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Kapitel 2:
Eine Prise Normalität
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Noch bevor mein Liebster aus dem Bett steigt, ist mein Tag in vollem Gange. Während er die vielen Stunden Schlaf nachholt, die er in Los Angeles verloren hat, mache ich mir Frühstück, rolle meine Yogamatte aus und gehe meinem täglichen Workout nach, außerdem nehme ich eine Dusche und telefoniere mit meiner Freundin Lauren, um eine Reklamation aus meinem Onlineshop abzuklären. Da Lauren sich bereits um alles gekümmert hat, gewinne ich unerwartete Freizeit, für die ich eine gute Verwendung finde.
Killian einen guten Start in den Tag zu garantieren, ist eine meiner liebsten Beschäftigungen. Schon seit den Anfängen unserer Beziehung war es mir wichtig, ihm durch Kleinigkeiten eine Freude zu bereiten und dafür zu sorgen, dass er sich umsorgt und geliebt fühlt. Natürlich revanchiert er sich, doch ich investiere meine Liebe nicht, um etwas daraus zu gewinnen. Für mich ist es wichtig, dass sich die Menschen in meinem Leben wohlfühlen.
Ich kann hören, dass die Dusche nicht mehr läuft. Mein Liebster sollte also gleich für zwischenmenschliche Interaktionen bereit sein. Fröhlich zu dem Song auf meiner Playlist summend, stelle ich den Teller mit Killians Frühstück auf den Esstisch. Mein Weg führt mich noch einmal zurück in die Küche, wo die Tasse mit seinem Kaffee bereits auf mich wartet. Ich rühre noch etwas Zucker in Killians Lebenselixier und stelle die Tasse zusammen mit einem Glas Wasser und einem weiteren Glas, in dem sich Orangensaft befindet, zu seinem Frühstück. Ich werde gerade rechtzeitig fertig, denn Killian schlendert in den Wohnbereich. Strähnen seines noch feuchten Haares hängen ihm ins Gesicht, doch mit einem lässigen Handgriff ist dieses Problem schnell gelöst. Ich kann nicht anders, als breit zu lächeln, als ich Killian erblicke. Er sieht zu gut aus, um nicht von mir angeschmachtet zu werden.
„Ich rieche Bacon“, stellt er fest, als er seiner Nase in die Küche folgt und in die leere Pfanne blickt.
„Dein Bacon wartet auf dem Tisch auf dich“, antworte ich ihm und drücke ihm einen Kuss auf die Wange. „Eigentlich sollte ich erst einmal ‚Guten Morgen‘ sagen.“
„Ja, ich auch, aber der Duft hat mich abgelenkt, tut mir leid, Prinzessin. Guten Morgen.“ Ich werde fest umarmt. Die Wärme, die von ihm ausgeht ist angenehm. Er duftet ausgesprochen gut. Das neue Duschgel harmoniert perfekt mit seiner Körperchemie. Am liebsten würde ich ihn gar nicht mehr loslassen, doch er nimmt Abstand von mir. Sein zufriedenes Lächeln bringt auch mich wieder zum Lächeln. Er küsst meine Stirn und schon folge ich meinem Liebsten zum Esstisch. „Das sieht ja lecker aus.“ Killian setzt sich, dann greift er schon nach seiner Kaffeetasse.
„Der Toast ist vielleicht ein bisschen zu braun geworden“, antworte ich abwägend, doch er schnaubt nur amüsiert. Auch ich setze mich. „Ich hätte dir ja Ersatz gemacht, aber dann warst du doch schneller geduscht, als ich dachte.“
„Ach, so lange ich mir keinen Zahn ausbreche, ist alles gut.“ Killian legt seine Hand an meinen Unterarm und streichelt mich. „Das sieht alles sehr köstlich aus. Vielen Dank. Vor allem für den Kaffee, den brauche ich jetzt mehr als alles andere.“
„Du siehst schon deutlich frischer aus als gestern.“ Ich lehne mich an meinen Arm und sehe Killian dabei zu, wie er vorsichtig in seine Kaffeetasse pustet. „Hast du alles, was du brauchst?“
Er nickt. „Alles gut, ich bin mehr als zufrieden. Vielen Dank, Prinzessin.“ Killians Blick ruht für einen Moment auf mir. „Atme tief durch und entspann dich. Ich kann schon fast hören, wie deine Gedanken nach einer neuen Beschäftigung suchen.“
„Du kennst mich schon viel zu gut“, antworte ich ihm amüsiert. Während Killian frühstückt, sehe ich ihm ein paar Minuten zu. Davon lässt er sich jedoch nicht stören.
