»NICHT SO ZIMPERLICH!« Vroni gab Dominik den Befehl, meine Fesseln straffer zu ziehen. »Wenn du zu uns gehören willst, musst du so was abkönnen.«
Dom nickte gehorsam. In seinen grünbraunen Augen konnte ich dennoch Zweifel erkennen.
»Ich hol dich hier raus«, flüsterte ich ihm zu. »Du musst nicht länger mitmachen, was sie von dir verlangen.«
»O doch, Mäuschen. Das muss er.« Vroni hatte meine Worte gehört, trotz der Entfernung von mindestens vier Metern und der Nebengeräusche, die von den anderen Personen im Keller des Abrisshauses ausgingen. »Andernfalls wandert er ins Gefängnis.«
»Das werdet ihr alle, wenn man euch auf die Schliche kommt!«, kläffte ich lautstark zurück. »Was seid ihr überhaupt? Eine Sekte? Satanisten?«
Gurgelndes Lachen antwortete aus allen Ecken.
»Eine Mischung aus beidem würde ich sagen. Hat dich aber nicht zu interessieren. Dich haben wir zu unserem Spielzeug erklärt und als solches, wirst du tun, was wir von dir verlangen. Du wirst die nächsten 24 Stunden bei uns bleiben. Dann finden wir heraus, ob wir dich manipulieren können, uns zu vergessen, oder ob wir Option Nummer 2 wählen und dich anschließend in deinem Elend zurücklassen.«
Warum sprachen diese Leute dauernd so schwammig? Weshalb konnten sie nicht einfach sagen, was Option Nummer 2 war und welches Elend diese für mich bedeuten würde? Vermutlich, damit ich niemanden genaue Details nennen konnte, falls etwas schief laufen und mir die Flucht gelingen würde. Da steckte eine Menge Kalkül dahinter. Diese Bande war abgerichtet wie eine Meute Bluthunde. Wer auch immer ihr Chef war, hatte gut vorgesorgt. Dennoch passierten ihnen hin und wieder Fehler und darauf musste ich hoffen.
»Warum können wir nicht gleich unseren Spaß mit ihr haben?«, tat sich der dunkelhäutige Kerl von vorhin aus der Menge hervor. Er hatte mich zusammen mit Jakob die steilen staubüberzogenen Steintreppen hinuntergeschleppt und dann zahlreiche Kerzen in dem klammen Raum angezündet. Deren flackerndes gedämpftes Licht hüllte die Umgebung in ein schauriges Ambiente.
»Genau! Die Idee mit dem Ausziehen war doch gar nicht so schlecht«, hechelte der kleine Dicke.
»Macht, was ihr wollt. Solange ihr sie am Leben lasst. Ich möchte wissen, was sie über Walther weiß und warum.« Vronis gleichgültige Antwort versetzte mir einen Stich ins Herz und mein Magen begann unruhig zu murmeln.
»Wahnsinn! Was für ein Ta-ag!«, freute sich der Moppel, wie ein Kind vorm Weihnachtsbaum und sprang für seine Körpermasse ungewöhnlich wendig und leichtfüßig zu mir. »Diesen hässlichen Mantel würde ich dir ohnehin nicht empfehlen«, knurrte er und riss das robuste Kunstleder mit wenigen kurzen und schnellen Bewegungen in Stücke.
»Verpiss dich, du Ekelpaket!«, schrie ich ihn in sein rot angelaufenes Gesicht und spuckte in seine Richtung. Er wich meinem Speichel in einem Sekundenbruchteil aus und lachte glucksend. »Ganz schön garstig. Gefällt mir besonders gut. Diese Sorte Weiber schmeckt am besten.«
»Ey, Steve! Denk dran, dass du nicht alleine bist. Wir wollen auch was vom Braten abbekommen! Sofern sie kein Zeug im Blut hat, meine ich«, rief ein Kerl mit kurzen schwarzen Haaren, den ich bisher nur am Rande mitbekommen hatte.
