Das Essen verlief nun wieder etwas ruhiger. Auch wenn Elon sich durch alles hindurch futterte und Mila kaum etwas hinunterbrachte. Ihrer Mutter war anzusehen wie wenig ihr die Gesellschaft gefiel und so war Mila beruhigt, als das Essen endlich beendet war und ihr Vater meinte: „Hase, geh doch mit Elon noch nach oben, dann kannst du ihm seine Sachen wiedergeben."
Mila nickte und erhob sich vom Esstisch und blickte abwartend zu Elon.
Dieser trennte sich nur schwerlich von seinem Panna Cotta, welches er sich genüsslich von Teller kratzte, ehe er sich erhob, um Mila zu folgen.
Dafür kassierte er einen weiteren, skeptischen Blick von Milas Mutter und als er Mila folgte, konnte er die beiden noch sprechen hören.
„Bist du dir sicher, dass das eine gute Idee ist? Sie allein zu lassen?", wollte die Mutter nicht erfreut wissen. Elon hörte nicht, was Jonathan sagte, da er Mila bereits eine gebogene Treppe hinauf in die zweite Etage folgte.
Hier wirkte alles sehr darauf bedacht schön zu sein. Als würde Elon sich in einem Museum befinden. Wie konnte man sich so heimisch fühlen?
Das fragte er sich auch noch, als er Milas Zimmer betrat. Dort sprang ihm eine Wand voller Fotografien entgegen. Sonst war die Wand gegenüber der Tür gesäumt von Schränken mit Büchern. Links der Tür gab es einen Schreibtisch unter einem Fenster und rechts ein Himmelbett in Lavendel. Außerdem eine Tür zu einem Balkon.
„Dafür, dass ihr bald wieder umzieht, hast du dich hier ja ganz schön häuslich eingerichtet", meinte Elon und blickte sich neugierig in dem Raum um, als er sich probeweise auf das Bett setzte und rauf und runter wippte.
„Was hast du erwartet? Ein Zimmer voller Kisten?", wollte sie wissen. „Die werden mir gepackt, wenn wir wieder umziehen. Das geht eigentlich recht schnell. Das einzige, was ich selbst einpacke sind meine Erinnerungsstücke", erklärte Mila leise und trat auf einen kleinen Schrank zu. Dort lagen Elons Sachen gleich neben der altmodischen Kamera, die ihr Vater ihr einmal geschenkt hatte. Ein Erbstück ihres Großvaters, der Fotograf war. Damals hatte sie sich selbst daran ausprobiert. Ihre damals sehr teure Digitalkamera stand fast daneben.
Der Blonde erhob sich langsam, um auf Mila zuzutreten. Allerdings hielt er nicht vor ihr sondern dem Schrank inne.
„Ist das eine Zorki fünf?", fragte Elon erstaunt und blickte fasziniert durch das Glas der Vitrine auf das alte Sammlerstück.
„Ja, ist es. Sie gehörte meinem Großvater", erklärte Mila mit einem Lächeln, ehe sie nach Elons Kleidern griff. Ein wenig würde sie den langen Pullover vermissen. Er war sehr bequem gewesen. Vielleicht sollte sie sich so etwa auch für zuhause kaufen? Wobei ihre Mutter das wohl nicht gutheißen würde.
„Die sieht sehr gut erhalten aus. Er muss sie gut gepflegt haben", murmelte Elon, vertieft in die feine Gravur des Apparates. „Aber es stimmt wohl, dass man sich mit Geld alles kaufen kann."
„Gegenstände kann man sich kaufen, aber Anerkennung und Liebe muss man sich trotzdem erarbeiten", murmelte Mila und hielt Elon seine Sachen entgegen.
„Hast du das aus einen von diesen Sprüche-Kalendern?", lachte Elon leise und nahm den Beutel entgegen. „Benutzt du sie gar nicht?", fragte er nun und schien den Blick von der Apparatur nicht abwenden zu können.
„Ich habe früher sehr gern fotografiert. Aber mir fehlt mittlerweile die Zeit dazu. Und ich möchte sie nicht kaputt machen. Es gibt für sie kaum noch Einzelteile oder Leute, die sie reparieren können", erklärte Mila ein wenig wehmütig.
„Wie du meinst", gab Elon zurück und ging einige Schritte durch Milas Zimmer. „Aber ein solches Stück im Schrank verstauben zu lassen, grenzt an eine Sünde. Du könntest sie ja auch... einem benachteiligten Nachbarn schenken, was weiß ich?", mutmaßte Elon unschuldig und hielt vor dem großen Bücherregal inne, um wahllos ein Buch herauszufischen und darin rumzublättern.
Astrologie, wie er feststellen musste.
Mila verzog den Mund. „Wenn du lieb bist leihe ich sie dir vielleicht, aber sie ist ein Erbstück, ich werde mich hüten sie in die falschen Hände zu geben und kaputt wiederzubekommen."
Empört stellte Elon das Buch zurück und warf Mila einen ernsten Blick zu. „So wie ich das sehe ist sie im Augenblick in den falschen Händen. Wenn du sie nicht pflegst, geht sie eher kaputt als wenn du sie benutzt", verteidigte sich Elon anklagend und ließ nun seinen Blick über die Sammlung an Büchern schweifen. „Was liest du eigentlich so?"
