╭─━ · • ✤ • · ━━━━━━━━━━━━━━━━━━━━─╮
Kapitel 8:
Ferne Zweisamkeit
╰─━━━━━━━━━━━━━━━━━━━ · • ✤ • · ━─╯
Mein abendliches Ritual ändert sich nicht, auch wenn Killian nicht bei mir ist. Ich esse einen kleinen Snack und nasche ein Stückchen Schokolade, nehme eine Dusche, spiele mein Pflegeritual durch und mache es mir schließlich im Bett gemütlich. Mit einem Knopfdruck schalte ich das Nachtlicht an, das schimmernde Wellen an die Decke projiziert. Das Meeresrauschen kommt zum Einsatz, sobald Killian und ich uns schlafen legen. Mein Laptop steht bereits auf der Laptophalterung auf Killians Seite des Bettes und wartet darauf, zum Einsatz zu kommen. Nun, da ich wieder angezogen bin, kann ich die Abdeckung der Webcam ohne schlechten Gewissen zur Seite schieben. Ich atme tief durch. Sobald auch Killian endlich in seinem Hotelzimmer ankommt und bettfertig ist, können wir einander von unserem Tag berichten. Obwohl wir zwischendurch durch Nachrichten kommuniziert haben, freue ich mich trotzdem schon sehr darauf, was er zu erzählen hat. Und noch mehr freue ich mich, endlich sein Gesicht sehen zu können.
Müde knete ich mein Kissen zurecht und lehne mich dagegen, danach schnappe ich mir Okti und kuschle mich mit ihm zusammen ein. Nun heißt es nur noch abwarten, bis Killian sich bei mir meldet. Ich starre das Foto an meinem Desktop beinahe schon an, während ich warte. Es zeigt Killian und mich am Strand. Wir haben das Foto gemacht, als wir noch in Los Angeles gewohnt haben. Die Erinnerung an diesen Tag bringt mich zum Lächeln. Wir hatten ein Date in Santa Monica. Ich erinnere mich noch genau daran, wie wir am Meer entlangspaziert sind, ein Eis gegessen und den Sonnenuntergang betrachtet haben. Ich erinnere mich auch an die sanften Küsse und daran, als Killian mir in die Augen gesehen hat und mir gesagt hat, wie glücklich er ist, dass wir einander gefunden haben. Wir waren auch am Santa Monica Pier und sind mit dem Riesenrad gefahren. Der Eintrag in mein Tagebuch hat mehrere Seiten gefüllt, weil ich mich nicht entscheiden konnte, welche Fotos ich einkleben wollte. Leider hält mich diese Erinnerung nicht besonders lange beschäftigt, und meinen Desktop anzusehen wird recht schnell witzlos.
Da ich mich mit irgendetwas beschäftigen muss, schnappe ich mir mein Smartphone von meinem Nachttisch. Ich scrolle durch Videos mit Rezepten von süßem Gebäck und pikanten Köstlichkeiten, einigen Zusammenschnitten der Jungs von Highway 89, verschiedenen Mal- und Basteltutorials und niedlichen, kuscheligen Haustieren, sowie allerlei Meerestieren. Auch Killians Gesicht bekomme ich einige Male zu Gesicht, da ich einer Killian Smith Fanpage folge. Immer wieder werfe ich einen Blick auf die Uhr an meinem Laptop. Die Zeit vergeht recht langsam. Dass ich schon beinahe eine Stunde auf Killian warte, stimmt mich unzufrieden. Schmollend verziehe ich meine Lippen. Eine Nachricht habe ich auch noch nicht bekommen. Hoffentlich geht es ihm gut. Bevor ich mir die schlimmsten Horrorszenarien in meinem Kopf ausmalen kann, erscheint Killians Videoanruf auf meinem Bildschirm. Die sofortige Erleichterung lässt mein Schmollen sofort wieder zu einem Lächeln werden. Bevor ich den Anruf annehme, öffne ich einen Knopf an meinem flauschigen Pyjama.