»Aber ich war zuerst dran und habe noch gar nichts gemacht.« Den letzten Halbsatz sagte er mit solch einem widerlichen Unterton, dass mir übel wurde. Allerdings nicht lange. Es war, als würde etwas in meinem Körper jede Art von Unwohlsein sofort unterbinden. »Außerdem schlucke ich das Zeug täglich. Es macht mir kaum noch etwas aus.« Er lachte kehlig und zwinkerte mir zu.
»Boah, wie die ihr Herz rast. Pure Erregung«, raunte ein Kerl mit längeren strähnigen dunklen Haaren und Ziegenbart. Einer der wenigen, welcher dem Typus der Supermarkt-Versammlung entsprach.
»Geil, was?«, kicherte der Dicke und leckte sich die Lippen.
»Das hättet ihr wohl gerne. Habt ihr euch mal im Spiegel betrachtet? Höchstens ekelerregend«, fauchte ich und wich einer verschwitzten Hand aus, die gerade mein Gesicht betatschen wollte.
»Zappelt wie ein Fisch im Netz«, rieb sich der mit den kurzen schwarzen Haaren die Hände.
»Dann wollen wir sie mal von ihrer Schuppenschicht befreien und die schmackhaften Teile freilegen«, hauchte mir der Dicke in die Ohren, woraufhin die Umstehenden wieder in ihren Ausziehen!-Ausziehen!-Chorus von vorhin verfielen.
Ich war gefesselt. Egal wie sehr ich mich windete und wendete, ich konnte nicht verhindern, dass zwei fleischige Hände den Reißverschluss meines schwarzen Oberteils packten und ihn langsam nach unten zogen.
»Nimm gefälligst die Pfoten weg!«, brüllte ich wie eine Löwin. Das jedoch amüsierte meine Peiniger umso mehr.
Hilfesuchend blickte ich mich um. Das schwache Licht und meine Panik nahmen mir beinahe die Sicht. Ich konnte die Menschen um mich herum kaum noch als solche wahrnehmen. Sie verschwammen zu einer grauen wabernden Masse.
»Bitte, lasst mich in Ruhe. Ich habe euch nichts getan.« Mich verließ die Kraft, um weiter stark und laut zu sein. Ich konnte auch nicht mehr schauspielern. Nur noch flehen und betteln. Das fühlte sich umso erniedrigender an, sodass ich anfing zu weinen. »Aufhören, bitte!«, schluchzte ich. »Dominik, sag ihnen, dass sie aufhören sollen.«
»Leute, sie hat recht«, konnte ich Dominiks leise Stimme hören. »Sie hat uns nichts getan. Wir sollten das nicht tun.«
»Dom, du Weichei! Wir müssten dich gleich daneben anbinden. Du hast nichts in unserer Mitte zu suchen, wenn du das nicht abkannst!« Der Kerl mit der roten Schirmmütze schubste Dominik heftig, sodass er das Übergewicht verlor und mit dem Kopf gegen eine alte Holzkiste fiel und sich eine Platzwunde zuzog. Meine Aufmerksamkeit wurde dadurch wachgerüttelt und ich konnte wieder klarer sehen.
Und ich sah etwas ungemein Verstörendes. Die Anwesenden veränderten beim Anblick des frischen Blutes nämlich schlagartig ihr Äußeres. Unter ihren Augen traten dicke dunkle Venen hervor. Ihre Augäpfel waren auf einmal blutunterlaufen und ihre Eckzähne wuchsen zu Reißzähnen heran.
»Blut und Weiber. Die Nacht wird immer geiler!«, triumphierte der Dunkelhäutige und packte den benommenen Dominik an den Schultern und zog ihn an sich heran.
