Als das erste Licht des Tages hereinbrach und den Wald in einen goldenen Glanz einhüllte, hatte das Pinselohrschwein endlich einen Einfall gehabt. Vorsichtig schubste es das Kleine an, welches eng an ihn gekuschelt schlief. „Ich hab’s“, flüsterte der Große.
„Du hast eine Familie für mich?“ Aufgeregt rannte das Kleine fröhlich grunzend um ihn, jede Müdigkeit war aus dessen Zügen gewichen.
„Lass uns losgehen, es wird ein langer Marsch.“
Aber es war nicht wichtig, wie weit die beiden zu laufen hatten, denn die Vorfreude führte sie schnell und mühelos an den Ort, den das Pinselohrschwein für das Ferkelchen auserkoren hatte.
Nervös standen die beiden vor einer Tür, die in das Innere eines riesigen Hauses führte. Oberhalb der Tür hing eine Laterne, in der ein Feuerwesen flackerte, welches sie neugierig beobachtete. Sein loderndes Licht ließ Punkte über das Namensschild neben der Tür tanzen. Umrahmt von einem Spiel aus Licht und Schatten, stand dort „Meisterbellologe“ geschrieben.
Das Herz des kleinen Sattelschweinchens hüpfte ihm fast aus der Brust. Vom Meisterbellologen hatte es gehört. Er war ein schlauer Mensch, der Tiere und die Natur liebte und stets sein Bestes für sie gab.
Das Pinselohrschwein grinste zufrieden, als es die Bewunderung im Gesicht des Sattelschweinchens sah. Der Große trat näher an die Tür heran und stellte sich auf die Hinterbeine, um mit der langen Schweinenase die Klingel zu betätigen.
Kurz darauf folgte Tumult im Inneren. Dumpfes Lachen und wildes Getobe, ehe die Tür geöffnet wurde und gleich vier Köpfe dahinter erschienen. Ein hochgewachsener Mann, mit freundlichen Augen, den das Schweinchen sofort als Meisterbellologen erkannte. Er hatte den Arm um eine etwas kleinere Frau gelegt, die freundlich Lächelte. Das musste seine Frau sein, auch von ihr hatte das Kleine schon viel Gutes gehört. Aber wer war der kleine Rote Panda und der blaue Sternenbeerendrache auf ihren Schultern?
„Hallo, wer bist denn du?“, fragte der Meisterbellologe und kniete sich zu ihnen herunter, aber nicht, ohne seinen alten Freund, das Pinselohrschwein, kraulend zu grüßen. Auch seine Frau setze sich auf den Boden und versuchte die beiden Tiere zu beruhigen, die freudig auf die Schweine zu gerannt kamen.
„Giggles, Kobacht, lasst sie doch erstmal ankommen. Sie sind sicher weit gereist.“ Der Rote Panda und der Sternenbeerendrache hielten sofort inne und sprangen dann zurück, kuschelten sich eng an die Frau an. „Tut mir leid, Mama“, sagten sie fast wie im Chor.
Das kleine Sattelschwein, das alles fasziniert beobachtet hatte, nahm endlich den Mut zusammen.
„I-ich su-suche eine Fa-Familie.“
Der Meisterbellologe nickte wissend. „Das habe ich mir fast gedacht.“ Er blickte zu seiner Frau herüber und schmunzelte. Sie würde sicher nichts dagegen haben, da er von ihrer tiefen Liebe zu Schweinen wusste, aber fragen musste er sie dennoch.
Doch noch ehe er den Mund geöffnet hatte, blickten drei zuckersüße Gesichter zu ihm auf. Ein jedes einzelne flehte ihn an, „Ja“ zu sagen.
Der Meisterbellologe hustete mit vorgehaltener Hand, um ein Lachen zu unterdrücken.
„Du bist herzlich bei uns willkommen…“
Das kleine Schweinchen trappelte aufgeregt mit den Vorderfüßen und grunzte.
„…, aber zuvor solltest du uns wissen lassen, was du dir für eine Familie wünschst. Immerhin sollten wir sichergehen, dass wir auch die Richtigen für dich finden.“
Das Sattelschweinchen stoppte abrupt und sah traurig zu Boden. Er hatte wohl recht, ganz so einfach konnte man keine Familie finden. Das wäre zu schön gewesen.
„Na los“, ermutigte ihn nun das Pinselohr und lächelte es an.
„Sie sollten liebevoll sein, zusammenhalten und sich immer unterstützen“, begann das Schweinchen, den es wusste, dass zumindest diese Punkte zutrafen. Es gab viele Geschichten über die Familie des Meisterbellologen und sie alle handelten von Liebe und Fürsorge füreinander.
„Flauschig sollten sie sein und lustig“, fuhr es fort und war sich auch hier sicher, dass jemand, der als Flauschbärprophet galt, die Flauschigkeit immer mit sich trug – vor allem in seiner eigenen Familie. Und dass sie lustig waren, konnte das Schweinchen an dem breiten Grinsen sehen, das die vier Wesen miteinander verband.
„Wärme“, sprach das Schweinchen nun aus und die Sorge wuchs, dass es sich zu viel gewünscht hatte. Doch die braunhaarige Frau kicherte so ausgelassen, dass das Schweinchen bereits einen Teil dieser Wärme spüren konnte.