Da mir aber tatsächlich schnell wieder langweilig wird, stehe ich auf, um nach meinem Smartphone zu suchen. Ich bin ziemlich sicher, dass ich es noch hatte, als ich Yoga gemacht habe, immerhin hatte ich meine Yoga-Playlist an, dann habe ich sie gewechselt, also musste ich es wieder in der Hand halten. Ich spaziere durch das Wohnzimmer, dann noch einmal an Killian vorbei und wieder in die Küche. Weit kann es nicht sein, immerhin war ich den ganzen Morgen zu Hause.
„Suchst du etwas, Prinzessin?“, fragt Killian mich.
„Mein Smartphone. Ich versuche gerade meinen Tag zu rekonstruieren.“
„Kann es sein, dass du die Kräuter gegossen hast?“
„Möglich“, erinnere ich mich. Ich eile hinaus auf die Terrasse und entdecke mein Smartphone auf dem kleinen Tisch, den man von Killians Platz natürlich perfekt im Blick hat. „Danke, du bist mein Held.“ Mit meinem Smartphone trete ich wieder zurück ins Haus, die Schiebetür lasse ich jedoch geöffnet. Wenige Schritte weiter bin ich wieder am Esstisch angelangt. Sanft drücke ich Killians Kopf an mich und streiche durch sein Haar, dann setze ich mich wieder an den Tisch. „Schmeckt’s dir?“
„Ja, ist lecker. Tausendmal besser als die grünen Smoothies.“
Ich kichere. „Aber sie sind gesund. Und so übel sind sie gar nicht.“
„Wenn man schlecht gelaunt ist, sind sie übel und ich bin morgens schlecht gelaunt, wenn ich weiß, dass ein grüner Smoothie auf mich wartet.“
Ich verstecke mein leises Lachen hinter meiner Hand. Killians Blick trifft meinen, da wende ich mich von ihm ab und betrachte lieber die Wand mit den vielen Fotos von uns beiden. Auf den Fotos kann man deutlich erkennen, dass Killian sich verändert hat. Durch die regelmäßige Bewegung hat er einige Pfunde verloren. Ein Fitnessmodel ist er noch lange nicht und das muss er auch gar nicht sein, doch seine Fortschritte sind nicht zu übersehen. Seine gesamte Körperhaltung wirkt deutlich selbstbewusster. Er lächelt auf den neuen Fotos auch weniger verkniffen als damals. Ich bin ziemlich sicher, dass sein Erfolg einen großen Teil dazu beigetragen hat, sich endlich in seiner Haut wohlfühlen zu können. Viele alltägliche Kleinigkeiten, die ihn noch vor wenigen Jahren belastet haben, haben ihr Gewicht verloren. Mein Blick fällt wieder auf Killian. Gut, morgens wirkt er zwar immer noch etwas zerknautscht, den Morgenmuffel wird er wohl niemals loswerden. Das ist allerdings auch ein großer Teil seines Charmes. Auch wenn er es nicht hören will, empfinde ich es als niedlich, wenn er morgens in sein Kissen grummelt, anstatt aus dem Bett zu steigen.
Killian reibt sich sein Auge, dann trinkt er von seinem Orangensaft. „Steht ausruhen für heute noch auf deinem Plan oder hast du etwas vor?“, erkundigt er sich.
Ich sehe ihm beim Essen zu, während ich überlege. „Geplant ist, dass ich erst wieder Ende der Woche an meinem Schmuck arbeite. Es gibt noch ein paar Restposten von der letzten Kollektion und einige Stücke der Lowbudget-Kollektion sind auch noch zu haben, der Shop ist also noch nicht leer.“
„Dann hast du Zeit für mich?“, hakt er weiter nach.