Mit einem fauchenden Geräusch öffnete er seinen Mund und schleckte das Blut, das über Dominiks Gesicht floss genussvoll mit der Zunge ab. »Hier ist auf jedenfalls kein Zeug drin«, triumphierte er und verfiel in eine Art Trance.
Ein hagerer rotblonder Lockenkopf sprang sofort dazu und zog weiteres Blut direkt aus der offenen Wunde. Ich konnte einfach nicht glauben, was ich da sah. Es waren wirklich Vampire! Waschechte Blutsauger. Diesen Anblick würde ich wohl niemals wieder aus meinem Kopf kriegen.
»So, meine Schmucke. Jetzt, wo die abgelenkt sind, können wir endlich unsere Zweisamkeit genießen.« Der pummelige Vampir bei mir hatte den Reißverschluss meines Oberteils ein ganzes Stück heruntergezogen und schob dieses an meiner rechten Halsseite nach unten.
»Du riechst gut«, stöhnte der Kerl, dessen Reißzähne ebenfalls deutlich hinter seinen schmalen Lippen zu erkennen waren. »Der Duft der Angst. Den liebe ich.« Er kam mit seinem Gesicht immer näher und schnüffelte wie ein wildes Tier meinen Hals entlang, während er mit den Händen meine Taille begrapschte.
Ich zappelte noch immer, aber der Kerl war kräftig und unerbittlich. »Gleich wirst du aufhören, zu heulen und dich mit mir zusammen freuen«, hauchte er, während seine spitzen Zähne nur noch wenige Millimeter von meiner Haut entfernt waren.
Noch nie im Leben hatte ich mir so sehr gewünscht, ohnmächtig zu werden. Ich wollte nichts mehr davon mitbekommen, was mit mir passierte. Es war ekelhaft, es war grausam.
Was mit dem armen Dominik geschah, konnte ich nicht erkennen. Ich sah ihn unter den durstigen Vampiren nicht mehr, konnte diese jedoch schmatzen und schlürfen hören. Ich war mir sicher, dass der Junge das nicht überleben würde. Vielleicht würden wir beide das nicht. Ich schloss meine Augen und wollte über mich ergehen lassen, was auch immer nun geschehen sollte.
Laute Schreie ließen die Vampire innehalten. Über uns schien die Hölle ausgebrochen zu sein. Wir hörten hektisches Rennen, Möbel fielen um.
»Macht, dass ihr wegkommt!«, kreischte eine Frauenstimme die Kellertreppe hinunter.
Ich konnte nicht sagen, ob es Vroni war. Dennoch waren alle Vampire sofort in Alarmbereitschaft und ließen von Dominik und mir ab. Keine wusste, wohin er sollte. Ein heilloses Durcheinander brach aus. Schimpfen, Fluchen, Schubsen, Treten. Ich konnte gerade noch einem schweren Schuh ausweichen. Angesteckt von der allgemeinen Panik riss und zerrte ich erneut an meinen Fesseln. Ich wollte endlich weg von diesem grauenhaften Ort. Was auch immer die Vampire derart in Angst und Schrecken versetzt hatte, konnte nur noch gefährlicher sein als sie selbst und ich hatte keine Lust, damit Bekanntschaft zu machen. Doch die kratzigen alten Seile wollten sich einfach nicht lösen.
O Alexis. Sag Lebewohl zu dieser Welt.
»Psst.« Eine Hand legte sich auf meinen Mund, dann hörte ich hinter mir ein metallisches Klicken. Vielleicht ein Taschenmesser? Tatsächlich! Jemand schnitt die Fesseln los. Eine Frau. Ich konnte zierliche Arme erkennen und roch ein blumiges Parfum.
»Wir gehen da hinten raus«, flüsterte eine Stimme, die ich nur zu gut kannte.
»Saskia?« Meine Kollegin trug komplett schwarze Klamotten und ihr Gesicht war durch eine Sturmhaube verhüllt.