„Ich pflege sie regelmäßig. Sie ist noch voll funktionstüchtig", erklärte Mila, allerdings so, als wäre es ihr egal, was Elon darüber dachte. Die Frage ließ sie bewusst aus, denn sie wusste, dass er von Romanen oder Unterhaltungsliteratur sprach, doch davon besaß sie kaum Bücher. Lediglich einige Bände, die sie zum Geburtstag erhalten hatte. Bisher hatte ihr aber die Lust und Zeit zum Lesen gefehlt.
„Ein gesunder Vogel, den du in einen engen Käfig sperrst, braucht auch ab und an einen Ausflug. Ganz egal wie gesund er eigentlich ist", beharrte Elon und schien irritiert von Milas Büchersammlung. „Hast du die Schulbibliothek ausgeraubt?", fragte er sarkastisch und deutete auf das große Regal, ehe er sich auch davon abwandte.
Mila lachte leise. „Ich habe auch Bücher über Fotografie", erklärte sie und deutete auf ein weiteres Regal, das jedoch geschlossen war. So wie er über ihr Erbstück sprach, schien er sehr interessiert an diesen Dingen.
„Ich muss gestehen, ich bringe mir die Mechaniken immer selbst bei, durch Ausprobieren. Aber ich recherchiere natürlich gerne wegen Modellen", erklärte Elon und blickte aus dem Balkonfenster. Ob Mila wusste, dass sein Zimmer von hier aus zu sehen war? Er wohnte hier schließlich schon seit Ewigkeiten und kannte seine Aussicht, doch Mila tat auch nie etwas, was es spannend machen würde ihr Zimmer zu beobachten.
„Dann werden dich die Bücher weniger interessieren, denke ich", erklärte sie und beobachtete Elon, wie dieser durch ihr Zimmer lief. Es war sehr ungewohnt, da sie hier noch keinen Besucher hatte und normalerweise auch niemanden lange auf ihrem Zimmer bleiben ließ.
„Klingt als hättest du doch mehr Interesse am Fotografieren, wenn du sogar Bücher darüber hast", warf Elon ein und besah sich den Geigenkasten, welcher in einer Ecke stand.
„Fotografieren macht Spaß", erklärte Mila und ließ sich auf ihr Bett nieder, da Elon scheinbar noch kein Interesse daran hatte, seine Kleider entgegenzunehmen.
Nun wandte Elon ihr seinen Blick zu und sah sie rätselnd an.
„Gibt es überhaupt irgendwas was dir Freude macht? Du scheinst alles anzufangen aber wirkliche Begeisterung kommt nicht hoch."
„Ob ich Begeisterung für etwas habe oder nicht, ist ja relativ egal. Wenn meine Mutter will, dass ich es mache, mache ich es und wenn sie es nicht will, höre ich auf", erklärte sie und zuckte die Schultern. Das Fotografieren hatte sie auch nur deshalb aufgegeben, weil ihre Mutter es für Zeitverschwendung gehalten hatte und diese Zeit lieber mit sinnvolleren Dingen gefüllt hatte.
„Ist das deine Antwort auf alles? Dir ist doch hoffentlich klar, dass das ein extrem ungesunder Lebensstil ist, den du da hast", wandte Elon ein und blickte Mila abwartend an.
Mila zuckte die Schultern. „Mutter weiß schon, was das Beste für mich ist. Sie will nur, dass ich meine Zeit sinnvoll nutze."
Elon seufzte laut, als würde er es aufgeben. „Ich meine nur, egal wie gut es für dich sein soll. Du solltest selbst entscheiden was du tun willst", wandte er ein und nahm wieder auf dem Bett Platz. „Deine Mutter wird nicht immer da sein, um dir zu sagen was du tun sollst."
„Aber solange sie da ist, werde ich ihr die Tochter sein, die sie sich wünscht", beharrte die Rothaarige und blickte Elon ein wenig von der Seite an. Warum setzte er sich jetzt zu ihr und warum genau versuchte er sie davon zu überzeugen, dass sie ihrer Mutter wiedersprechen sollte? Vielleicht meinte ihre Mutter das mit schlechtem Umgang. Aber sie würde sich von ihm nicht zu Dummheiten verleiten lassen.
„Auch wenn es dein Leben kaputt macht?", fragte er unverständlich und schüttelte leicht den Kopf.
„Das...", sagte Mila mit Bedacht: „...entscheide immer noch ich selbst."
Elon nickte langsam und erhob sich, als er den Beutel mit den Klamotten umklammerte. „Ja, da hast du recht. Es ist deine Entscheidung. Also entscheide dich auch richtig", antwortete er ernst und blickte Mila noch eine Weile an, ehe er ihr Zimmer wieder verließ.
Mila blieb sitzen und blickte ihm hinterher. Es war seltsam, dass jemand so mit ihr sprach. Sie kannte es nicht. Sonst hatte jeder sie immer nur dafür gelobt, wie wohlerzogen sie doch war und dass sie so gut auf ihre Mutter hörte. Elon hingegen schien das anders zu sehen und seine Worte beschäftigten sie. Sich richtig entscheiden. Was meinte er nur damit?
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Wie gefällt euch die Atmosphäre dieser Szene? Wie würdet ihr diese beschreiben?
Könnt ihr euch Mila vorstellen, wie sie fotografiert?