Xalflax sollte seine Freiheit erlangen. Doch der Preis dafür war hoch, sehr hoch, vielleicht zu hoch.
Endlose Jahre voller Schufterei und Demütigungen lagen bereits hinter Xalflax, bevor er endlich den entscheidenden Schritt seiner Rache vollführen konnte. Mit erst sechzehn Jahren hatte er die täglichen Abläufe des Kolonialhauses, dem er diente perfekt in seinem Kopf gespeichert. Die täglichen Routinen im Haus waren sogar erschreckend exakt. Selbst die Toilettengänge waren durchgetaktet. Nach all den Jahren wusste er genug, um vorhersagen zu können, wann Ketho und seine drei Schwestern aufzustehen pflegten, wann sie ihr Frühstück zu sich nahmen und was sie am liebsten aßen. All das und wesentlich wichtigere Dinge prägte sich Xalflax genauestens ein. An einem bestimmten Morgen war es dann endlich soweit. Alles schien normal, wie immer. Routine eben. Xalflax schrubbte gerade zusammen mit einer seiner Schwestern den Küchenboden, als plötzlich lautes Geschrei in der Küche ausbrach. Der Kolonialvater rannte mit weit ausgestreckten Armen um den großen, runden Esstisch herum. Er lief zu seinem Sohn, der gerade zusammenbrach und mit den Händen um den Hals vom Stuhl rutschte. Die Schwestern schrien hysterisch durcheinander, während die zwei Mütter die Hände vors Gesicht schlugen. Ketho keuchte am Boden und verdrehte die Augen. Aus allen Körperöffnungen kam Blut geflossen. Sein Vater schüttelte ihn heftig und verzweifelt. Er goss ihm Wasser ins Gesicht und versuchte ihm das Atmen zu erleichtern. Doch all das war vergebens. Ketho würde nie wieder einen Atemzug tätigen. Er wurde vergiftet und nicht nur er, sondern sie alle. Aber Ketho bekam die höchste Dosis. Xalflax genoss die Dramatik des Augenblicks in vollen Zügen. Er umfasste das Handgelenk seiner Schwester, die eifrig und gehorsam zu Hilfe eilen wollte, um sie davon abzuhalten, ins Geschehen einzugreifen. Sie schaute ihn ungläubig und voller Unverständnis an. Wusste er denn nicht, dass dieser Tod auf sie, als Sklavenfamilie zurückfallen würde? Xalflax lächelte, doch seine Augen waren eiskalt. Er hielt seine Schwester weiterhin mit eisernem Griff fest. Langsam dämmerte seiner Schwester, was er getan hatte. Sie erstarrte vor Angst und flüsterte; „Was hast Du nur getan Flax? Wir sind tot, wir sind tot!“
Er beugte sich zu ihr herunter und sagte mit bebender Stimme: „Nenne mich nicht bei diesem Sklaven Namen! Ich habe uns befreit, wir sind jetzt frei! Verstehst du das nicht, du Dummerchen?“
In dem Moment kippten auch die anderen Familienmitglieder röchelnd an ihren Plätzen zusammen. Eine grausame Szene. Nicht für Xalflax. Er ließ seine schluchzende Schwester los. Sie lief direkt zum Kolonialvater und versuchte ihm das Atmen zu erleichtern. Doch es war vergebens, er schleuderte sie einfach zur Seite. So ein Dummerchen, dachte Xalflax. Auch der Hausvater schien allmählich zu begreifen, was hier gerade geschah. Während er den leblosen Körper seines einzigen Sohnes in Händen hielt und selbst röchelnd nach Luft rang, sah er in die blutenden, weit aufgerissenen Augen seiner Frauen und Töchter. Xalflax hielt inne und atmete scharf ein. Er erlebte soeben ein Dechavue.
Das Geschrei erstarb. Die blutigen Kadaver der Familie lagen am Boden durcheinander. Die Luft roch nach Eisen und verdorbenen Eiweiß. Nur der Kolonialvater trotze noch dem Tod. Sein letzter verschwommener Blick galt Xalflax, den er als Übeltäter dieser Ungeheuerlichkeit ausmachte.
Hustend und würgend kroch er auf Xalflax zu. Drei Meter, zwei Meter und dann war Schluss. Endlich herrschte Stille, bis auf das leise Wimmern seiner kleinen Schwester, die ihr Gesicht in ihren Händen vergrub. Aber auch das erstarb.
Die gespenstische Stille in der großräumigen Küche war trotzdem ohrenbetäubend.
Das waren also Rache und Gerechtigkeit, dachte Xalflax. Die Aufregung und das Hochgefühl vergingen leider schnell. Bei diesem Anblick war die erhoffte Erlösung für Xalflax ferner denn je.
Xalflax starrte noch eine ganze Weile die leblosen Körper an. Er wusste, was er getan hatte und empfand es einerseits als ausgleichende Gerechtigkeit und andererseits als unbedingte Notwendigkeit.
Nun war er ein Mörder, eiskalt und gerissen zu gleich. Etwas, womit er von jetzt an würde leben müssen.