Er hatte nie an ihn gedacht, er war ihm erst eingefallen, als er die restlichen Gräber errichten ließ, ob nun ein Körper dazu vorhanden war oder nicht. Es war nicht wichtig, wichtig war das Andenken, welches er dadurch errichtete, denn er wollte sich an jede und jeden Einzelnen von ihnen erinnern. Deshalb standen die Steine dort und nicht um ihre sterblichen Überreste zu markieren.
Mit einem Arm um die Schultern seines Patensohns lief er durch das Unterholz am Rand des Waldes bis zu der kleinen Lichtung, auf der sich die Steine tummelten. Es waren nicht auf allen Namen zu sehen, einige waren blank und würden auch so bleiben. Seine Eltern besaßen bereits Gräber, die Steine hier hielten keine Namen, bloß das Zeichen, dass auch sie hier waren, unter all den Freunden.
Remus und Tonks hatten ihre Spitznamen auf die Steine gemalt bekommen. Über die Jahre würde die Farbe noch mehr abgewaschen werden als eh schon und irgendwann würden sie so blank werden wie all die anderen Steine. Sirius hatte auch keinen Namen bekommen, doch Dobby schon. Trotz dass es für Dobby bereits ein Grab gab, hatte er den Stein markieren wollen. Es stand vielleicht nicht direkt sein Name auf dem rauen Untergrund, doch es war "das Zeichen eines wahrhaft freien Elfs". Bei den geschwungenen dünnen Linien und weiten Schnörkeln musste er an die dürren Arme und Beine, sowie die riesigen Augen des Hauselfes denken. Die Schrift passte perfekt zu ihm.
Ein paar Schritte weiter waren weitere Steine mit verschiedenen Schriftzügen und Spitznamen darauf vermerkt, darunter auch Fred, Moody, Cedric, Colin Creevey und andere ehemalige Mitschüler.
Auch Lehrer wie Dumbledore oder Snape hatten es unter sie geschafft, wenn Snape wahrscheinlich auch die Nase rümpfen würde bei der Gesellschaft, die er nun ertragen musste. Er grinste bei dem Gedanken wie Remus erfolglos versuchte den Rest davon abzuhalten ihm das Leben ihm Jenseits zur Hölle zu machen.
Auch Hedwig hatte einen kleinen Stein erhalten, doch auch, wenn er immer mal wieder ohne einen besonderen Grund vorbeikam, war heute doch ein besonderer Tag. Nicht für einen der bereits angesprochenen war er gekommen, wenn Ted wahrscheinlich auch bloß die Steine seiner Eltern sehen wollte, war der Junge-der-lebt nicht für einen von ihnen hier.
Die Blätter unter seinen Sohlen knirschten, als er weiter über die Lichtung ging, bis zu einer kleinen dunklen Ecke, in welcher im Schatten einiger Büsche ein weiterer Stein stand. Um einiges dunkler und weniger gepflegt und aufgesucht als der Rest, doch genauso wichtig, wenn nicht essentiell für den Sieg, den er vor 11 Jahren erringen hatte können.
Für die Person, die das eigene Leben für diesen Sieg gegeben hatte, 15 Jahre bevor der zweite Zaubererkrieg überhaupt begonnen hatte und 20 Jahre bevor sie gesiegt hatten. Er war damals so alt gewesen wie er selbst zu jener Schlacht und hatte allein gegen den damals mächtigsten dunklen Zauberer gehandelt. Jemand, dem der junge Mann damals die Treue geschworen hatte und den Schlimmeres hätte erfahren können als der Tod, hätte dieser je davon erfahren.
Es war so schwer zu verstehen, was er damals gedacht haben musste. Die Familie von Schwarzmagiern war so stolz gewesen, dass es richtig erschien sich ihnen anzuschließen, besonders nach der Behandlung die sie dem 'Blutsverräter'-Bruder von ihm angetan hatten. In Angst lebend hatte er sich angepasst, nicht wissend ob er unter anderen Umständen vielleicht anders gedacht und gehandelt hätte.
Der Bruder den er einmal so geliebt hatte und zu dem er aufgeschaut hatte nun ausgestoßen und ihm gegenüber kalt und hasserfüllt, da er die Verkörperung dessen war, was sein Leid verursacht hatte.
Für diesen Mann war er heute hier, zum Jahrestag seines Todes, den er von Kreacher erfahren hatte. Ein kleiner silberner Kiesel in der Hand, welcher ein Amulett gegen Wassergeister sein sollte. Vorsichtig platzierte er ihn am Rand des dunklen Steines, welcher die Buchstaben kaum erkennen ließ, welche auf ihn geschrieben worden waren.
"Ohne dich hätten wir es damals nicht geschafft, ich hoffe du weißt das. Auch, wenn Dumbledore selbst genial genug war es zu ahnen, hast du doch den entscheidenden Hinweis gebracht. Ich hoffe du kannst dich genauso über die Entwicklungen freuen, wenn du sie auch nicht mehr erleben kannst."
Kurz herrschte Stille.
"Weißt du, ich sollte über deinen Tod wohl am wenigsten traurig sein, doch ich kann nicht anders als am meisten darüber nachzudenken. Ich kannte Remus und Sirius und die meisten anderen, weiß was sie dazu bewegt hat, wie sie über einige Dinge gedacht haben, doch alles was ich von dir weiß sind ein paar wenige Worte, die dein Bruder gemurmelt hat, Preisungen von Kreacher und das Foto, das bei Slughorn hing. Ich weiß so gut wie nichts über dich, außer das du ziemlich früh ein Todesser geworden bist und dann auf einmal herausgefunden hast, dass er Horkruxe herstellt und dann dein Leben dafür gegeben hast diesen einen zu zerstören.
Ich verstehe nicht, wie man so einen Sinneswandel durchlaufen kann in so kurzer Zeit und ich wüsste gern, welch ein Kopf hinter all dem stecken muss, doch das werde ich nicht mehr erfahren. Selbst dein altes Zimmer ist keine Hilfe. So wenig persönliches Zeug wie du da rumliegen hattest. Es ist frustrierend nicht zu wissen, wie ich zu dir stehen soll und das nach Jahren der Suche nach jedem kleinen Bisschen, was ich zu dir herausfinden konnte.
Das Portrait deiner Mutter will auch kein Wort sagen. Oder wollte, ich habe mich darum gekümmert, dass es entsorgt wurde, ich hoffe du bist mir nicht böse, schließlich hattest du noch eine halbwegs gute Beziehung zu deinen Eltern. Aber das dauernde Geschrei war unerträglich."
Ein dünnes Lächeln, wehmütig, reumütig und traurig, legte sich auf die Züge des jungen Mannes, welcher sich bückte und einmal über die grünen Lettern strich, welche aus diesem Blickwinkel seicht schimmerten.
"Onkel Harry!", tönte es da hinter ihm und er drehte sich halb zu dem Jungen um, welcher dort auf ihn wartete, die dieses Mal kurzen braunen Haare denen seines Vaters nicht ganz unähnlich.
"Ich komme ja schon", rief er lachend zurück und schaute doch noch einmal auf den Stein zu seinen Füßen.
"Ich wünsche dir einen schönen Jahrestag und das du mit Wohlwollen hinabblicken kannst auf das, was du mit geschaffen hast, Regulus Black."