Und wie es kommen musste, Nišō leerte in aller Ruhe den Zweig, sogar noch einen weiteren, der hinausragte und daher vor jeder Hand sicher gewesen war und voll beladen in der Sonne hing. Dann zog er sich zurück und stampfte mit seinen großen Füßen über ein paar niedrige Zweige nah am Boden. Es knackte, knirschte und ein paar Blätter raschelten. Er schaffte es nicht heraus, vorher stolperte er und blieb mit der Schnur am Hals hängen. Der Beutel riss halbseitig auf und sämtliche gesammelten Beeren entleerten sich wie eine riesige losgetretene Gerölllawine über seinen bloßen Arm, der noch immer im Busch steckte. Die Beeren kullerten in alle Richtungen, fielen raschelnd durch das Blattwerk nach unten und blieben im halb verrotteten Untergrund rund um die Wurzeln des Strauches liegen.
Auch das noch.
Er blieb wie von der Himmelstrommel erschreckt sehen. Nur ein falscher Schritt und er würde sämtliche guten Beeren unter seinen Füßen zerquetschen, verdammt. Und das Schlimmste war: alle hatten diese Ungeschicklichkeit gesehen. Die Jüngeren waren zwar beeindruckt gewesen von seiner Waghalsigkeit, aber jetzt lachten sie über seine Tollpatschigkeit. Die älteren Sammler nahmen ihre Tätigkeit wieder auf und schüttelten den Kopf, kein Mitleid mit einem, der für seine Tollkühnheit bestraft wurde. Ihm stiegen beinah die Tränen in die Augen. Dann sank er in die Hocke und fing an die Beeren einzusammeln. Es war schwer, denn jedes Mal, wenn er mit seinen viel zu riesigen Fingern nach den winzigen Kügelchen greifen wollte, fielen diese nur noch tiefer und versteckten sich regelrecht unter langen Halmen und Wurzeln. Ein paar winzige Dornschwänze flüchteten vor seinen grabschenden Fingern weiter zwischen die Stammäste des Beerenbusches. Es dauerte eine halbe Ewigkeit die meisten der heruntergefallenen Beeren, die die er noch wiederfinden konnte, einzusammeln - noch mal. Und in Ermangelung eines tragbaren Korbes hielt er einen Teil noch immer in den Händen, als er sich erhob. Blau-violette Flecken auf den Armen und überall an den Fingern zeugten von der rohen Art, die armen kleinen Beeren viel zu hart angefasst zu haben, während er sich über sich selbst ärgerte.
Er war kein Kitz mehr, welchem andauernd ein Missgeschick verziehen wurde. Wie zum Beispiel beim Rückwärtsgehen den Korb mit Früchten umzustoßen. Als er sich den anderen anschloss, als sie zurückgingen zum Lager, überlegte er ernsthaft, ob er seine karge Beute überhaupt teilen konnte. Normalerweise sammelten alle für alle, ebenso wie jeder Jäger einen Teil des Fleisches erhielt und die übrigen Familienmitglieder einen Anteil. Aber niemand sagte etwas, wenn man während des Sammelns schon von den Beeren für sich aß. Er könnte einfach beide Hände voll in den Mund stopfen und es als seinen Anteil abstreichen. Aber dann würde er auch nichts von dem bekommen, was die anderen womöglich gesammelt hatten. Und er wusste, dass eine Gruppe heute Mandeln gepflückt hatte und wollte er darauf wirklich verzichten? Und soweit er mitbekommen hatte, hatte auf dem Hinweg eine der Jüngeren auch einen Baumstamm voller Pilze entdeckt, war es Fael gewesen? Es wäre so wunderbar wenn demnächst auch mal wieder jemand einen ganzen Haufen von Maden und Larven entdecken würde. Ohne die Jagdbeute brauchten sie die kleinen, fleischigen Dinger dringender denn je. Früher waren sie eher eine nette Dreingabe. Aber wenn man keine frischen Innereien und gut abgehangenes Fleisch hatte, dann musste man eben das Kleine auch zu schätzen wissen.
Sein Leben war wahrlich alles andere als einfach. Aber es war auch schön. Meistens. Wenn man nicht gerade so unglaublichen Hunger hatte, dass man freiwillig an einem Steilhang herumhangelte. Und das völlig erfolglos und am Ende umsonst. Völlig geknickt schlurfte Nišō zwischen den anderen Sammlern weiter.