schüttelte der Kleine den Kopf, aber sein Vater gab nicht nach, hielt ihm stoisch das Geld hin und sagte leise. „Tut mir leid, Junge. Niemand kann aus seiner Haut. Sag deiner Mutter nichts davon, okay?“
„Ich will dein Geld nicht, außer du entschuldigst dich bei Riordan.“ Sehr gerade aufgerichtet, das Kinn vorgeschoben, sah Levi seinen Vater an.
Riordan hätte vor Stolz platzen können. Sein Schatz lief zu Höchstform auf! Er glaubte nicht, dass Levis Vater einknicken würde und bedauerte etwas, dass der Kleine nur wegen ihm auf die Summe verzichten musste. Trotzdem war er über dessen Reaktion überglücklich. Verstohlen drückte er Levis Hand.
„Herr Kunstmann? Ich möchte mich in aller Form für die Beleidigungen entschuldigen.“ Levis Vater klang etwas gezwungen. „Ich habe gehört, dass Sie das Gewerbe aufgegeben haben, was ich Ihnen hoch anrechne. Aber eines sage ich Ihnen …“ Herr Brechstein beugte sich leicht vor. „Wenn Sie Levi wehtun, zerquetsche ich Ihnen …“, sagte er sehr langsam und deutlich. „Die Eier, schon klar“, nahm Riordan mit einem Stoßseufzer dem Mann die letzten Worte aus dem Mund.
„Riordan!“ Das kam von Levi. „Richard!“ Das war Hannelores Stimme.
Wieso hatten es alle auf seine Hoden abgesehen? Gab es keine andere Möglichkeit ihm zu drohen? Anscheinend war die ganze Familie heiß auf sein Gehänge, sogar der Sohn und der ganz besonders. Eine Stunde, nachdem Levis Eltern heftig streitend die Wohnung verlassen hatten, wobei er es eher als lustigen Schlagabtausch bezeichnen würde, denn beide hatten sich nichts vorzuwerfen, außer ihren Sohn zu lieben, lagen sie wieder im Bett. Diesmal war es Riordan, der nach Strich und Faden verwöhnt wurde. Gerade lutschte Levi an den heute so arg in den Fokus geratenen Teilen und machte das wirklich ausgezeichnet. Es gab also keinen Grund, Purzel wehzutun. Riordan musste schmunzeln, linste runter zu seinem Goldstück und verfiel als nächstes in lautes Stöhnen. Levi konnte verdammt gut blasen. Die Zukunft lag rosig und voller Hoffnung vor ihm.
ENDE