Ich strecke mein Bein aus und streiche damit über seinen Schenkel. Killian zu berühren macht mich glücklich. „Für dich nehme ich mir alle Zeit der Welt. Eigentlich will ich jetzt gerade sogar auf deinem Schoß sitzen und mich an dich kuscheln.“
Mein Liebster zieht einen Mundwinkel hoch und rutscht mit seinem Sessel zurück. Die Muschelsessel, die nun im Essbereich unseres Wohnzimmers stehen, habe ich aus meiner ersten Wohnung mit nach Los Angeles und wieder zurück nach San Francisco genommen. Ihre bequemen und robusten Polster haben Killian sogar überzeugt, dass wir für unser Haus noch welche dazu gekauft haben. Fröhlich stehe ich auf und nehme Killians unausgesprochene Einladung an. Ich setze mich seitlich auf seinen Schoß und kuschle mich an ihn. Der Arm, mit dem er gerade noch den Toast gegessen hat, hält mich nun fest. Kauend streichelt Killian meinen Schenkel. Wir sehen uns an, dabei wird mein Lächeln immer breiter. Ich liebe es, dass Killian sich nicht an meinem Bedürfnis nach Nähe und Körperkontakt stört. Er findet immer ein Plätzchen für mich, ohne sich eingeschränkt zu fühlen.
„Was gibt’s zum Nachtisch?“
„Frühstück hat keinen Nachtisch, aber wir haben noch mehr als genug Apple Pie.“
Killian überlegt, bevor er wieder spricht: „Es ist schon enttäuschend, dass du mir kein Stück Ilaria angeboten hast.“
Lachend drücke ich ihn. „Hattest du nicht gestern erst ein Stück Ilaria?“
„Von Ilaria kann man nie genug haben. Das ist wie Pizza, Tacos oder Donuts.“
Ich schüttle den Kopf. „Ich weiß nicht, ob ich beleidigt oder belustigt sein soll.“
„Letzteres. Das war ein Kompliment.“ Um Killian für seine lieben Worte zu belohnen, kraule ich seinen Nacken. „Das tut gut. Am liebsten würde ich die Zeit für ein paar Wochen anhalten, um sie nur mit dir zu verbringen. Keine Flüge, keine Termine, keine Medienpräsenz, kein Stress. Nur meine Prinzessin.“
„Vielleicht solltest du dir nach deiner Tour Zeit für uns nehmen. Es ist marketingtechnisch gesehen natürlich clever gewesen, mit Highway 89 auf Tour zu gehen, aber von dir kann niemand verlangen, dass auf jeden kleinen Erfolg sofort weiter aufgebaut wird, ohne, dass du dich richtig ausruhen kannst.“
„Das ist nun mal das Business, Ilaria.“ Killian tätschelt meinen Schenkel, dann greift er sich wieder seine Gabel und widmet sich seinen Eiern. „Ich kann mir eine Pause nicht leisten, es ist gut, dass da draußen neue Fans sind, vor allem Fans, die so treu sind wie die Fans von Highway 89. Selbst wenn nur tausend oder sogar hundert von ihnen weiterhin aktiv mit meinen Beiträgen interagieren, macht das schon einen Unterschied für mich, weil Social Media ein großer Teil des Business geworden ist.“
„Ich weiß, aber du bist ja nicht nur Musiker, du bist auch ein Mensch, der eine Pause und ein Stückchen Ilaria braucht.“
Killian schnaubt amüsiert. „Dann sollte ich mir heute auf jeden Fall noch ein Stücken Ilaria schnappen, solange ich dafür Zeit habe.“ Zufrieden lächelnd drücke ich Killian einen Kuss auf die Wange, dann bekommt sein Frühstück wieder seine gesamte Aufmerksamkeit.
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Noch bevor die Galerie ihre Pforten für Besucher öffnet, spazieren Killian und ich durch die Ausstellung. Obwohl er all meine Werke bereits kennt und auch bei vielen Unterhaltungen mit Alex dabei war, als wir die Ausstellung zusammengestellt haben, nimmt er sich für jedes einzelne Bild Zeit, um es zu betrachten. Die meisten Bilder habe ich bereits vor Jahren gemalt. Einige davon während meiner Collegezeit. Meine Werke entführen in eine Fantasywelt, die ich in den letzten Jahren Bild für Bild erweitert und ausgebaut habe. Killians Mundwinkel schnellt nach oben, als er ein weiteres Mal vor einer Leinwand stehen bleibt.
