Es war kalt. Und der Untergrund, auf dem sie lag, fühlte sich überraschend hart an. Viel härter, als es bei ihrem Bett der Fall sein sollte. Stöhnend öffnete Hermine die Augen. Stein. Rauer, unbehandelter, grauer Stein. Alles, was sie sehen konnte, bestand aus Stein. Allerdings war es erstaunlich hell. Vorsichtig rappelte sie sich auf. Ihre langen braunen Haare fielen ihr vors Gesicht. Mit einer unwirschen Handbewegung schob sie die störrischen Strähnen zur Seite, als sie endlich auf ihren Füßen stand. Sie war barfuß, stellte sie jetzt fest. Und sie trug ein weißes schmuckloses Kleid. Ok, das war beunruhigend. Vorsichtig tastete sie an ihrem Körper entlang. Immerhin ein Höschen hatte sie drunter, mehr aber auch nicht. Und ihr Zauberstab war verschwunden. Bei Merlin und Morgana, wie und vor allem wo war sie hier nur gelandet?
Ein einzelner, schmaler, unbeleuchteter Gang führte aus dem kleinen Raum. In Ermangelung einer Alternative beschloss Hermine, diesem Gang zu folgen. Sollte das wieder eine von diesen blöden Prüfungen für das Turnier sein, würde sie Dumbledore aber gehörig aufs Dach steigen. Der See, oder eher das Aufwachen mittendrin in voller Schuluniform, war schon schlimm genug gewesen. Aber da hatte er sie zumindest halbwegs vorgewarnt.
Der Gang führte in einen weiteren, schwach beleuchteten Raum, der etwas größer als der Vorherige war. Kaum hatte Hermine den Gang verlassen, spürte sie einen Luftzug hinter sich und hörte ein lautes Krachen. Erschrocken wirbelte sie herum. Der Gang war verschwunden. Stattdessen stand sie vor einer massiven Wand. Nur ein feiner Spalt deutete an, wo kurz zuvor noch eine Öffnung gewesen war. Sie drehte sich wieder um. Ihr gegenüber konnte sie einen weiteren Gang entdecken, ebenso an der Wand rechts von ihr. An der linken Wand befand sich dagegen eine Metalltür. Hermine beschloss, dass sie wohl am besten den Regeln eines Labyrinths folgen sollte, um hier heraus zu finden. Wo auch immer „hier“ genau war. Sie müsste dafür nur ihre rechte Hand an die Wand legen und die ganze Zeit dort lassen. Bei Abzweigungen würde sie dann natürlich immer als erstes nach rechts abbiegen, aber da sie mit dem Verfahren automatisch bei Sackgassen umdrehen würde, wäre das ja kein Problem. * Mit der linken Hand ginge es natürlich auch, aber da sich links kein Gang befand und die Tür nicht so aussah, als würde sie sich so schnell öffnen lassen, wollte sie es zuerst rechts versuchen.
Allerdings kam sie nicht sonderlich weit. Kaum, dass sie den Plan gefasst hatte, stolperte eine junge Frau aus dem Gang, welcher sich mit einem lauten Knall sofort hinter ihr verschloss. Sie war, ebenso wie Hermine selbst, barfuß und trug ebenfalls ein einfaches weißes Kleid. Hermine schätzte sie auf Anfang dreißig, allerdings hatte sie bei Erwachsenen schon immer Schwierigkeiten gehabt, das richtige Alter zu treffen. Auf die dunkelroten Haare, die der Fremden in leichten Wellen über die Schultern fielen, war sie allerdings (trotz der unmöglichen Situation) doch etwas neidisch. Noch bevor sie etwas sagen konnte, kam auch aus dem dritten Gang eine junge Frau, ebenfalls barfuß, ebenfalls in einem weißen Kleid. Und auch dieser Gang verschloss sich sofort, kaum dass sie ihn verlassen hatte. Sie strich sich ihre kurzen blonden Haare aus den Augen und funkelte Hermine und die Rothaarige wütend an.
Doch noch bevor eine von ihnen etwas sagen konnte, und die Blonde hatte den Mund schon geöffnet und sah sehr danach aus, als würde ihr eine lange Schimpftirade auf der Zunge liegen, durchschnitt eine andere seltsam verzerrte, ja beinahe unmenschlich klingende Stimme den Raum: „Willkommen im Spiel!“
___________________
* Dieses Vorgehen heißt Rechte-Hand-Regel (bzw. Linke-Hand-Regel). Es ist eine sichere Methode, um ein Labyrinth zu verlassen, wenn auch nicht die schnellste. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass es keine „Inseln“ im Labyrinth gibt, sprich Wände, die nicht mit denen verbunden sind, die zum Ausgang führen.