Stichwort: Vertrauen, 17.08.2021
Vorbemerkung: Im folgenden Text werden Elemente der japanischen Kultur zitiert, was ich als Verneigung und Ausdruck meiner Faszination sehe. Ich bin mir des Problems der kulturellen Aneignung und meines westlich geprägten, weißen Blickes bewusst. Daher bitte ich diese Erzählung, als das zu verstehen, was sie ist, eine Phantasie, die keinen Anspruch auf Korrektheit und Vollständigkeit der vorkommenden Elemente erhebt. Keinesfalls ist es meine Absicht Gefühle zu verletzen. Sollte ich das dennoch tun, bitte ich um eine Privatnachricht, damit wir gemeinsam eine Lösung erarbeiten können.
Die Meisterin betrat den Raum in weißen Keiko-Gi und indigoblaue Hakama gehüllt. Ehrfürchtig knieten ihre Untergebenen mit gesenkten Blicken auf den Tatami-Matten. Gehorsam waren sie ihrem Ruf gefolgt. In ihrem Gürtel trug sie ein Katana und die dazugehörige Saya. Sobald die Meisterin an ihnen vorbei glitt, warfen sie sich gänzlich zu Boden. Im Seiza setzte sie sich vor ihnen. Mit einer Verbeugung begrüßte sie die Ihren. „Kniet aufrecht“, forderte sie sie danach auf. Zehn Auserwählte, fünf Männer und fünf Frauen hatte sie an jenem Abend zu sich gebeten. Mit einer Handbewegung bedeutete sie ihnen im Seiza zu bleiben. „Ihr wisst, weshalb ich euch heute eingeladen habe?“, fragte sie. „In der Zeremonie sollen wir unsere absolute Ergebenheit Euch gegenüber unter Beweis stellen“, erwiderte ihr der Ranghöchste unter den Männern. Sie alle saßen nach der Ehre geordnet, die ihre Meisterin ihnen verliehen hatte. Die Abzeichen auf ihren weißen Keiko-Gis und die Farbe ihres Gürtels deuteten auf die Prüfungen hin, die ihre Meisterin ihnen bereits auferlegt hatte. Auch für Prüfungen, die sie nicht bestanden hatten, trugen sie entsprechende Abzeichen ihrer Schande, sie sie erst entfernten, wenn diese schließlich getilgt war. Eine Enttäuschung, die sie ihrer Meisterin bereitet hatten, wurde hart bestraft.
Nach einigen Jahren der Ausbildung hatten sie alle gelernt gut zu dienen, doch von Perfektion waren sie noch weit entfernt. „Manche von euch werden am heutigen Abend eine neue Stufe in der Kunst der Unterwerfung erreichen“, verkündete sie feierlich, „Schreckt ihr zurück, vor dem was ich verlange, gebe ich euch jetzt die Gelegenheit das zuzugeben. Ich werde euch dafür nicht zeichnen. Versagt ihr allerdings in der Prüfung selbst, werde ich euch meine Enttäuschung spüren lassen. So frage ich euch nun, seid ihr bereit? Wer dies nicht ist, stehe auf und verlasse nun das Dojo.“ Manche schienen kurz nachzudenken, doch letztlich blieben sie alle. Sie alle waren zu weit gekommen um jetzt einen so wichtigen Schritt nicht zumindest zu versuchen. Ihnen allen waren die Konsequenzen eines Scheiterns vollauf bewusst. Schweigend verharrten sie im Seiza.
