Aufbruch ins Heilige Land
Er stocherte in der heißen Asche und dachte über den bisherigen Verlauf der Reise nach. Vor etwa fünf Wochen, es war schon zeitiges Frühjahr waren sie aufgebrochen. Sie zogen zunächst in eine belebte und große Stadt, wo sie andere Ritter trafen, die ebenfalls ins Heilige Land zogen. Es gab dort viele gastliche Wirtshäuser und gutes Essen. Es gab auf den Märkten Dinge und Zerstreuung, wie sie sie noch nie gesehen hatten. Alle waren guter Dinge und Ritter Franz hatte fast vergessen warum sie ausgezogen waren. Als eine Gruppe von Rittern sich mit ihren Gesinden und Knechten aufmachte um weiter zu ziehen, schlossen sie sich ihnen wohlgemut an. Zunächst genoss es der Ritter, mit den anderen Rittern zusammen zu sitzen, den Wein zu genießen und es gab auch immer wieder Wildpret. Doch ihm blieb nicht verborgen, dass deren Rüstungen prachtvoller und ihre Taten viel ruhmreicher waren als seine. Und so vergingen die Abende mit großen Erzählungen von den großen und glanzvollen Taten der Ritter, den großen Schlachten, die sie geschlagen hatten, von den vielen furchteinflößenden Feinden, die sie bereits zu Boden geworfen hatten, vom Mut, vom Edelmut, vom Heldenmut und vom Ruhm! Ritter Franz war davon sehr beeindruckt und blickte auf das sehr schmale Repertoire an Heldentaten welches er vorzuweisen hatte. Da waren Ritter, die brannten auf die Schlachten, die sie schlagen würden, den Ruhm den sie bekämen, die Beute die ihnen zufiele und sie schwärmten, wie sie die Ungläubigen vertreiben und töten würden. Da war ein Ritter, der hatte Musikanten in seinem Gesinde, ein anderer, der hatte einen Sänger. Und was für Rösser sie alle hatten und was für Zelte und was für Wagen ihre Ochsen zogen – ja, und welch prächtige Schwerter sie trugen. Es blieb ihm auch nicht verborgen, dass offensichtlich kein anderer Ritter ein Problem damit hatte, dass die Rüstung nicht mehr passte, dass sie oft untereinander über die Schlichtheit von Franz Gefolge witzelten, dass sie sich über das einfache Gemüt seiner Waffenknechte ereiferten und dass sie tuschelten, sein Knappe Edelbert würde ungeniert ihren Knappen und Knechten nachstellen.
So wurde Ritter Franz von Abend zu Abend ruhiger und sein Geist verfinsterte sich. Als Denkhart, sein Bursche nun auf einmal noch heftige Zahnschmerzen bekam sah er keine andere Möglichkeit mehr, als von der Gruppe zurückzubleiben und die anderen Ritter vorausziehen zu lassen. Ohne einen gesunden Denkhart konnten sie nicht weiterziehen, denn wer sollte sonst ihre Vorräte auffüllen, ihre Lager bereiten, die Mahlzeiten bereiten, die Tiere versorgen?
Der Morgen war eisig, es hatte über Nacht noch einmal gefroren. Ritter Franz tat der Rücken entsetzlich weh und ihm war fürchterlich kalt. Er dachte daran, wie sehr ihn sein unterster Rücken beim langen Reiten wieder schmerzen würde und dass ihm, wie schon die letzte Zeit, immer wieder der rechte Fuß einschlafen würde. Seit drei Tagen waren sie nun wieder alleine unterwegs und die Stimmung war denkbar schlecht. Wie durch ein Wunder war das Zahnweh von Denkhart verschwunden, ihre Gebete hatten wohl geholfen und wenigstens würde es nun wieder anständige Mahlzeiten geben. Die Gruppe brach schweigend ihr Nachtlager ab und bereitete sich auf den Aufbruch vor. Sie waren lange durch eine sehr einsame Gegend gezogen. Nur wenige Dörfer und Gehöfte lagen am Weg und in der Nacht hörten sie die Wölfe heulen. Seit Tagen hatten sie kein gutes Gasthaus und keine Sonne mehr gesehen. Aber noch am Vormittag brach die Sonne durch die Wolkendecke, wärmte sie und die Stimmung hellte sich deutlich auf. Alle trugen nun ein Lächeln auf ihren Gesichtern und ihre vom Reiten wunden Hinterteile taten ihnen kaum mehr weh. Sogar die Gegend wirkte freundlicher. Sie ritten durch lichte Wälder, das helle Sonnenlicht durchflutete das Blätterdach und die Vögel sangen. Franz wies die Männer an, die Armbrüste bereit zu halten - falls sich eine Wildsau oder ein Hirsch blicken ließ.
Sie kamen bald an ein steiles Bachufer und machten sich daran es mit der gebotenen Vorsicht zu überqueren. Es musste hier erst vor kurzem zu einem Erdrutsch gekommen sein, denn sie sahen eine frische Abbruchkannte und frisches unbewachsenes Erdreich darunter. Der Boden war feucht und glitschig und so beschlossen sie, dass es besser wäre, von den Pferden abzusteigen und die Stelle zu Fuß zu queren. Edelbert, der immer schon etwas leichtsinnig gewesen war hielt dies nicht für nötig und ritt voraus. Plötzlich verlor sein Pferd den Halt im glitschigen Erdreich und rutschte ab. Er fiel vom Pferd, rollte den Hang hinab und schrie auf: „“Mein Bein! Mein Bein!“ Die Anderen liefen zu ihm aber Edelbert schrie und heulte vor Schmerz. Er konnte nicht mehr aufstehen. Feistbard der alte und erfahrene Zeugmeister rief: „Vorsicht, das Bein ist gebrochen! Ich muss es schienen, bringt mit gerade und stabile Äste!“ Er band die Äste so sorgfältig an das Bein, dass Edelbert, der zitterte und schwitzte, die Schmerzen bald besser ertragen konnte. „Was sollen wir denn nun tun, Ritter Franz?“ rief Strebhart, der sichtlich um seine Fassung kämpfte. „Ich muss nachdenken, wir müssen, wir sollten am besten …ähm, vielleicht“ antwortete dieser. „Wenn sie mir den Einwand erlauben, edler Herr Ritter, “ unterbrach ihn Denkhart, „der Herr Edelbert braucht zunächst Ruhe, wir müssen ein Lager aufschlagen und ich werde eine Mahlzeit zubereiten!“ Alle atmeten auf. „Dann sollten vielleicht die Herren Strebhart und Lentfrid aufbrechen und nach einer Unterkunft suchen, am besten einem Kloster.“ „Ja, das ist eine gute Idee“ sagte der Ritter, „lasst es uns so machen. Ihr beiden reitet sofort los!“ Lentfrid und Strebhart packten kurz die notwendigsten Dinge zusammen und schwangen sich auf ihre Pferde. „Nein, nicht in diese Richtung!“ rief Ritter Franz ihnen hinterher, da sind wir doch hergekommen, da war nichts!“