»Ja, Marlowe hat deinen Hilferuf erhalten und sofort Land und Leute in Bewegung gesetzt. Du fühlst dich anscheinend wohl in solchen Gesellschaften, was?« Ich hätte niemals geglaubt, wie sehr ich mich über Saskia freuen könnte. Nachdem die Fesseln gelöst waren, fiel ich meiner biestigen Kollegin um den Hals.
»Dafür ist jetzt keine Zeit. Wir müssen hier weg.«
»Ey, wer ist das denn nun wieder?«, rief der bleiche Typ mit der roten Schirmmütze und starrte uns an.
Der Lärm in den oberen Stockwerken hatte schlagartig aufgehört, sodass die Aufmerksamkeit der Vampire ganz auf uns gerichtet war.
»Lauf! Da lang!«, rief Saskia und deutete auf einen Verschlag auf der rechten Seite des Kellers. Dahinter war ein zweiter Eingang.
»Keinen Schritt weiter!«, drohte der mit dem Ziegenbart und sprang auf Saskia zu. Diese zog eine Pistole – warte! Sie zog eine Wasserpistole aus dem Spielzeugabteil(!) unter ihrer Bomberjacke hervor und zielte mit einer klaren Flüssigkeit auf ihren Angreifer.
Dieser schrie daraufhin wie ein Ferkel auf und krümmte sich schmerzvoll am Boden.
»Keinen Schritt weiter!«, wiederholte Saskia dessen eigene Worte und richtete die Waffe drohend auf die übrigen Vampire. Dann folgte sie mir, ohne die Blutsauger den Rücken zu kehren.
Als ich das Gebäude verließ, wurde ich derart geblendet, dass ich mir den Arm vor die Augen halten musste. Jemand packte mich und zog mich mit sich, den Lichtern entgegen. Nach einigen Metern befanden wir uns offenbar hinter den Lichtquellen und ich konnte meine Augen öffnen, die sich aber nur langsam an die Umgebung gewöhnten. Neben mir stand eine weitere bekannte Person. René. Auch er hatte eine Wasserpistole in der Hand.
»Bleib hier. Du bist jetzt in Sicherheit, Alexis. Wir kümmern uns darum«, sagte er und rannte zurück zur Hütte.
Erst allmählich erfasste ich, was um mir herum passierte. Vier riesige Scheinwerfer waren auf das verwitterte Haus gerichtet. Mehrere Geländewagen umzingelte es. Eine Sturmtruppe, ebenfalls bewaffnet mit Spritzpistolen näherte sich dem Gebäude.
»Komm, Lex. Lass uns hier abhauen«, sagte Saskia und geleitete mich zu einem der Firmenwagen unserer Detektei.
»Was ist hier los?«, sagte ich tonlos und blickte mich immer wieder zu dieser skurrilen Szenerie um.
»Du hast der CF geholfen, eine Vampirbande aufzuspüren«, gab sich Sas kurz angebunden und öffnete mir die Beifahrertür. »Bist du in Ordnung?«
Ihre Frage war ehrlich. In ihren Augen sah ich Entsetzen und sie atmete schwer, als sie sich Zeit nahm, die Situation zu reflektieren. »Was haben die mit dir gemacht, diese Schweine?«
»Zum Glück noch nichts«, antwortete ich zitternd und rieb mir die wunden Handgelenke. »A-aber da ist noch jemand drin! Da ist noch ein Mensch drin! Dominik!« Der unschuldig wirkende Kerl, dem ich den ganzen Schlamassel zu verdanken hatte, fiel mir wieder ein. Vielleicht hatten die Vampire ihn noch nicht getötet. »Er braucht Hilfe! Er ist verletzt!«, rief ich in Richtung des Hauses.
»Die machen das schon. Du hast für heute genug getan. Komm, Lex. Wilhelm wartet in der Garage auf uns«, sagte Saskia und startete den Motor.
»Wo ist Marlowe?«, wollte ich wissen und suchte ihn hektisch auf der Rückbank des Kleintransporters.