Was nun folgte kannten sie bereits aus zahlreichen Lektionen und Prüfungen, die sie auf ihrem Weg bereits abgelegt hatten. Die Meisterin rief ihre persönliche Dienerin herbei, die ihr für jeden der Kandidaten drei Seile aus Hanf brachte. Wie immer vor einem so wichtigen Ereignis übernahm die Meisterin das Fesseln der Takate Kote selbst. Mithilfe der Seile band sie ihnen die Arme auf den Rücken. Mittlerweile hatten sie gelernt sich der Fesselung hinzugeben, sodass sie intuitiv zum richtigen Zeitpunkt die Muskeln anspannten, die ihnen zu einem angenehmen Sitz der Seile an ihrem Körper verhalfen. Das und nichts anderes erwartete die Meisterin auch nachdem sie schon so lange miteinander geübt hatten. Dennoch huschte ein leicht zufriedener Blick über ihr Gesicht, nachdem sie alle gefesselt hatte. Demütig zu Boden blickend knieten sie nun vor ihr. Nachdem die Meisterin ihr Werk nochmals inspiziert hatte, winkte sie abermals ihre Dienerin herbei. „Man bringe mir meine Messer“, befahl sie ihr, „Ich brauche alle meine Tanto-Klingen, sowohl die einschneidigen, die zweischneidigen, als auch die mit Stichblatt und dazu das Kaiken.“ Sofort eilte die Dienerin los um ihrer Meisterin alles zu holen. Ihre Untergebenen kannten die Messer der Meisterin, hatten sie ihr doch oft genug beim Training mit diesen assistiert. Zu ihren Aufgaben dabei gehörte es die Klingen vorzubereiten und danach zu reinigen, zu pflegen und scharf zu halten, sowie der Vorbereitung der Übungsziele, an denen die Meisterin ihre Kampftechniken verfeinerte. Ein jedes dieser Messer war eine tödliche Waffe. Auf einem Tuch breitete die Dienerin die verschiedenen Klingen vor der Meisterin aus. Der Großteil ihrer Untergebenen sah bereits jetzt angstvoll dort hinüber. „Ich werde euch gleich die Augen verbinden, ihr haltet ab dann still, was auch geschieht, solange bis ich euch die Augenbinde wieder abnehme“, erläuterte sie ihnen den weiteren Verlauf der Prüfung. Dem folgte eine bedeutungsschwere Stille, damit die Kandidaten den Anblick der Messer ein wenig auf sich wirken lassen konnten. Danach gab sie der Dienerin ein Zeichen ihr die Augenbinden zu bringen. Das Anlegen übernahm sie wiederum selbst, was der Bedeutung dieses Anlasses nur gerecht wurde. Sobald sie allen die Sicht genommen hatte, ließ sie ihre Untergebenen abermals ein wenig warten.
Kaltes Metall drückte sie ihnen gegen die Haut. Einem jeden ließ sie zunächst die Breitseiten der verschiedenen Messer spüren, angefangen beim kleinen Kaiken bis hin zu ihrem größten Tanto. Sie begann an Händen sie damit gewissermaßen zu streicheln. Danach arbeitete sie sich in Richtung oberer Brustbereich und Hals vor. Dem Hals widmete sie sich bei einem jeden besonders liebevoll, solange bis sie aufhörten furchtsam zusammen zu zucken. Vom Ranghöchsten bis zum Rangniedersten wiederholte sie dies. Diese erste Runde überstanden alle Kandidaten zu ihrer Zufriedenheit. „Sehr gut, ihr zeigt Vertrauen, das gefällt mir“, lobte die Meisterin ihre Untergebenen. Nun war wieder der Ranghöchste an der Reihe. Sie kitzelte ihn direkt mit ihrem größten Tanto am Hals, wobei sie jetzt langsam das Gesicht mit hinzunahm. Sogar den Augen kam sie dabei recht nahe. Der Mann blieb jedoch völlig ruhig, weshalb die Meisterin schon bald wieder von ihm abließ. Mit den Übrigen verfuhr sie in ähnlicher Weise. Manche schafften es ebenfalls recht schnell die Meisterin zufrieden zu stellen, bei anderen dauerte es länger bis es ihnen gelang ihre Furcht zu überwinden. An diesem Tag jedoch war die Meisterin geduldig, denn ihr war bewusst, welch großen Schritt sie ihnen heute abverlangte. Bei manchen hatte sie kurzzeitig ihre Zweifel, ob sie es schaffen würden, doch schließlich bestanden alle auch diesen Teil der Prüfung. Zur Belohnung gönnte sie ihnen eine kurze Pause, denn die nächste Runde hatte es in sich. „Ich bin soweit zufrieden mit euch, ihr habt in eurer Ausbildung viel gelernt“, während sie sprach gab sie ihrer Dienerin ein Zeichen. Bis diese der Meisterin von jeder Sorte ein weiteres Messer gebracht hatte, verharrte die Meisterin in Meditation. Die Griffe dieser Messer waren mit einem blauen Band markiert.
