Den Rücken gerade und die Schultern gestrafft, durchquert Riordan mit festen Schritten den Garten bis zum Tor. Was habe ich mir erhofft? Er ist ein Callboy, professionell durch und durch. Mein blödes Herz hat trotzdem auf irgendein Zeichen gehofft. Ich habe mich in einen Stricher verguckt. Nachdem ich die Haustür endlich geschlossen habe, lehne ich mich von innen dagegen und schniefe leise.
Er hätte mich liebevoll ansehen können oder nach meiner Hand greifen. Es gibt so viele Möglichkeiten, seine Zuneigung auszudrücken. Okay, ich habe mich auch wie eine Eisprinzessin verhalten, aber ich bin schüchtern, er nicht. Langsam trotte ich in die Küche und gieße mir einen weiteren Kaffee ein. Wie soll es jetzt weitergehen? Na, wie immer, sagt mein Verstand.
Wie immer bedeutet, dass ich fleißig lerne und einen Monat nur mit mir selbst Sex habe, bis ich mir wieder einen Callboy leisten kann. Oh ja, das geht wirklich nur alle vier Wochen, so viel Geld habe ich nämlich doch nicht zur Verfügung. Meine Eltern sind großzügig, doch wissen dürfen sie von dieser Sache natürlich nichts. Für die Durststrecke muss meine Faust herhalten, manchmal auch ein Spielzeug.
Während der folgenden vier Wochen bin ich immer wieder versucht, bei der Agentur anzurufen und Riordan herzubestellen. Die Erinnerungen an seine Liebkosungen, den geilen Sex und vor allem ihn, wecken eine tiefe Sehnsucht in mir, die allmählich zur Obsession wird. Ich träume von ihm, wenn ich mich in meine enge Faust stoße. Es ist abartig und tut so weh. Kann man sich ernsthaft in einen Mann verlieben, den man erst zweimal kurz gesehen hat? Die Antwort ist ein klares: Ja.
Mein Magen hat ein großes Stoppschild vor seinem Eingang aufgebaut und das eiserne Band um meinen Brustkorb wird immer enger. Je näher der Tag kommt, an dem ich mir endlich erneut Riordan leisten kann, desto nervöser werde ich. Als es soweit ist, greife ich mit zitternden Fingern nach dem Telefon.
„Riordan arbeitet nicht mehr für uns“, erklärt mir eine Dame mit freundlicher Stimme.
„Nicht … mehr?“, stammele ich fassungslos.
„Nein. Er hat vor einem Monat gekündigt“, sagt die Frau.
„Vor. Einem. Monat?“, echoe ich.
„Kann ich Ihnen einen anderen Herrn empfehlen?“, erkundigt sie sich.
„Nein. Nein, auf keinen Fall“, sprudelt es aus mir heraus. „Bitte, kann ich Riordans Telefonnummer haben? Es muss ein Irrtum sein.“
Die Dame schweigt einige Sekunden, dann seufzt sie. „Ich rede mit ihm und rufe sie zurück.“
„Danke“, hauche ich, lass mich auf die Couch plumpsen und lege das Mobilteil vorsichtig neben mir ab.
Alles, worauf ich einen Monat hingelebt habe, löst sich gerade in Luft auf. Das Atmen fällt mir schwer und mein wichtigstes Organ hämmert schmerzhaft gegen meine Rippen. Die Sekunden dehnen sich, während ich auf das Display des Telefons starre und stumm bete.
Ruf an!, bete ich und hypnotisiere das dumme Gerät. Natürlich funktioniert das nicht und ich werde nach einer Weile so wütend, dass ich gern irgendetwas zerstört hätte. Wenn ich allerdings das Telefon gegen die Wand schmettere werde ich nie erfahren, ob Riordan mich anrufen möchte. Der Klingelton geht zeitgleich mit dem leuchtenden Display los.
„Brechstein“, krächze ich in den Hörer.
„Hier ist Riordan. Du wolltest mich sprechen?“, ertönt es kühl an meinem Ohr.
„Du … du arbeitest nicht mehr für die Agentur?“, frage ich heiser.
„Nein.“
„Das heißt … ich kann dich nicht bestellen?“, vergewissere ich mich.
„Nein.“
Würde ich nicht schon sitzen, dann hätte es mich spätestens jetzt umgehauen. Ich lass den Kopf gegen die Rückenlehne fallen und atme tief ein. Der Schluchzer dringt so schnell aus meiner Kehle, dass ich es nicht mehr schaffe, rechtzeitig die Hand vor den Mund zu legen.
„Levi? Was ist los?“, höre ich Riordan rufen.
Ich kann nicht antworten, kämpfe gegen den Schmerz, der ein Loch durch meine Brust bohrt.
„Levi? Antworte mir?“, dringt es panisch an mein Ohr.
„Kann gerade nicht“, stöhne ich.
„Ich bin auf dem Weg“, brüllt Riordan, danach ist die Leitung tot.
Das Telefon entgleitet meinen steifen Fingern. Ich schluchze hemmungslos. Es ist egal, alles ist egal geworden.