Danik hielt den Atem an. Der große Biker hatte gerade nach Blancas Haaren gegriffen! Das konnte er nicht zulassen! Er musste reagieren! Doch er war wie erstarrt. Der Biker hielt plötzlich inne und Blancas Stimme zerschnitt die Stille.
„Nimm deine dreckigen Pfoten Weg, Großer, sonst schlitze ich dich auf!“, sagte sie mit schneidender Stimme.
Der Biker sah Blanca erstaunt an.
„Ach ja? Und womit?“
„Hiermit“, sagte sie und hielt ihm ein ausgeklapptes Messer an die Brust, genau dort wo sich auf seiner Kutte ein Aufnäher befand, der einen Totenschädel über gekreuzten Knochen zeigte. Danik löste sich aus seine Erstarrung. Er musste etwas tun! Das hier konnte schnell eskalieren.
„Was denn? Etwa mit diesem Zahnstocher? Die Klinge ist so klein und dünn, die kitzelt mich ja nur“.
Der Bike lachte laut und grölend.
„Ja, ja, das Lachen wird dir noch vergehen. Erst bohr ich dir hier ein kleines Loch rein“, sagte Blanca und strich mit der Klinge über seine Weste,
„dann drehe ich die Klinge etwas in der Wunde um... Etwa so… und dann ziehe ich sie raus und stecke das Messer mit dem Griff voran in deine Wunde. Und dann…“,
sagte Blanca und machte eine hämmernde Bewegung mit ihrer anderen Faust,
„steche ihn dir den Griff in dein verdorbenes Herz.“
„Ach ja? Und was ist das da für ein Griff?“
„Esche. Bestes Eschenholz.“
„Nicht schlecht, nicht schlecht. Aber wie willst du all dies machen, wenn ich deine Hände voll im Griff habe.“
Plötzlich schossen die großen Hände des Bikers vor und packten ihre Handgelenke. Dann zog er sie ruckartig, ihre Füße über den Asphalt schleifend von Daniks Schulter zu sich hin.
„Und Jetzt? Was machst du nun, kleines Mädchen?“,
fragte der Biker und sah triumphierend auf sie herab.
„Na, ganz einfach: ich entwinde mich“, sagte Blanca, drehte beide Handgelenke in einer schnellen Bewegung und befreite sich aus den großen Fäusten des Riesen.
„Okay… und nun?“, fragte er verblüfft.
„Und nun? Jetzt gibt’s noch etwas Nachschlag, genau dorthin, wo es euch Männern besonders weh tut“, sagte sie und führte ihr Knie langsam in Richtung seiner Leistengegend und ließ es dort drohend verweilen.
„Okay, okay… halt! Das reicht!“, sagte der Biker und trat einen Schritt zurück von Blanca. Erleichtert atmete Danik aus, nur um dann einen Moment später, beinahe vor Überraschung aufzuschreien. Denn Blanca reckte sich plötzlich zum Biker hoch, legte ihre Arme um seinen Hals und küsste ihn auf die Wange. Danik erstarrte. Was war denn jetzt los? Der Biker ergriff Blancas kleinen Körper, hob ihn in die Luft und wirbelte sie im Kreis herum.
„Blanca, mein Schätzchen, wie schön dich zu sehen…“
„Reap, du alter Gauner“,
lachte Blanca fröhlich,
„wie geht es dir?“
Danik kamen aus dem Staunen nicht mehr aus. Die beiden kannten sich? Und was war das dann für eine Show gewesen? Von wegen ‚ich schlitz dich auf‘ und so?
„Was… was ist hier los?“ fragte Danik und sah Blanca fragend an.
„Ach… äh, entschuldige. Danik, das hier ist Reap, ein guter alter Freund.“
„Reap, das ist Danik.“
Der große Biker warf einen kurzen, scheinbar mitleidigen Blick, auf ihn, dann sah er Blanca wieder an.
„Du weißt seinen Namen?“
„Natürlich. Ich weiß doch auch deinen.“
„Was habe ich dich gelehrt?“
„Keine Namen.“
„Genau. Keine Namen! Spender sind Spender.“
„Das weiß ich doch.“
„Ach ja? Und warum handelst du nicht danach?“
„Ich… weiß selber, was das Beste ist! Wie… und… wann.. ich was mache. Ich bin kein Kind mehr, Reap!“
„Nein? Aber Manchmal kommst du mir so vor.“
„Das ist weil ich klein bin. Klein! Und das werde ich auch immer bleiben. Vielen lieben verdammten Dank an meinen Erzeuger dafür! Richte ihm das aus.“
„Ich werd den Teufel tun.", sagte er heftig. Dann sah er sie an und atemtete schwer aus. Seine große Hand fuhr sanft über ihr Haar.
„Komm schon, Kleine, sei vernünftig. Mir zur Liebe. Frag sie nie nach ihren Namen. Verbring nicht zu viel Zeit mit ihnen. Und – warte einfach nicht so lang.“
„Ach, Reap…“, seufzte Blanca.
„Doch, Kleine! Ich meines es ernst. Warte nicht zu lang! Ich seh’s doch – du bist schon ganz schwach. Du brauchst dringend frisches… frisches… du weißt schon.
„Ja, ich weiß.“
„Na also. Komm schon, Blanca, fackel nicht lange. Macht euch auf... nimm die Abkürzung... und dann… amüsiert euch“.
Der Biker wandte sich plötzlich zu Danik um, legte eine Pranke auf seine Schulte, beugte sich über ihn und flüsterte ihm ins Ohr.
