Das Wunder der heiligen Apollonia
Als er erwachte saßen Denkhart und ein unbekannter Mönch an seinem Bett. „Herr Ritter, geht es euch gut?“ fragte er. „Wo bin ich, was ist passiert?“ „Ihr habt von dem Heiltrank für Edelbert getrunken, wahrscheinlich viel zu viel.“ sagte Denkhart. „Mein Kopf, ich habe solche Kopfschmerzen,“ meinte der Ritter „ich habe einen Drachen gesehen, ich habe in meinen Träumen den Untergang der Welt gesehen, ich habe von den Qualen der Seelen in der Hölle geträumt. Oh Denkhart, was wird nur aus uns? Was wird aus unseren Seelen? Sind wir alle verdammt?“ „Edler Herr Ritter, ihr seid noch nicht klar bei Sinnen! Es ist alles gut! Wir sind hier in einem Kloster, es war sehr schwer sie und den verletzten Herrn Edelbert hierher zu bringen, aber wir haben es unter großen Mühen geschafft! Das hier ist Bruder Meinfridus, er spricht unsere Sprache.“ Der Ritter lächelte „Denkhart, mein lieber Denkhart, ich danke dir, ich danke euch allen! Sagt, was ist denn mit dem Drachen, wir sind doch einem Drachen begegnet.“ „Sprecht lieber nicht zu laut davon!“ sagte Bruder Meinfridus „Eure Begleiter haben davon erzählt, sie sind schon zum Gespött des ganzen Klosters geworden. Niemand hier glaubt euch diese Geschichte, es gibt hier keine Drachen, nirgendwo und es hat hier niemals welche gegeben!“ „Aber ich habe es doch gesehen,“ stöhnte der Ritter „diese riesigen Hörner!“ „Wie gesagt, Herr Ritter, wir werden euch pflegen denn ihr seid im Dienste des Herrn unterwegs – aber schweigt lieber darüber – wenn ihr wollt, dass man euch ernst nimmt.“
„Herr Ritter,“ sagte Denkhart leise, als sich Meinfridus entfernt hatte „gebt mir und Feistbard Pferde, wir werden noch einmal dorthin reiten und einen Beweis holen!“
„Zweifellos“ sagte der Abt, „das ist ein Zahn, ein Zahn, wie ihn kein Tier sonst besitzt. Aber ein Drache? Ich weiß nicht! Vielleicht von einem Tier, das in der Sintflut umgekommen ist? Das mag vielleicht sein, ja, das könnte sein!“ Franz von Wingart saß mit dem Abt des Klosters und Bruder Meinfridus zusammen. Der Ritter hatte die Idee, als Drachentöter in die Heimat zurückzukehren, dann müsste er vielleicht nicht ins Heilige Land ziehen und würde seine Ehre behalten, aber der Abt ließ sich nicht auf seine Wünsche ein, schließlich hatte er ja Pilger, Krieger zur Befreiung der heiligen Stätten aufgenommen und keine Traumtänzer.