„Dir gefallen meine Elbinnen, nicht wahr?“
„Ja, sie sind wunderschön“, antwortet Killian. Er legt seinen Kopf ein wenig schief. „Das Bild wirkt ganz anders, wenn es nicht in unserem Haus steht.“ Er macht eine vage Handgeste. „Muss wohl der weiße Hintergrund sein und vielleicht die Beleuchtung?“ Er sieht nach oben, dann aber wieder auf das Bild. „Weißt du, man hat die Möglichkeit, viel besser in das Bild einzutauchen. Fast so als würde man mit ihnen auf der Lichtung mittanzen. Ich kann sie schon fast lachen hören.“ Killians Worte bringen mich dazu, zu kichern. „Ja, ja, das Kichern wird schon deutlicher.“
„Du bist so albern.“ Ich gebe ihm einen kaum merkbaren Klaps auf die Schulter. Er greift nach meiner Hand und wir spazieren gemütlich zu den nächsten Bildern.
Als wir schließlich an dem Gemälde ankommen, das Matt gekauft hat, fühle ich mich unwohl. Obwohl ich es Killian nicht verheimlicht habe, dass Matt meine Ausstellung besucht hat und eines meiner Bilder gekauft hat, fühlt es sich dennoch so an, als würden wir den Elefanten im Raum meiden. Wir schweigen, als wir das Bild betrachten. Ich werfe einen verstohlenen Blick zu Killian, um herauszufinden, was er von der gesamten Situation hält. Nachdem ich ihm schon am Anfang unserer Beziehung alles erzählt habe, was zwischen Matt und mir passiert ist, ist Killian nicht gerade sein größter Fan. Er hat nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass er ihn nicht ausstehen kann, einen Streit gab es durch Matts Auftauchen bei meiner Eröffnung allerdings nicht.
„Das hat Matt gekauft, nicht?“
„Ja“, stimme ich Killian zu. Ich verschränke meine Arme, während ich das Bild betrachte. „Seine Frau wollte es für das Zimmer der Zwillinge. Sie war wirklich sehr süß. Der kleine Geschenkkorb im Büro ist für sie.“
Killian lässt einen tiefen Seufzer los. Er reibt sich nervös den Nacken, dann sieht er zu mir. „Es tut mir ehrlich leid, dass ich nicht hier war. Fühlt sich scheiße an, dass dein Ex und sogar Dan es geschafft haben, aber ich nicht da war.“ Er hebt seinen Arm und lädt mich auf seine Seite ein. Ich kuschle mich an Killian und lege meinen Kopf auf seine Schulter. „Ich will nicht der enttäuschende Freund sein, der seine Karriere als wichtiger betrachtet und dadurch deine Erfolge verpasst.“
Killians Worte bringen mich zum Lächeln. „Dann ist es ja beschlossen. Wir beide müssen uns zweiteilen, anders ist dieses Dilemma nicht zu lösen.“ Mein Liebster schnaubt, dann küsst er meine Stirn. „Spaß beiseite, ich wäre auch sehr gerne bei dir gewesen.“
„Du warst bei so vielen meiner Auftritte, aber das hier wäre wirklich wichtiger gewesen. Ich hätte hier sein sollen. Ich könnte mir selbst in den Arsch treten, weil ich deinen großen Moment verpasst habe.“
Ich sehe zu Killian auf, dann löse ich mich von ihm. „Du warst hier. Hier drinnen.“ Ich deute an meine Schläfe. „Und hier drinnen warst du auch.“ Nun deute ich auf mein Herz. „Außerdem hättest du doch sowieso nur das Buffet geplündert.“
Killians lautes Lachen erklingt in der Galerie. Er schüttelt amüsiert den Kopf. „Nein, das ist überhaupt nicht wahr. Ich hätte selbstverständlich deine Rede verfolgt und dafür gesorgt, dass du nicht vergisst, etwas zu trinken und zu essen. Und ich hätte deine Hand gehalten und dich fest umarmt, falls du das gebraucht hättest.“
„Das wäre schön gewesen.“ Ich stupse gegen Killians Arm. „Aber es war auch so sehr schön. Ich habe viele Komplimente bekommen und einen riesengroßen Cupcake gegessen. Eigentlich kann ich mich also nicht beschweren.“ Ich hebe meine Arme, dabei gehe ich einige Schritte rückwärts, dann drehe ich mich einmal im Kreis. „Und diese Ausstellung gibt mir das Gefühl, es endlich geschafft zu haben. All die Bilder sind von mir. Von der kleinen, seltsamen Ilaria aus Indiana.“ Stolz grinse ich Killian an, dabei lasse ich meine Hände wieder sinken. „Kalifornien ist mein Zuhause und die Welt nimmt mich endlich als Künstlerin wahr. Mehr habe ich nie gewollt. Und es hat sich alles zum Guten gewendet. Ich bin sehr zufrieden mit mir selbst.“
Mit einem sanften Lächeln auf den Lippen tritt Killian auf mich zu. Er greift nach meiner Hand, hebt sie an, um sie zu küssen, dann hebt er sie über meinen Kopf. Ich drehe mich, dann sinke ich in seine Arme. „Du kannst stolz auf dich sein, Prinzessin. Ich bin es auf jeden Fall.“
„Danke, Killian.“ Ich werde liebevoll gedrückt und als ich aufsehe, sofort in einen Kuss verwickelt. Ich kann kaum genug davon bekommen, dass unsere Lippen sich berühren, doch dann nimmt Killian Abstand. Ich kann Schritte in der Galerie hallen hören. Wahrscheinlich werden wir hinausgeworfen oder uns wird mitgeteilt, dass die Galerie geöffnet wird.
