Es besteht grundsätzlich kein sexuelles Interesse
AdrianxThomas
Die Psychiatrie zum heiligen Franz, wie sie die gut 150 Bewohner nannten, war in großem Chaos versunken. Franz Garbeck war der Besitzer der Klinik und hielt ihnen seit Wochen mittlerweile die Zombies vom Hals, das sollte aber ein Ende finden. Ein unschönes Ende, der Patron der geflüchtete in seiner gerade einmal fünf Jahre bestehenden Psychiatrie versteckte, war gefallen. Sie fanden seinen Körper direkt hinter dem Haupteingang der Klinik, mit seinem üblichen Dolch fest umklammert. Er hatte ihnen allen mehr als einmal das Leben gerettet und dafür, den leblosen Zombiekörpern nach zu urteilen, nun sein Leben gegeben. „Evakuieren", das war Thomas einer der pädagogischen Betreuer der jetzt in den überfüllten Gemeinschaftsraum platzte: „Ihr seid hier nicht mehr sicher, ihr kennt die geheimen Bunker!"
Die kurgeschnittenen, aschblonden Haare des Betreuers klebten an seiner Stirn, er trug einen Speer in der Hand, dessen Spitze von Zombieblut getränkt war. „Ich halte sie ab, haut jetzt endlich ab", wiederholte er, weil sich immer noch niemand wirklich bewegte. Aber dann endlich sprangen die ersten auf und rannten los, einzig allein einer blieb stehen, ein junger Patient, Adrian. Der war erst 19, hatte aber schon mehr als ein bisschen was für sein Leben erlebt, nicht nur während der Zombieapokalypse. „Was machst du noch hier", fuhr er ihn an: „Ich habe euch doch gesagt, ihr sollt wegbleiben, es ist zu gefährlich!" „Dann müssten Sie aber auch weg", wiedersprach Adrian ihm fest: „Aber Sie sind noch da und zu zweit haben wir mehr Chancen als gerade."
Ohne eine Antwort abzuwarten riss er die Tür auf, die über einen geheimen Aufzug in den Keller der Klinik führte. Ehemals war hier nur ein riesiges Vorratslager gewesen, mittlerweile lagerten hier auch Waffen, Gewehre, Messer, Speere, Schwerter, Bögen alles was das Herz begehrte. Adrian riss ein Bogen aus einem Ausrüstungsständer und warf sich zwei Köcher quer über den Rücken während ihm Thomas mit wenig Begeisterung folgte und ihm noch einen Dolch reichte bevor er sich selbst noch einen nahm. Hier aus dem Keller gab es keinen Ausgang, die Aufzugtür war schwer gepanzert und Kugelsicher, hier kam niemand so einfach rein, erst recht kein Zombie. „Na hoffen wir, dass du nicht draufgehst", Thomas zog einen Rucksack aus dem Lager und warf zwei Schlafsäcke und Ersatzspitzen hinein.
Wenig später waren sie auf dem Weg nach draußen, wo es erstaunlicherweise echt ruhig war, die Maisonne prallte hart auf sie hinab. Adrian betrachtete seinen Reisegefährten, der seinen Speer als Wanderstab nützte und sich dicht in seiner Nähe hielt, damit sie weniger auffielen. Zombies griffen eher in Gruppen, Gruppen an. So wirkten sie eher wie eine Person auf die Monster und waren damit nicht unbedingt ein Ziel, die Bunker von Herrn Garbeck waren in einer Kleingartensiedlung und auch nur zu dritt oder viert zu bewohnen aus demselben Grund wie ihr Verhalten gerade. „Riechen die Viecher, dass da so viele in der Klinik waren", wollte er von dem Betreuer wissen, der aber nur mit den Schultern zuckte und den Kopf schüttelte: „Nein die sind fast Geruchsblind."