„Lass dir eins sagen, mein Junge: Hab Spaß heute Nacht! Du bist jung – und das Leben ist kurz. Nimm dir alles, was du kriegen kannst“, dann schob er Blanca in seine Richtung, dass die beiden leicht mit dem Körpker gegeneinander prallten.
„Amüsiert euch, ihr beiden“, sagte er und zwinkerte ihnen zu.
Danik und Blanca sahen sich peinlich berührt an.
„Reap...“, protestierte Blanca, „also manchmal könnte ich dich.... wir sind nicht…“
„Ja, ja, schon gut. Muss ja nicht heute sein“, sagte der alte Biker und zwinkerte den beiden wieder zu,
„So dann, noch einen schönen Abend, ihr Täubchen“, lachte Reap, winkte ihnen noch einmal zu und verschwand schnellen Schrittes in der Bar.
"O-okaaay“, stammelte Danik und sah Blanca an,
„das war… strange.“
„Oh ja.. Reap ist schon ein wenig seltsam.“
„Reap….? Was ist das überhaupt für ein Name?“
„Ach so, ja, ja… Reap steht für Reaper… den Sensemann. Das ist sein Spitzname.“
„Das klingt ja sehr... sympathisch“, sagte Danik und verzog das Gesicht.
„Na ja, er ist halt Mitglied eines Motorradclubs, da haben die alle solche Namen. Aber Reap ist echt in Ordnung.“
„Woher kennst du ihn?“
„Ach... er ist der Bruder eines Freundes eines Onkels eines Nachbarn… du weißt schon…‘“
„Ja, verstehe.“
„Komm, lass uns weitergehen. Wir wollen ja heute noch nach Hause kommen, oder?“
„Ja, ja… richtig."
Die beiden marschierten eine Weile die Straße entlang. Dann kamen sie an einem Maschendrahtzaun vorbei, hinter dem eine groß verwilderte Hecke wuchs.
Plötzlich blieb Blanca unvermittelt stehen. Danik wandte sich zu ihr um.
„Was ist?“, fragte er.
„Ich habe eine Idee. Lass uns... lass und doch hier lang gehen. Das ist eine Abkürzung.“
„Etwa über das alte Industriegelände?“
„Ja, genau.“
„Okaaay… mitten in der Nacht?“
„Ja.“
„Das ist schon etwas... äh... creepy.“
„Hast du... Angst?“
„Ich? Äh… nein, nein.“
„Na, siehst du.“
„Hmmm… ist das wirklich eine Abkürzung?“
„Ja, so weit ich weiß, ja.“
„Aber ganz sicher bist du dir nicht?“
„Nein, nicht ganz.“
Er sah sie zweifelnd an.
„Ach komm schon“, sagte sie und ihre Hand streifte die seine für einen Augenblick. Er erschauderte unter der kurzen Berührung.
„Ist dir kalt?“, frage sie.
„Äh, ja, ein bisschen. Und dir?“
„Nein. Überhaupt nicht.“
„Strange. Und das obwohl du so… äh… sommerlich gekleidet bist…“
„Tja, ich friere eben selten.“
„Und da dachte ich Mädchen, frieren so leicht.“
„Tja, nicht alle. Wir sind eben nicht alle gleich.“
Sie zwinkerte ihm zu. Er hob die Augenbrauen.
Sie lachte. Ihr Lachen war glockenhell. Es klang wie Musik in seinen Ohren.
Dann sah sie an, verzog ihre Lippen zu einer Schnute und gab ihren großen blauen Augen einen flehenden Blick.
„Komm schon, Danik, lass es uns versuchen. Bitte, bitte!“
Danik lachte.
„Na gut, na gut... wenn du mich so nett darum bittest.“
„Alles klar. Hier schau... hier ist schon das Loch."
Danik sah ein Loch im Maschendrahtzaun, über den sich ein Stacheldraht spannte. Auch in der Hecke war ein Loch, wodurch man sich sicher hindurchzwängen könnte. Blanca kroch hindurch. Danik folgte ihr zögernd.
Auf einmal waren die drüben. Im Mondenschein sah Danik die Gebäude der alten Fabrik. Blanca ging voraus. Sie schien schon etwas sicherer auf ihren Beinen als zuvor. Sie gingen eine ganze Weile an alten Ziegelgebäuden vorbei. Auch das eine oder andere rostige Fahrzeug stand herum. Irgendwann spürte Danik einen Druck auf der Blase.
„Äh, ich müsste mal.“
„Okay“
„Ich gehe dann mal…. Ein paar Schritte in… diese Richtung. Also… ich lass dich ja nicht gern im Dunkel allein… aber wenn's dir irgendwie unangenehm ist oder so. Also… such’s dir aus. Ja?“
„Alles klar.“
Er ging ein paar Schritte in Richtung zu einem Gebäude. Vor der Wand eines Ziegelgebäudes hielt er an und stellte sich breitbeinig hin.
Blanca schlich ihm nach. Bis sie in seinem Rücken stand. Sie hörte, dass Geräusch, als er den Reißverschluss seiner Hose öffnete. Dann hörte sie ein prasselndes Geräusch auf dem Ashalt. Blanca betrachtete den Hals des Jungen, der im Licht des Vollmonds jetzt weiß und etwas silbrig schimmerte. Sie glaubte unter seiner warmen Haut die vielen gut gefüllten Adern und Venen zu spüren. In ihren Ohren hörte sie nur das Rauschen seines zirkulierneden Blutes. Ein Schauder erfasste durch Blancas Körper. Ihre Hänge fingen an zu zittern. Dann in einer abrupten warf sie den Kopf in den Nacken und öffnete den Mund. Zwei lange Reißzähne wurden sichtbar. Die Spitzen gläntzen im Licht des vollen Mondes.
„Ahhh…“