Trotz einiger Besucher, die sich nach und nach ebenfalls in der Galerie umsehen, können Killian und ich uns ungestört über meine Kunstwerke unterhalten. Ich habe außerdem großen Spaß daran, einigen vermeintlichen Kunstkennern dabei zuzuhören, wie sie meine Werke interpretieren und was ihrer Meinung nach in meinem Kopf vor sich ging. Diese Art von Unterhaltungen aus der Sicht einer Künstlerin mit eigener Ausstellung wahrzunehmen, ist ein Gefühl, das ich weder in Worte, noch in einem Bild ausdrücken könnte. Selbst als die Interpretation nicht mit meinen Gedankengängen übereinstimmt, fühle ich mich geehrt und geschmeichelt, dass sich vollkommen fremde Menschen auf diese Art mit meiner Kunst befassen. Ich fühle mich, als wäre ich jemand, eine kleine Berühmtheit in der ausgefallenen Kunstszene San Franciscos. Das breite Lächeln, das dieses Gefühl bei mir auslöst, wird sich noch sehr lange in meine Gesichtsmuskeln prägen. All die positive Energie, die durch die Galerie fließt, regt mich zu einer vollkommen neuen Idee an. Dass ich nicht früher auf den Gedanken gekommen bin, ist eigentlich traurig. Wahrscheinlich ist das wieder einer dieser Fälle, bei denen ich zu nah an meinen eigenen Projekten stehe, um das große Ganze erkennen zu können.
Auf meinem Smartphone tippe ich eilig einige Stichpunkte, damit meine Idee nicht wieder verschwindet und eine fade, nichtssagende Erinnerung an vergessenes Potenzial hinterlässt. Interessiert sieht Killian mir über die Schulter. „Wem schreibst du?“
„Ach, niemanden. Ich hatte da nur so diese Idee.“ Mit einem Knopfdruck verdunkelt sich mein Display wieder. „Ich will aber noch ein bisschen darüber nachdenken und die Idee reifen lassen.“ Ich mache eine ausladende Handgeste. „Die Umsetzung überdenken. Du kennst den kreativen Prozess ja.“
„Mhm“, stimmt Killian mir zu. „Hey, ich glaube, dass wir jetzt alles gesehen haben. Was hältst du von Burritos?“
„Killian, wir haben Essen zu Hause“, antworte ich ihm, wobei ich nicht lange ernst bleiben kann und loslache. Erst ist Killian etwas verdutzt, doch dann lacht er ebenfalls. „Entschuldige, das war einladend.“
„Nein, du hast schon Recht.“ Er reicht mir seine Hand, die ich sofort annehme. „Wir wollten zusammen kochen. Die Normalität wieder zurück in meinen Alltag zu lassen, ist etwas, das ich nicht verpassen möchte.“
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Wir lassen unseren Tag auf der Couch ausklingen. Im Fernsehen läuft eine von Killians Serien, die mich nur recht wenig interessiert. Auch wenn er mir angeboten hat, etwas anderes einzuschalten, habe ich abgelehnt. Mir ist egal, womit ich berieselt werde, mir geht es nur darum, Zeit mit meinem Liebsten zu verbringen. Mit geschlossenen Augen genieße ich Killians Berührungen. Ich habe meinen Kopf auf seinen Schenkeln gebettet. Mit einer seiner Hände streichelt er mich, die andere ruht regungslos an meiner Seite.