Sie zeigte auf ihren Mann: „Der da ist eine Heizung, frieren wirst du nicht.“
„Und mit mir auch nicht.“ Der blaue Drache kam vorsichtig näher herangeflogen, wild flatterte er mit den goldenen Flügelchen und pustete eine blaue, herzförmige Flamme aus, deren Wärme sich schützend um das Sattelschweinchen legte. Vor Staunen fing das Kleine an zu quieken und die anderen Anwesenden stiegen in das Kichern der Frau mit ein.
Der Sternenbeerendrache landete neben dem kleinen Sattelschwein. „Und was noch?“
Neugierig beschnupperte das Ferkelchen den etwas Größeren, ehe sein Blick zu dem Fellknäul wanderte, das um den Meisterbellologen herumsprang.
„Es sollte Rote Pandas geben“, gestand das Schweinchen.
Das rotbraune Fellknäul hielt inne und blickte unverwandt zum Schweinchen, ehe es auf es zu sprang und es umflauschte. Lachend und quiekend fielen die beiden um und kuschelten miteinander.
„Ich bin ein Roter Panda“, sagte Giggles. „Manchmal bin ich aber auch eine Bartagame.“
„Giggles“, lachte der Meisterbellologe nun auf und versicherte sich, dass sich keiner der beiden verletzt hatte. Liebevoll strich er mit seinen großen Händen über die Köpfe der beiden und kraulte zuletzt auch Kobacht.
Das Schweinchen genoss das Gefühl und war beinahe traurig, als es aufhörte.
„Noch etwas?“, fragte der Mann mit den freundlichen Augen nun.
Das Kleine sah auf zu den flauschigen Ohren des Pinselohrschweins. „Pinselohren“, murmelte das Sattelschweinchen und war sich sicher, dass das sein Ende war. Keiner der vier besaß Pinselohren, also würden sie das Schweinchen auch nicht aufnehmen.
„Das wird schwierig“, bedachte der Meisterbellologe laut. „Aber wenn es dir reicht…“, er wies auf seine Frau und tippte ihr ans Ohr, „…meine Frau ist ein echter Lux….chs, die haben auch Pinselohren.“
Die Braunhaarige warf ihm einen zugleich empörten, als auch liebevollen Blick zu. „Und im Notfall, gehen wir deinen pinselohrigen Freund hier einfach ganz oft besuchen.“
Das Schweinchen verstand nicht so recht, wovon der Meisterbellologe geredet hatte, aber das würde sich schon noch aufklären. Aber am Wichtigsten war, dass es kein Ausschlusskriterium bildete. Dem Schweinchen selbst war es gar nicht mehr so wichtig, Pinselohren in der Familie zu haben, aber wenn es bedeutete, dass es seinen Freund häufiger sehen konnte, würde es sich sicher nicht beschweren. Und irgendwie war er ja auch sowas wie ein netter Onkel für das Ferkelchen.
„Eine Sache gibt es da noch“, brachte das große Schwein nun an. Sein Lächeln verreit, dass er sich sehr freute, das Kleine wiedersehen zu können. Vor allem aber, dass sie die Richtigen für das Sattelschweinchen zu sein schienen.
Das kleine Schweinchen klang wehmütig und unsicher. „Ich wünsche mir einen Namen.“
„Sus scrofa domesticus“, brach es aus Giggles und Kobacht gleichzeitig heraus. Die Beiden hatten den Geschichten ihres Vaters, über die lange ausgestorbenen Sattelschweine, wohl aufmerksam gelauscht. Es schien aber keinen der Anwesenden zu stören, dass da dennoch eines vor ihnen saß, zumindest fragte für den Moment niemand nach. Irgendwann würden sie des dem kleinen Schweinchen schon noch erklären.
„Ist das mein neuer Name?“, fragte dieses nun und versuchte das Missfallen zu unterdrücken. Das war kein schöner Name für ein junges Schweinchen.
„Nein, so heißt du auf schlau.“ Wieder redeten die Brüder wie aus einem Munde und brachten das Kleine doch noch zu einem grunzenden Lachen.
Der Meisterbellologe stupste kaum merklich seine Frau an.
„Baaaacoooon!“, rief diese nun verzückt aus und das Sattelschweinchen war so begeistert von dem Klang, dass es fröhlich Quiekte.
„Oh ja, das ist ein schöner Name!“
Wieder lachten alle Anwesenden, vor allem Mochi. Eines Tages würde Bacon herausfinden, was das für ein seltsamer Name war. Mochi.
„Heißt das, ich darf ein Teil eurer Familie sein?“, fragte Bacon schüchtern.
„Möchtest du das denn?“, wollte der Meisterbellologe wissen.
„Jaaaa!“ Bacon quiekte hoffnungsvoll, ihre Augen glänzten vor Sehnsucht.
Dann breitete die Frau des Meisterbellologen die Arme aus und Bacon sprang ohne weiter nachzudenken auf sie zu und kuschelte sich in eine enge, flauschig warme Umarmung. Der Meisterbellologe, Giggles, Kobacht und auch Mochi flauschten sich mit an.
„Willkommen Zuhause“, flüsterte die Familie nahezu gleichzeitig. Das schien wohl so ein Familiending zu sein. Das würde Bacon auch noch lernen.
Und Mochi grunzte zufrieden, denn er wusste, dass es keine bessere Familie für die kleine Bacon gab. Endlich hatte sie ein Zuhause gefunden. Eines, dass sie sich so sehr gewünscht hatte.