Als sie so da saßen, während der Regen auf die Plane über Omoktoplon und auf En Davids Kopf prasselte, begann Omoktoplon ein Gespräch über das Leben in Ed Bad. Er schien sich verblüffend gut auszukennen, doch er hatte seine Fragen und das, was er von En Davids Vater Seneor gehört hatte, hatte einige Ungereimtheiten aufgeworfen.
Nach einigen Fragen, die zu sehr ins Detail gehen, um hier niedergeschrieben zu werden, fragete der Mann aus dem Wald: "Wie geht es dem Tyrannen?", es war eine merkwürdige Frage, Omoktoplon machte sie merkwürdig in der Art, wie er sie aussprach. Doch En David störte sich nicht daran, sondern antwortete ruhig: "Falls du Ian, den Zweiten, meinst, so ist er vor drei Jahren gestorben, doch sein Sohn hat die strenge Herrschaft übernommen und führt sie noch viel strenger fort. Man nennt ihn nicht umsonst Lurian, den Schrecklichen. Er hat sich viele Frauen genommen, auch junge Mädchen, die nicht mehr als zehn Sommer zählten. Und er hat auch seinen Gefolgsleuten die schönsten Frauen des Landes gegeben. Er hält das Volk gut in Schach, soweit die Straßen reichen. Auf dem Lande lässt es sich noch leben, auch wenn hohe Steuern eingetrieben werden. Man tut gut daran, seine Kinder zu verstecken, wenn man ihre Fanfaren hört. Ich will mir keine Vorstellungen davon machen, wie es im Zentrum des Landes aussieht. Ich habe von grausamen Hinrichtungen gehört, wenn jemand seine Steuern nicht zahlen kann. Ganze Familien soll er getötet oder Schlimmeres mit Frauen und Kindern getrieben haben. Ihr Land wurde für gewöhnlich einem der Fürsten zuteil. Lurian und seine Leute lassen es sich gut gehen, feiern rauschende Feste und lassen das restliche Volk am Hungertuch nagen. Man kann nur hoffen, dass ihn einer seiner Anfälle früher als erwartet dahinrafft."
Omoktoplons Augen hatten sich mit Tränen gefüllt, ob der Heftigkeit, mit der diese Nachrichten ihn trafen. Dass En David davon nicht oder nicht mehr gerührt war, ließ die Worte von Grausamkeiten noch härter auf seinen Gesprächspartner wirken. Dennoch hatte der letzte Satz sein Interesse geweckt: "Was sind das für Anfälle, von denen du sprichst?"
En David war sich nicht sicher, worauf Omoktoplon hinaus wollte: "Er hat Luarix. In der Stadt hat fast jeder diese Krankheit. Und sie ist ja auch der Grund für die Herrschaft der Ianer. Sie können Linderung verschaffen, wenn man ihre Gunst gewinnt, doch wer ihren Zorn auf sich zieht, der kommt nicht an das Gegenmittel. Abgesehen davon wirkt dieses Mittel nicht mehr so gut, seit auch Eniomad gestorben ist."
Omoktoplon war bestürzt: "Das wundert mich, dass dein Vater nie davon erzählt hat. Ich wusste natürlich, dass Luarix bei euch ausgebrochen war, aber aus den Erzählungen Seneors habe ich immer herausgehört, die Epidemie sei besiegt oder zumindest eingedämmt worden. Von Eniomad hat dein Vater auch erzählt, aber war er nicht ein Zauberer und kein Arzt?"
En David war etwas verwirrt: "Er ist ein Heiler gewesen, ein Medizinmann, der den Leuten durch Elixire und damit verbundene Beschwörungen helfen konnte. Und er war der einzige, der die Linderung von Luarix richtig beherrschte."
Die Bestürzung des Mannes, der im Trockenen saß, verwandelte sich in ungläubige Verwunderung: "Du sagst, dass es keine Heilung für Luarix bei euch gibt? Ihr lebt mit dieser Krankheit, bis zum Tod? Bei uns gab es auch einen Ausbruch dieser Krankheit, bevor ich geboren wurde, doch die Verbreitung wurde gestoppt, als einer unserer Ärzte ein Heilmittel fand. Wenn wir diese Heilung nach Ed Bad bringen, dann wird Lurian seine Macht verlieren. Das ganze Volk wird ihm weglaufen und wenn er noch so viele loyale Fürsten hat."
Diese Wendung berührte En David unangenehm. Hier fing wieder die alte Leier an, er solle das Königtum zurück in die Hand der Eyaded bringen. Zwar ging ihm das Schicksal seines Volkes nahe, soweit ihm etwas nahe gehen konnte, doch er wollte nicht diesen nächsten Schritt gehen. Warum sollte ausgerechnet er diese Heilung bringen. Warum sollte er diese Information nutzen, um eine Macht an sich zu bringen, die er sich nicht wünschte, ja, der er sich noch weniger gewachsen sah. Er sagte nichts und die beiden Reisenden verfielen in ein nachdenkliches Schweigen.
Der Regen hatte indes aufgehört und er fand, dass es Zeit für etwas zu Essen war. So nahm er ein paar Urugus aus seinem Sack, die er mit seinem Messer in Mundgerechte Stücke schnitt, und aß. Er bot auch seinem Gefährten etwas an, der aber ablehnte. En David setzte sich zu ihm unter die Plane, wo es nun, da die Sonne durch das Blätterdach über ihnen schien, sehr angenehm war, vor allem, weil er sich an den kühlen Felsen lehnen konnte.
Da Omoktoplon nichts weiter sagte und auch in Gedanken versunken schien, streckte En David sich schließlich aus und versuchte ein wenig zu dösen. Es schien ihm in diesem Moment sehr gemütlich in diesem warmen Wald, ein schöner Ort für ein Nickerchen. Er schlief auch bald ein und träumte von Männern und Frauen, die noch dünner waren als Omoktoplon, nurmehr Haut und Knochen. Sie liefen fast nackt im Wald umher, hausten in Nestern auf Bäumen, ihr König hing wie ein Faultier an einem Ast und ließ sich eingelegte Pilze servieren. Irgendwo dazwischen entdeckte En David seinen Vater, der eingesperrt zu sein schien, in einem Käfig aus Weidengeflecht, in dem man ihn begaffte wie ein seltenes Tier. En David wollte zu ihm rennen, doch er war nicht in der Lage sich zu bewegen.