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Nach dem Prompt „Halbmondnasenlochsalamander (Thorius lunaris) [Haldmondgeschichten]“ der Gruppe „Crikey!“
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"Mein König." Langsam trat der Zwerg näher.
Thorius drehte sich nicht um. Verzweifelt wühlte er in der Erde zu den Wurzeln des großen Baumes. Eine majestätische Eiche, die ihre Blätter auf dem höchsten Gipfel den Sternen und dem Halbmond entgegenreckte.
"Thorius. Wir sind zu spät. Der letzte Sonnenstrahl ist vorbei." Dwarius, der tapfere Kämpfer, seine rechte Hand, seufzte. "Die Tür wird sich nicht mehr öffnen."
"Nein. Nein!" Thorius schlug gegen den Stamm, doch er streckte nur einige Salamander auf, die auf der Rinde des Schildbaums lebten. "Nein ...", flüsterte er leiser, seine Stimme bebte. Es durfte einfach nicht vorbei sein. Er hatte so lange gekämpft, so viel riskiert, um die Heimat seiner Ahnen zu erreichen, den mächtigen Berg, der ihnen vor vielen Jahrzehnten von dem Drachen geraubt worden war. Doch nur die letzten Sonnenstrahlen vor der Tagundnachtgleiche im Erntemond würden die geheime Tür offenbaren, über die Thorius seine Heimat trotz des Drachens noch zurückerobern könnte. Nur dieser letzte Sonnenstrahl - aber die Sonne war versunken. Sie waren zu spät gekommen, aufgehalten von den verfluchten Menschen, und der Moment war verstrichen. Nun war alles umsonst. Ihre Feinde wussten von ihrer Mission und hätten ein Jahr Zeit, um sie zu jagen, sich vorzubereien, sie aufzuhalten ... Der Plan war dahin!
"He, wartet!", rief da der Kleinste im Bunde. "Wartet! Es ist der Strahl des Mondes, nicht der Sonne! Der Mond spiegelt die Sonne!"
Thorius hob den Kopf und sah zu dem kleinen Bilba, der aufgeregt herumsprang. Dann realisierte er, was ihm gesagt worden war.
Der Strahl des Mondes!
Sofort stürmte er zu dem scharfäugigen, kleinen Burschen. Er hatte an Bilba gezweifelt, doch nun erkannte er, wie falsch er gelegen hatte. Tatsächlich hatte dieser die Tür gefunden. Ohne das Licht der magischen Runen hätte man sie in der Bergflanke nicht erkannt, doch da war sie nun, vom Licht des richtigen Mondes aus ihrem Versteck geholt. Thorius ließ den alten Schlüssel beinahe fallen, als er ihn hastig herauszog.
Der Schlüssel, zu ihm gekommen über seinen Vater und Großvater, passte perfekt in das Schloss. Langsam schwang die dicke Tür nach außen und offenbarte den Zwergen eine Treppe, die in eine düstere Tiefe hinabführte.
Dwarius reichte ihm eine Fackel, und Thorius stieg ihnen voran in die Dunkelheit.
Stille empfing sie im ehemaligen Königreich unter dem Berg. Stille und ein Gestank, der an Moder denken ließ. Nachdem sie nur ein kleines Stück gegangen waren, trafen sie auf eine Stelle, wo die Brücke von einem mächtigen Schlag eingebrochen war. Und oh, da lag es, in einer riesigen Kaverne: Das Königreich der Mondzwerge!
Freilich wurde es nicht mehr von Fackeln erhellt. Viele der prächtigen Säulen waren geborsten, die Treppen und Wege und Hallen und Fresken zerstört und verfallen. Der Schatz, der große Schatz seines Volkes, lag verstreut auf der Erde. Und neben der Frage, wie sie überhaupt dort hinunterkommen sollten, gab es auch noch ein weiteres geringfügiges Problem.
Der Drache lag aufgerollt auf den Münzen und Edelsteinen. Von hier oben erschien er fast wie ein Wurm mit geradezu lächerlich kurzen Beinen, nicht größer als jene Salamander auf dem Berg, nur rötlicher gefärbt.
Aber jede seiner Krallen war wie eine Klinge, seine Zähne wie Speere, der Panzer so undurchdringlich wie härtestes Gestein. Die großen Schwingen bewegten sich, als sich die Bestie im Schlaf auf die Seite rollte. Thorius' Gemeinschaft wisperte nervös.
"Er lebt ja noch!"
"Wäre ja auch zu schön gewesen."
"Und jetzt?"
Thorius wirbelte zu ihnen herum. "Leise! Wir wollen doch nicht, dass er aufwacht. Erinnert ihr euch nicht an den Plan? Wir holen uns den Stein, ich erlange die Königswürde, und wir rufen unsere Verbündeten zusammen. Einem König werden sie folgen. Und dann ..."
Wieso war es plötzlich so dunkel in ihrem Gang? Wieso peitschte Wind die Fackel? Und wieso starrten seine Gefährten so verschreckt an ihm vorbei?
"Thorius ...", brachte Dwarius heraus, "wir haben ein Problem."