Nachdem alles vorbereitet war, nahm die Meisterin das Kaiken mit dem blauen Band zur Hand. Einmal mehr schritt sie als Erstes zum Ranghöchsten ihrer Untergebenen. Sie legte ihm das Messer an den Hals, dies Mal jedoch nicht die Breitseite, sondern die Klinge. Mit einer geschmeidigen Bewegung ließ sie die Klinge über seine Haut gleiten, von einer Halsschlagader über den Kehlkopf zur Halsschlagader auf der anderen Seite. Da er zitterte wiederholte sie dies, bis er schließlich ruhig blieb. Im Bereich seiner Halsschlagader führte sie danach das Messer entlang des Verlaufes des Gefäßes, erst links, dann rechts. Regungslos ließ er das über sich ergehen. Daraufhin ging sie zu seinem Gesicht über, wobei sie von der Stirn über die Nase weiter in Richtung Wangen und Lippen vorging. Nun hatte er den Zustand völliger Hingabe erreicht. Bereitwillig bot er ihrem Messer dar, was sie verlangte. Daraufhin ließ sich die Meisterin von ihrer Dienerin ein größeres Tanto, das ebenfalls mit einem blauen Band versehen war, geben. Damit ging sie den gleichen Weg über seine Haut in umgekehrter Reihenfolge, wobei sie jetzt sich auch im Bereich zwischen Schlüsselbeinen und Brustwarzen zu schaffen machte. Frei von jeder Angst verharrte er dabei völlig still. Da er ihre Erwartungen nunmehr erfüllt hatte, ließ sie ab von ihm. Entsprechend der Reihenfolge ihres Ranges kamen nun die Übrigen an die Reihe. Je nachdem wie lange sie brauchten um ihre Furcht zu überwinden ließ die Meisterin die Klinge entsprechend oft über ihre Haut gleiten. Vor allem bei den Rangniederen, denen es noch ein wenig an Erfahrung fehlte, aber von der Meisterin für jenen Abend zugelassen worden waren, weil sie sich durch Begabung hervorgetan hatten, dauerte es etwas länger. Zweien rannen sogar Tränen die Wangen hinab. Nur mit Mühe schafften sie es nicht zu laut zu weinen, was ihr sofortiges Versagen bedeutet hätte. Es war ein harter Kampf, doch sie blieben letztlich tapfer bis sie der Meisterin ihre Ergebenheit bewiesen hatten. Selbst das große Tanto gelang es ihnen hinzunehmen. Diese Steigerung innerhalb von Minuten beeindruckte die Meisterin tatsächlich ein wenig. Vom Ranghöchsten bis zum Rangniedersten, alle fünf Frauen und fünf Männer bestanden schließlich.
„Meine Glückwünsche, ihr seid ab heute allesamt keine einfachen Schüler mehr, sondern dürft wählen, welche Bereiche ihr perfektionieren wollt“, gab die Meisterin das Ergebnis bekannt, „Ihr habt weiterhin viel zu lernen, aber die wichtigsten Lektionen habt ihr verinnerlicht, wie ihr eben bewiesen habt.“ Danach nahm sie einem nach dem anderen die Augenbinden ab. „Ich habe euch alle mit der Schneide berührt, doch seht her, hat irgendjemand von euch Wunden?“, fragte sie ihre Untergebenen. Es nicht wagend zu sprechen schüttelten sie schweigend den Kopf. „Die Messer, die meine Dienerin mir gebracht hat, waren niemals scharf. Sie tragen ein blaues Band um den Griff zur Kennzeichnung, dass sie stumpf sind. Ihr habt euch zu keinem Zeitpunkt in Gefahr befunden“, erklärte sie ihnen, „Ohne dieses Wissen habt ihr euch in meine Hände begeben und habt euch mir völlig anvertraut. Damit habt ihr die wichtigste Fähigkeit in der Schule von Unterwerfung und Hingabe unter Beweis gestellt. Von diesem Abend an stehen euch zahlreiche Wege offen. Was ihr braucht um eure Entscheidung diesbezüglich zu treffen, wisst ihr jetzt. Zeit, dass ihr eure Belohnung empfangt.“ Sie löste einem jeden die Fesseln. Eine letzte gemeinsame Verbeugung beendete die Zeremonie. Allerdings war der Abend weder für Meisterin noch Untergebene damit beendet. Sie nahmen sich gegenseitig in die Arme, küssten sich, gaben einander die Nähe, die sie gerade brauchten. Vor allem die Meisterin war sehr darauf bedacht ihnen allen das Gefühl zu geben in Sicherheit zu sein. Mittlerweile jedoch kannte sie ihre Leute und deren Bedürfnisse gut genug um sie vom Schwebezustand der absoluten Unterwerfung wieder sicher zurück auf den Boden der Realität zu bringen. Beim Auffangen wurde ihr erst klar, wie viel langwierige Arbeit sich an jenem Abend endlich gelohnt hatte.