Sie verfielen in Schweigen und machten einen Bogen um eine Gruppe Zombies, die knurrend, aber ziellos umhertaumelten. Ihre Gehirne funktionierten nicht wirklich, das merkte man auch direkt, das Virus, welches für die Apokalypse verantwortlich, zerstörte Zellen, um sich im Gehirn einzunisten. Ein gruseliger Gedanke, keiner von ihnen wollte mit dem Virus in Kontakt kommen. Das Gesundheitssystem war so gut wie zerstört, im Moment gab es keine Chance irgendwie noch an eine Heilung zu kommen. Aber Franz Garbeck, der neben Psychiatrie auch Pharmazie studiert hatte, hatte einige Nachforschungen dazu angestellt. Zombieleichen um seine Psychiatrie hatte es ja zur Genüge gegeben, aber bisher ohne Erfolg soweit Adrian wusste. Er zog gerade deswegen noch einen Pfeil aus seinem Köcher und legte ihn in die Bogensehne und spannte sie.
Zu irgendwas musste ja all das Bogenschießen im Verein nützen, solange hatte er trainiert, sogar an Wettkämpfen teilgenommen, ein paar Mal sogar gewonnen hatte. Jetzt war das aber kein Wettkampf mehr, es war bitterer Überlebenskampf, damit sie nicht an dem Zombievirus erkrankten, nicht den Verstand verloren. Thomas in seiner dunkelblauen Jacke und den vom leichten Wind zerzausten aschblonden Haare, die Adrian einen Stich versetzten. Er war nur etwa fünf Jahre älter als er, soweit er wusste, seit einem Jahr hatte er sein Pädagogikstudium abgeschlossen und sammelte praktische Erfahrung als die Apokalypse ausbrach. Er war ein großartiger Mensch und vorallem ein guter Freund für Adrian, seit er ein paar Tage nach dem Ausbruch in die Klinik gekommen war. Vielleicht war da aber auch mehr das er empfand.
Aber das zu sagen war sowieso schon schwer genug, vorallem weil er nicht wusste, was Thomas eigentlich für eine Sexualität hatte. Genau aus diesem Grund hielt er lieber ein wenig Abstand zu den Älteren, der jetzt den Speer hob, in Richtung eines Zombies, der ihnen gefährlich nahe kam. Adrian musste kurz lächeln, als er die Muskeln durch die dunkelblaue Jacke sehen konnte und zog dann rasch die Sehne seines Bogens nach hinten und schoss den Zombie ab. Der Pfeil bohrte sich durch Haut, Knochen und Gewebe und wieder aus dem Rücken heraus, bevor er blitzschnell einen neuen Pfeil aus dem Köcher zog. Thomas hielt sich zwei weitere Zombies mit seinem Speer vom Hals, von denen Adrian hektisch einen niederschoss, um seinen Gefährten nicht zu gefährden.
Den letzten Zombie erledigte Thomas mit ein paar schnellen groben Schlägen mit seinem Schwert und Adrian riss seine Pfeile aus den Leichen und wischte das Blut an einem Blatt des nächsten Baumes ab. Das Blut war nicht mehr dunkelrot, sondern braungrün, ein widerlicher Farbton, wenn man Adrian fragte. Thomas juckte das nicht so sehr, er war fast vollständig farbenblind, was er tatsächlich von den Farben die Adrian sah wahrnahm, verstand er allerdings nicht. Es war auch schwer zu erklären, wenn man nicht wusste was Adrian oder andere sahen. Sie liefen schweigend weiter, versuchten möglichst viel Distanz zwischen sich und die Klinik zu bringen, die Zombies von den anderen ablenken. Es war nicht so einfach wie es aussah, die Aufmerksamkeit der Kranken auf sich zu ziehen, sie benahmen sich eindeutig nicht wie ihre Artgenossen aus Filmen. Sie taumelten nicht Menschen absichtlich hinterher, ihr Gehirn war dazu gar nicht mehr in der Lage.
Dafür waren sie, wenn sie auch nur irgendwo mit einem gesunden Menschen in Kontakt kamen schon gefährlich genug. Sie durften auf keinen Fall von einem der Zombies berührt werden, das würde alles zerstören, bis jemand hoffentlich ein Gegenmittel oder wenigstens etwas annähernd ähnliches fand. Das Ganze war nicht nur in Europa ausgebrochen, sondern auf der ganzen Welt ausgebrochen, die Chancen wurden mit dem Zusammenbruch des Netzes immer weniger mit jedem Verstreichenden Tag. Die Hoffnung schwand dadurch auch immer schneller, war das nur ein Schritt in der Evolution, damit die Menschen sich wieder mehr fortpflanzten, weil sie es nicht mehr wirklich wahrnahmen? Das war für Adrian ein Albtraum, er wusste schon seit er 14 war, dass er unter keinen Umständen Kinder haben wollte.