„Schläfst du schon, Prinzessin?“, fragt er für seine Verhältnisse leise.
„Nein, ich genieße.“
„Du klingst aber so, als hättest du schon ein Ticket ins Traumland gebucht.“
Ich kichere, dann drehe ich mich auf den Rücken, um zu Killian aufsehen zu können. „Kann sein. Wer früh bucht, kann vielleicht besser einschlafen.“
Lächelnd streicht Killian über meinen Bauch. „Ich habe heute fast vergessen, dir zu sagen, wie wunderschön du bist.“ Vorsichtig streicht er mir die Haare aus dem Gesicht. „Es ist fast unwirklich, dass du wieder bei mir bist.“
„Dass ich bei dir bin? Du bist doch derjenige, der weg war. Ich war die ganze Zeit hier“, antworte ich frech, was mir ein Grinsen von Killian einbringt. Es betont seine niedlichen Grübchen.
„Da ist aber jemand kleinlich.“ Er hebt meine Hand an und versäht sie mit einem sanften Kuss. „Die Nächte im Hotel zu verbringen, hatte ich mir immer einfacher vorgestellt. Das ist wahrscheinlich das, was ich sagen wollte.“ Er zuckt leicht mit den Schultern. „Ist zwar schön, wenn wir uns per Video sehen oder wir telefonieren, aber wenn das Gespräch zu ende ist, dann ist es still und manchmal ist das echt übel. An den meisten Tagen falle ich wie ein Stein ins Bett, aber wenn ich aufgekratzt bin, weiß ich nicht, was ich mit mir anfangen soll.“
„Vielleicht solltest du Baldrian doch eine Chance geben.“
„Hat es dir denn letzte Woche geholfen?“ Ertappt presse ich meine Lippen zusammen. In der Nacht vor meiner Ausstellung war ich so nervös, dass ich nachts den Kühlschrank geputzt habe, um mit meiner Energie etwas Sinnvolles zu machen, anstatt mich die ganze Nacht im Bett zu drehen. „Das sieht nach einem Nein aus.“
„Selbst wenn es nur in drei von zehn Nächten helfen sollte, dann ist das doch schon ein Fortschritt, oder?“
„Ja“, stimmt Killian überlegend zu. „Vielleicht packe ich auch Ilaria in meinen Koffer, das hilft mir bestimmt besser.“ Kichernd schiebe ich Killians Arm von mir, dabei setze ich mich auf. Eigentlich möchte ich die Couch verlassen und Killian mit ins Bett nehmen, doch er scheint einen ganz anderen Plan zu verfolgen. Ich werde gepackt und auf seinen Schoß gezogen. Anstatt mich zu wehren, lege ich meine Arme um seinen Hals und küsse Killians Lippen. Sein Griff um mich wird fester, als er mich in den Arm nimmt. „Ich bin froh, dich zu haben, Prinzessin.“ Killian küsst meine Schläfe, dann meine Stirn, ehe er mich noch einmal fester in den Arm nimmt.
„Ich verspreche dir, dass ich Tag und Nacht arbeite, wenn es bedeutet, dass ich dafür mehr Zeit mit dir auf Tour verbringen kann.“
„Klingt anstrengend. Mach das nicht, irgendwann musst du auch schlafen.“ Killian spielt mit meinen Haaren. „Ich beschwere mich eigentlich auf hohem Niveau. Ich kann da draußen das tun, was ich immer am zweitliebsten gemacht habe, also ist es eigentlich okay, wenn ich da irgendwo Abstriche mache.“
„Am zweitliebsten?“, frage ich nach. „Ist Schlafen das Liebste?“ Killian gibt mir keine Antwort, also sehe ich ihn an. Sein Grinsen ist alles, was ich sehen muss, um zu wissen, worauf er hinauswill. Er bekommt einen sanften Klaps gegen die Brust. „Ich will doch hoffen, dass du deiner liebsten Beschäftigung da draußen nicht ohne mich nachgehst.“
Killian lacht, dabei schüttelt er den Kopf. „Würde mir im Traum nie einfallen.“