»Er ist auch in der Garage. Hier, trink einen Schluck.« Saskia reichte mir eine Flasche Mineralwasser. Dabei fiel mir noch etwas ein.
»Ich habe ihr Blut getrunken«, jammerte ich voller Ekel. »Die eine Vampirin hat mir ihr blutendes Handgelenk an den Mund gepresst. Ich musste trinken. Was passiert denn jetzt mit mir?« Ich zitterte wie Espenlaub.
»Hoffentlich nichts«, antwortete Saskia und fuhr plötzlich langsamer. Mehr sagte sie nicht dazu. »Mach dir keine Sorgen. Ich bringe dich sicher nach Hause.«
»Ich kann das nicht mehr«, schluchzte ich und konnte das Zittern meines Körpers nicht kontrollieren. »Ich verlasse die Detektei und die CF. Ich will so was nicht noch mal erleben. Nie wieder.«
»Es hat keiner gesagt, dass du dich entführen lassen sollst«, rüffelte mich Saskia an. Recht hatte sie. Das ging eindeutig auf meine eigene Blödheit zurück. Ich hatte mich durch den GPS-Sender zu sicher gefühlt. Und ich hatte Marlowe vertraut. Doch ich hätte nie mit einer derartigen Eskalation der Situation gerechnet.
»Warum habt ihr nie gesagt, dass es hier Vampire gibt und wie man diese erkennt? Sie sehen aus wie normale Menschen«, fuhr ich Saskia harscher an, als beabsichtigt.
»Weil wir das selbst nicht wussten.« Sie klang verzweifelt. »Soweit ich weiß, hat es hier in der Gegend seit Jahrzehnten keine Vampire mehr gegeben. Das ist auch nicht unser Aufgabengebiet, dafür sind wir gar nicht geschult. Für Vampire hat die CF eine eigene Abteilung. Wir sollen Geister und Fabeltiere aufspüren und Letztere in ihre Welt zurückbringen. Lex, ich bin genauso überfordert von dieser Situation.«
Ich glaubte ihr und war froh, dass sie bei mir war. Ich trank einen Schluck Wasser und versuchte, an einen Rasselbock zu denken. Was mir nicht gelang. Fräulein Strupps Atemübungen halfen aber immerhin ein bisschen, mich zu beruhigen. Selbst das Brummen des Motors schien eine entspannende Wirkung auf mich zu haben. Es war noch immer dunkel draußen. Die Autouhr zeigte 4:09 Uhr an. Lediglich eine Stunde hatte ich mich in der Vampirhölle befunden. Es kam mir vor wie eine Ewigkeit.
Gegen 5:15 Uhr bogen wir endlich auf den Parkplatz der Detektei ein. Saskia half mir beim Aussteigen und stützte mich auf dem Weg ins Gebäude. Meine Beine fühlten sich an wie Wackelpudding. Ich konnte Wilhelm auf und ab gehen sehen, als wir zur Tür hereinkamen. Marlowe saß mit Charles auf dem Schoß auf dem Ledersofa und sah mit seinen zerzausten Haaren und den großen dunklen, müde dreinblickenden Augen selbst aus wie ein Hundebaby.
»For god’s sake! Da seid ihr ja«, erhob Marlowe sich und sein Corgi begrüßte uns fröhlich winselnd, als ob nicht Schlimmes passiert wäre.
Ich hielt mich zurück, damit er seine Freundin in den Arm nehmen konnte. Das tat Marlowe allerdings nicht. Würde ich ihn nicht besser kennen, hätte ich gesagt, dass der Boss Selbiges stattdessen mit mir tun wollte. Wilhelm kam ihm jedoch zuvor.
»Was machst du für Sachen, Kindchen!?«, rief er, während er mich fest an sich drückte.