Was noch nicht so lange war, war allerdings, dass ihm bewusst war, auf wen er eigentlich tatsächlich stand und was er sich für eine Beziehung vorstellen konnte. Er stand eindeutig für ihn auf Männer, aber wollte nicht mehr als nur ein bisschen herumknutschen, nicht mehr als Romanze. Es war einfach nicht sein Ding, war es noch nie gewesen, wenn er es sich genau überlegte, all das andere brauchte er einfach nicht. So wie es war, war es doch ganz gut, es fehlte nur noch der Richtige, aber das konnte sich ja noch geben, wenn sie nicht vernichtet wurden. Das war irgendwo seine größte Angst, er wollte nicht komplett alleine sterben oder dem Virus zum Opfer fallen. Thomas schien zumindest seine Gedanken nicht bemerkt zu haben, besser so.
Sie schwiegen während sie einem alten Weg durch den Wald folgten, Thomas lief ein Stück vor ihm her. Den Speer hielt er fest in der Hand, ohne konnte es schnell brenzlig werden, Adrian hatte seinen Bogen gegen den Dolch getauscht, er war bei plötzlichen Angriffen gerade einfach sinnvoller gerade in so einem geschlossenen Gelände. „Irgendwann wird das echt noch ein gutes Versteck", Thomas blieb stehen und verließ dann den Weg, sich immer noch aufmerksam umsehend. „Was meinst du", wollte Adrian wissen, ohne darüber nachzudenken, dass sie sich eigentlich noch siezte. Eine Antwort brauchte er dann doch nicht, einige Meter abseits des Weges war ein Dickicht mit einem Hohlraum darunter. Wie Thomas den Hohlraum gesehen hatte war ihm allerdings dann doch noch ein gewisses Rätsel.
Das Dickicht war durch die vielen Zweige gut versteckt, noch ein paar Blätter, dann wäre es gegen Regen geschützt und ihre schwarzen Schlafsäcke wären noch besser versteckt. „Soll ich mich um Zeug für ein kleines Feuer kümmern und du sammelst Blätter", schlug Thomas schließlich nach einer unangenehmen Pause vor. Adrian nickte: „Ich entferne mich auch am besten nicht allzu weit, dass wir nicht zufällig Attacken kassieren." Thomas nickte ebenfalls zur Bestätigung und wenig später waren sie beide schon damit beschäftigt ihr Zeug einzusammeln und ein kleines Feuer brannte in einem Steinkreis. Das Laub verdeckte die freien Stellen für den Moment ausreichend und ein Topf mit Tütensuppe aus dem Lager der Klinik kochte darüber. Schalen und Besteck hatte Thomas Gott sei dank auch mitgenommen, Adrian hätte es glatt vergessen.
„Ich muss dir noch etwas beichten", Thomas nahm sich ein wenig Suppenwasser nach: „Nachdem wir uns angefreundet haben, habe ich angefangen mehr für dich zu empfinden. Vielleicht auch ein bisschen mehr als ich als pädagogischer Mitarbeiter für einen Patienten empfinden sollte, aber sollte ich es verstecken können? Ich meine wir hätten uns auch auf der Straße begegnen können, dann hätte niemand danach gefragt, aber wer weiß das noch in diesen Zeiten." „Ich weiß es nicht", Adrian starrte seine Hände an und setzte dann rasch nach: „Also ich meine, wer dagegen protestiert gerade. Ich meine wir sind beide alt genug, um nichts Illegales zu machen und es sind dann doch nur irgendwo fünf Jahre und nicht zehn und ich erwidere doch schon deine Gefühle."
Sie verfielen wieder ins Schweigen, aßen ihre Suppe auf und wussten nicht wirklich was sie sagen sollten. „Aber ich muss dir was sagen", brach schließlich Adrian schließlich das Schweigen: „Ich würde gerne eine Beziehung mit dir führen, ich kanns mir gut vorstellen. Aber ich bin asexuell."