Vor einigen Tagen war wieder eine Gruppe Ritter eingetroffen die ins heilige Land ziehen wollte. Es waren sehr ernste und fromme Leute, beseelt vom festen Glauben an die Idee ihr Leben in den Dienst Gottes und der höheren Aufgabe zu stellen. Der Abt meinte, Franz sollte sich diesen Rittern anschließen. Edelbert bräuchte noch viele Wochen bis er genesen sei, und ob er dann wieder richtig gehen könne, geschweige denn kämpfen? Das wäre sehr fraglich! Ritter Franz war wieder mal verzweifelt, natürlich konnte ihn der Abt nicht zwingen mit diesen Leuten zu ziehen – aber wie sollte er jemals wieder den anderen ins Gesicht sehen können, wenn er sich nun drückte. Am Abend, nach einigen Bechern des guten Klosterweins, klagte er gegenüber seinen Begleitern sein Leid. Lentfrid und Strebhart waren begeistert von dieser Möglichkeit schnell ins Heilige Land zu ziehen. Denkhart und die anderen wollten dagegen lieber bei Edelbert bleiben und mit ihm zurückkehren – und der Ritter konnte sich ihren Bitten kaum widersetzen. Schließlich schien es wichtig, dass zumindest Edelbert wieder wohlbehalten zurückgelangte – und dazu brauchte er Hilfe. Feistbard wusste aber, dass er keine Wahl haben würde und wahrscheinlich bei seinem Ritter bleiben musste. Schließlich sagte Denkhart: „Herr Ritter, lasst mich mit Meinfridus sprechen!“
Am nächsten Tag kam Denkhart strahlend und in Begleitung von Meinfridus und dem Abt zum Ritter Franz. „Edler Herr Ritter von Wingart, wir freuen uns sehr, über das Wunder erfahren zu haben, welches sich ereignet hat!“ Ritter Franz starrte sie verwirrt an: „Ach, das Wunder, daran hatte ich gar nicht mehr gedacht, was ist denn mit dem Wunder?“ „Ihr Bediensteter, der junge Herr Denkhart hat uns alles erklärt, der Zahn muss ein Zahn, eine Reliquie der heiligen Apollonia von Alexandria sein, jener armen Märtyrerin, die vor fast Tausend Jahren ihre Zähne für Gott verlor. Der Abt lässt ihnen seinen großen Dank zukommen dafür, dass sie diese überaus wertvolle Reliquie in den Besitz seines Klosters übergehen lassen. Er lädt sie ein, noch einige Zeit im Kloster zu weilen, denn ein Mann, der so ein wahrhaftiges Wunder erlebt hat ist selten und steht wohl hoch in der Gnade Gottes! Mit diesem Schreiben bestätigt der Abt das Wunder und die Echtheit der Reliquie.“ Franz von Wingart wusste nicht wie ihm geschehen war aber er freute sich, den Wein der Klosters weiter genießen zu dürfen und nicht mit diesen frommen Rittern weiterziehen zu müssen.
Als er mit Denkhart allein war fragte er: „Sag mal, was war denn das? Was ist denn geschehen? Was soll denn für ein Wunder passiert sein?“ „Naja,“ erzählte Denkhart „ich hab ihnen berichtet, wie ich von heftigen Zahnschmerzen befallen wurde und wir alle inbrünstig zur heiligen Apollonia beteten, dass die Zahnschmerzen vergingen, weil ich doch gesund sein musste, damit wir alle gemeinsam den Weg ins heilige Land finden könnten. Im Traum ist mir dann die heilige Apollonia erschienen und hat mir die Stelle gezeigt an der diese Zähne verborgen waren. Nachdem wir sie gefunden hatten seien die Zahnschmerzen verschwunden, wie sie gekommen waren. Der Sturz von Edelbert sei auch ein Wink Gottes gewesen, damit wir den Weg in dieses Kloster fanden.“ Ritter Franz machte große Augen: „Sag mal, die haben uns ausgelacht wegen dem Drachen – und jetzt glauben sie so etwas? Wie passt denn das zusammen?“ „Als sie die Geschichte hörten waren sie erst sehr ablehnend, dann kam der Stellvertreter des Abtes aber auf die Idee, dass viele Leute aus dem Volk diese Geschichte vielleicht doch glauben könnten. Das Kloster besitzt nur einige unwesentliche Reliquien – aber ein wundertätiger Zahn der heiligen Apollonia?! Und wie viele Leute haben quälende Zahnschmerzen und sind bereit, ins Kloster zu pilgern und dort Geld zu lassen?! Das überzeugte auch den Abt. Damit ihr auch etwas davon habt, hat er uns diese Urkunde ausstellen lassen.“ „Aber niemand wird doch Glauben, dass dieser Drachenzahn, und es ist ein Drachenzahn, ein Zahn einer Märtyrerin, eines Menschen ist?“ fragte der Ritter ungläubig nach. „Daran hat man natürlich gedacht, es erklärt sich dadurch, dass Gott durch die enorme Größe und ungewöhnliche Form der Zahns ein Zeichen setzen wollte!“ „Ein Zeichen?“ „Ein Zeichen!“ schloss Denkhart seine Antwort. „Und Herr Ritter,“ fügte er mit einem Lachen hinzu „wir haben nicht nur diesen einen Zahn aus dem Wald mitgebracht!“