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Nach dem Prompt „Axolotl“ der Gruppe „Crikey!“
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Als Ludano die Augen aufschlug, tat ihm jeder Knochen im Leib weh. Mit einem Stöhnen richtete er sich auf. Er konnte erkennen, dass er sich im Inneren einer niedrigen Lehmhütte befand, ehe der Schwindel alles vor seinem Blick verschwimmen ließ.
Seine Sicht färbte sich dunkel, doch er wurde nicht bewusstlos. Nun hörte er Schritte hereinkommen und eine Stimme sprach in schnellen, fremden Worten auf ihn ein. Kräftige Hände ergriffen ihn und halfen ihm, sich aufzusetzen. Etwas Hartes, das nach Ton schmeckte, wurde vor seine Lippen gehalten, dann spürte er kühles Nass.
Wasser ... er erinnerte sich. Die Männer hatten Wasser verlangt, dann hatten sich die ersten Schüsse gelöst.
Langsam kehrte seine Sicht zurück und er stellte fest, dass er von einem in einen bunten Poncho gekleideten Fremden getränkt wurde. Als würden die fremde Sprache, der breite Hut und der Poncho nicht reichen, verriet auch die Haut in der Farbe von gebranntem Ton, dass Ludano nicht mehr unter seinesgleichen war.
Er zuckte zusammen. Einer der sermowischen Wilden hatte ihn gefangen! Erschrocken sah er den Mann an, der Ludanos Blick richtig deutete. Vorsichtig trat der Fremde zurück, stellte das Wasser ab und hob die Hände. Sein Redeschwall brach ab und er sagte sehr langsam: "Amiko." Dabei deutete er auf seine Brust.
"A...miko?", wiederholte Ludano.
Der Mann lächelte und nickte. Vermutlich war das sein Name. Ludano deutete auf sich und nannte seinen Namen.
Amiko grinste und reichte ihm die Wasserschale erneut, die aus rötlichem Ton bestand. Ludano trank vorsichtig.
Amiko setzte sich im Schneidersitz vor ihm auf den Boden und begann ein aufwändiges Handtheater, um Ludano zu erklären, was hier los war. Konzentriert sah Ludano zu. Mit jeder Geste kehrte seine Erinnerung zurück.
Die Reiter aus Celyvar waren auf dieses Dorf gestoßen. Ludano war einer von ihnen gewesen. An den entbrannten Konflikt konnte er sich noch erinnern.
"Waza! Waza!", ahmte Amiko den Ruf der Celyvari nach Wasser nach.
"Ich erinnere mich", murmelte Ludano und senkte peinlich berührt den Blick. "Wir sind lange geritten, musst du wissen. Verstehst du? Viele Tage ohne Waza. Sehr durstig."
Amiko nickte, doch sein Blick verdunkelte sich.
Auch daran erinnerte sich Ludano. Die Dörfler hatten ihr Wasser nur zögerlich geteilt. Immer hatten sie einen Jungen geschickt, um mit einem viel zu kleinen Eimer Wasser zu holen, aber die Reisenden nicht an die Quelle vorgelassen. Dann war Pamela, ihre Anführerin, wütend geworden.
"Peng, peng", sagte Amiko.
"Ja", murmelte Ludano traurig. "Peng, peng. Wasser kann jeden zum Monster werden lassen."
Amiko sagte irgendwas auf Sermowisch und sah Ludano mit großen Augen an.
Der Celyvaro wusste, worum es ging. Er hatte sich gegen seine Landsleute gewandt, als diese das Dorf angegriffen hatten. Und Pamela hatte ..."
Er griff nach seiner Brust und ertastete die Löcher der Einschusswunden. Zu seinem Erstaunen waren sie bereits verheilt. Sein nächster Griff glitt zu seinem Gesicht, doch sein Bart war noch genauso stoppelig wie an jenem Morgen, da sich alles ereignet hatte. Wie bei allen Göttern ...?
Amiko legte beide Hände auf die Brust und nickte Ludano ernst zu. Dann winkte er ihm.
Als Ludano diesmal aufstand, spürte er keinen Schwindel. Mit jedem Schritt schien er kräftiger zu werden. Wie lange war er bewusstlos gewesen? Monate oder doch nur einige Stunden?
Er folgte Amiko aus der Lehmhütte und unter die brennende, sermowische Sonne. Ein paar Dorfbewohner sahen ihnen zu. Manche scheu, einige wenige finster, als missbilligten sie, dass Ludano hier war.
Doch Amiko ließ sich nicht beirren. Er führte Ludano aus dem Dorf. Bald erkannte der Celyvaro den Weg. Hierher waren auch die Jungen gelaufen, um Wasser zu holen.
Tatsächlich führte ihn Amiko zu der geheimen Quelle. Ludano begriff, dass dies eine hohe Ehre war, ein Dank dafür, dass er den Dorfbewohnern geholfen hatte. Als er den Teich vor sich sah, der in einem Becken aus gelblichem Gestein lag, stockte ihm tatsächlich einen Moment der Atem.
Die Dorfbewohner hatten ihr Leben riskiert, um dieses Wasser vor Blicken zu verbergen - und nun führte Amiko ihn her!
Er wollte in respektvollem Abstand stehen bleiben, doch Amiko winkte ihn näher. Also tat Ludano an das Wasser und sah hinein.
Was er erblickte, war eine unvorstellbare Tiefe. Das klare Wasser reichte sehr tief in die Erde zu ihren Füßen, und nur diese kleine Öffnung gab es. In der Dunkelheit huschten blass schimmernde Wesen in verschiedenen Farben umher. Sie waren klein, wirkten aber wie Salamander, bis auf die merkwürdigen Fortsätze um ihre Köpfe, die wie Mähnen aussahen.
Amiko fuhr mit der Hand durch das Wasser und berührte dann Ludanos Brust, die Einschusslöcher.
"Das Wasser hat mich geheilt?", fragte er.
"Axolotl", sagte Amiko und ahmte Schwimmbewegungen nach, dann deutete er auf die kleinen Wesen.
"Es sind magische Wesen", murmelte Ludano. "Kein Wunder, dass ihr sie schützen wolltet."
Amiko legte ernst die Hand auf seinen Mund.
"Ich werde kein Wort verraten." Ludano nickte ebenso ernst. Dann glitt sein Blick zurück zum Wasser.
Vielleicht waren die Wilden von Sermowa gar nicht so primitiv, wie er immer geglaubt hatte. Immerhin waren sie weise genug, eine solch mächtige, magische Quelle nicht auszuschöpfen, sondern zu bewahren. Und sie wussten - ebenso wie Ludano - dass kein Celyvaro je von den magischen, heilenden Axolotl erfahren durfte.