Rating: P12
Nach dem Prompt „Königslachs“ der Gruppe „Crikey!“
--------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Qualmend schnauften die Flussdampfer gegen die Strömung an. Selbst am Ufer war das Stapfen der Maschinen zu spüren, dort, wo eine Gruppe magerer Kinder auf den dreckigen Docks saß und die bloßen Füße in das verschmierte Wasser hielt.
"Da! Da war schon wieder einer!", rief Alvie und deutete in die öligen Fluten.
Die anderen Kinder beugten sich vor, während Alvie vor Aufregung fast die Kappe auf den Locken verlor. "Ich habe einen gesehen! Sooo groß!"
Fitzhugh reckte sich sofort mit dem Käscher und angelte nach dem gesichteten Objekt, jedoch ohne Erfolg. Die Kinder seufzten unisono auf.
"Wo kommen die bloß alle her? Und so rot. Glaubt ihr, sie essen Fleisch?" Muriel wagte es nicht, die Füße ins Wasser zu tunken. Zweifelnd sah sie ihre Freunde an.
"Die kommen jedes Jahr hier durch", versicherte Althea ihr, deren halblange Ohren unter der Mütze hervorlugten. "Mutter sagte immer, dass sie im Meer wohnen, aber in den Seen im Inland ihre Kinder kriegen. Deshalb reisen sie flussaufwärts. Und die rote Farbe kommt halt so. Das sind immer noch normale Lachse."
"Vor allem wären sie eine gute Mahlzeit", murrte Fitzhugh frustriert.
"Happa?", fragte der kleine Garrett, der den Klang seines Lieblingswortes aufgeschnappt hatte, und er zappelte auf Muriels Arm, sodass das junge Mädchen den Kleinen kaum noch halten konnte.
"Ja, Happa!" Fitzhugh schwang den Käscher. "Ich fange uns so einen Fisch, dann werden wir eine Woche lang satt sein!"
"Nie im Leben erwischt du einen", triezte sein Zwillingsbruder Burton. "Red' nicht so groß daher."
"Du wirst schon sehen!" Fitzhugh drohte ihm mit dem Zeigefinger. "Ihr werdet alle schon sehen!"
"Da!", riefen Althea und Alvie gleichzeitig, als mehrere große Lachse vorbeischwammen. Fitzhugh beugte sich mit dem Käscher vor - und Burton versetzte ihm einen kräftigen Stoß. Mit einem Schrei landete Fitzhugh im knietiefen Wasser. Die Lachse schossen natürlich alle auseinander, und die Kinder am Steg lachten, während Fitzhugh sich fluchend aus der dreckigen Brühe erhob und zurück an Land kroch.
Er schmiss den Käscher hin. "Wisst ihr was? Dann seht doch zu, wie ihr Essen für heute Abend findet! Na los! Fangt doch selbst einen, wenn ihr es so viel besser könnt."
Zum Erstaunen aller nahm die Halbelfe Althea den Käscher. Sie zog ein Stück hartes Brot aus dem Mund, auf dem sie seit einigen Stunden gekaut hatte, legte es in den Käscher und senkte diesen ins Wasser.
"Und jetzt leise." Sie legte den Finger an die Lippen.
Fitzhugh atmete laut durch die Nase und verschränkte die Arme vor der Brust. Garrett quengelte auf Muriels Arm. Alle warteten gespannt.
"Das dauert nur eine Weile", versprach Althea.
Alvie seufzte und sah über die Wellen. "Wie weit schwimmen die Fische eigentlich? Bis zum anderen Ende der Stadt? Wo die Reichen wohnen?"
"Und noch viel weiter", erklärte Althea. "Bis die Stadt nicht mehr zu sehen ist und überall nur noch Wiesen und klare Wasserfälle sind. Und dann erreichen sie die Seen. Das heißt, wenn nicht vorher ein Bär sie frisst. Oder ein Mensch, der sie aus dem Fluss gefischt hat."
Alvie seufzte. "Ich würde gerne mit ihnen schwimmen." Er sah seine Freunde an und erklärte: "Einfach weg. Raus aus dieser stinkenden Stadt, wo man kaum atmen kann. Seht ihr das nicht auch so?"
Die anderen Gassenkinder nickten nur.
Doch das würde für immer ein Traum bleiben. Die sechs Waisen gehörten zu den Fischen, die ganz zu Beginn ihrer Reise in ein Netz geraten waren. Und dieses Netz waren die zahlreichen Diebesbanden der großen Stadt, die Notwendigkeit, jeden Tag etwas zu Essen zu finden, war der Brotkrumen, der sie anlockte.
Althea schrie auf, als der Käscher ruckte. Sie hatte einen Fisch!
Immerhin würden die Kinder heute nicht hungrig zu Bett gehen, wenngleich der Lachs keinesfalls für die Woche reichen würde, die Fitzhugh prophezeit hatte.