»Tja, mich von Vampiren entführen lassen, zum Beispiel.« Gepresst an Wilhelms großen, warmen und weichen Körper fühlte ich mich wie ein Kind. Passend dazu liefen mir wieder Tränen übers Gesicht. »Ist gut. Jetzt bist du ja in Sicherheit, Lexi.« Der ehemalige Polizist streichelte mir über den Kopf.
»Mein Handy ist noch dort!«, fiel mir plötzlich ein und ich wurde erneut panisch.
»Keine Angst, die CF findet es und gibt es dir zurück. Andernfalls löst unsere App die Selbstzerstörung des Gerätes aus«, erklärte mir Wilhelm in aller Seelenruhe.
»Seit wann wisst ihr davon?«, zischte Saskia neben mir und giftete Wilhelm an. »Seit wann weiß die CF, dass wir ein Vampirproblem haben? Wir hätten auf so etwas vorbereitet werden müssen!«
Wilhelm nickte stumm und kratzte sich am Kinn. »Bislang waren es nur vage Vermutungen. Wir haben auch Alexis’ Beobachtungen aufgenommen. Die CF wird jetzt untersuchen, in welchem Zusammenhang das alles zum heutigen Vorfall steht. Wir setzten euch umgehend darüber in Kenntnis, was wir herausfinden. Die Vampire von heute werden mittlerweile längst verbrannt sein. Vor denen müsst ihr keine Angst mehr haben«, sagte Wilhelm mit einem milden Lächeln auf den vollen Lippen.
»Keine Angst«, spuckte Saskia aus. »Diese Kerle entführen Menschen von einer öffentlichen Party. Die ganze Stadt sollte Angst haben.«
Saskia schmiss sich, haareraufend aufs Sofa.
»Etwas Derartiges wird nicht wieder vorkommen. Außerdem hatten wir Glück, dass Lexi so souverän reagiert hat!« Wilhelm schlug mir anerkennend auf die Schulter.
»Aber nur, weil ich nicht manipuliert werden konnte«, erklärte ich. »Ansonsten wäre ich für die nicht solch ein Kuriosum gewesen und sie hätten mir längst etwas angetan. Außerdem konnte ich mein Ass im Ärmel einsetzten.«
»Das da wäre?«, fragte Wilhelm und lehnte sich an den Empfangstresen.
»Walther. Ich behauptete, ich würde Walther kennen. Wer er auch sein mag, sie kannten ihn. Und ich habe den Kerl mit der roten Schirmmütze dort wiedergesehen.«
»Und das Symbol?«, hakte Saskia nach. Sie hatte das Zeichen des Tattoomannes analysiert, es aber bislang noch nicht einordnen können.
Ich schüttelte den Kopf. »Das habe ich nicht gesehen und leider keine Gelegenheit gehabt, die Thema Tätowierung anzusprechen. Dennoch bin ich überzeugt, dass der Tattoomann ebenfalls ein Vampir ist. Er war genauso schnell und hatte versucht, mich zu manipulieren.«
»Aber warum funktioniert das bei dir nicht?«, wunderte sich Wilhelm. »Hattest du was im Tee?«
»Verzeihung?«, wunderte ich mich über diese deplatziert wirkende Frage.
»Eisenkraut? Wenn ein Mensch Eisenkraut zu sich nimmt, ist er vor Manipulationen durch Vampire geschützt.«
»Nicht, dass ich wüsste. Aber sie haben irgendetwas von einem Zeug geredet, dass ich in meinem Blut haben könnte. Ich checke zu Hause mal die Teemischungen. Apropos zu Hause! Ich würde jetzt gern genau dorthin gehen, wenn es keine Umstände macht.« Ich gähnte und konnte kaum noch die Augen offen halten.
»Sie hat Vampirblut im Kreislauf«, warf Saskia ein, woraufhin Wilhelm und Marlowe zusammenzuckten.
»Dann bleibt sie auf jeden Fall hier«, sprach mein Boss und warf mir einen besorgten Blick zu.