„Hi, Killian“, begrüße ich ihn aufgeregt. „Ich dachte schon, dass du gar nicht mehr kommst. Du hast nicht auf meine Nachricht geantwortet.“
„Ja, tut mir leid“, antwortet er, dann kann ich ihm schon dabei zusehen, wie er die weiße Decke des Hotels bis zu seiner Brust hochzieht. Er reibt sich ein Auge. „Die Jungs von diesem Podcast wollten noch Essen gehen und ein gratis Essen auszuschlagen, wäre doch sehr unhöflich.“
Ich kichere, dann nicke ich überlegend. „Das klingt auch gar nicht nach dir. Wo wart ihr denn?“
„Im LA Prime Steakhouse. Das Steak war himmlisch und die Aussicht war grandios. Die Skyline, du weißt schon. Bei Gelegenheit werde ich dich dorthin ausführen.“ Killian schnaubt. „Sieh' mich nicht so an. Ich weiß, die Steaks häufen sich in letzter Zeit, aber morgen Nachmittag habe ich Zeit für ein Workout und die werde ich wohl auch dafür nutzen.“ Killian wiegt den Kopf hin und her. „Eigentlich wollte ich ein Nickerchen machen, aber zeitlich gesehen würde sich das kaum lohnen, aber da mein Gym in der Nähe liegt, verbrenne ich ein paar Kalorien. Muss ja fit sein für die Tour.“
„Es gefällt mir, wie gut du planst. Wenn du wieder zurück bist, dann holen wir den Schlaf zusammen nach. Nur du und ich und viel, viel kuschelige Liebe.“
„Klingt verlockend.“ Killian rutscht etwas näher an seinen Laptop heran. Sein Lächeln und die Tatsache, dass er sich an sein Kissen gekuschelt hat, lässt ihn noch niedlicher wirken, als er es in meinen Augen ohnehin schon ist. „Was hast du heute angestellt, Prinzessin?“
„Bin zu Starbucks gefahren, um mir einen Kaffee und ein Stück Kuchen zu holen, so als Trost, weil es so schwer war, dass du gehst.“ Ich rümpfe die Nase, da mich irgendetwas kitzelt, doch ich kann mein Niesen nicht aufhalten.
„Gesundheit. Du wirst doch nicht krank, oder?“, erklingt Killians besorgte Stimme aus dem Lautsprecher.
„Nein, bin nur allergisch dagegen, dass ich alleine schlafen muss.“ Killian lacht über meine Antwort. Ich greife zu meinem Nachttisch und ziehe ein Taschentuch aus der Box, um mir damit die Nase zu putzen.
„Mach mir kein schlechtes Gewissen, sonst muss ich dir einen Ilaria-Sitter besorgen.“
„Ach, einen Ilaria-Sitter?“, frage ich frech. „Kann das ein großer, sexy Mann mit Sixpack sein? Nur für den Fall, dass ich etwas Schweres aus einem hohen Schrank benötige.“
Killian schüttelt entschieden den Kopf. „Oh nein, vergiss es. Ich dachte eher daran, dass meine Mom dir den Kopf streichelt, damit du nicht einsam bist.“
„Schade.“ Ich kuschle mich wieder in meine Decke. „Ähm, ich wollte was erzählen, oder? Was hattest du gefragt?“
„Ich hatte dich gefragt, was du heute gemacht hast.“
„Oh, ja, ich habe gearbeitet. Bestellungen gab es heute keine, aber ich war trotzdem fleißig. Als meine Finger müde waren, habe ich noch ein paar Armbänder gemacht, Perlen auffädeln ist deutlich weniger anstrengend als Draht zu verbiegen. Lauren und ich fahren morgen zum Golden Gate Park, dann machen wir die Fotos für die neue Kollektion. Bin schon ziemlich aufgeregt deswegen. Das macht immer viel Spaß, aber die Fotos müssen auch gut werden, damit ich meine Webseite damit füttern kann.“
„Ich bin sicher, dass ihr das hinbekommt. Lauren weiß, was sie tut und du siehst immer wunderschön aus. Da sind die Erfolgschancen sehr hoch.“ Killian dreht sich zur Seite und greift nach einer Flasche Wasser, dann trinkt er einen Schluck. „Morgen bin ich im Radio und das ist auch ziemlich aufregend.“
„Dann kannst du die Herzen der Mainstream-Hörer gewinnen“, antworte ich begeistert. „Wann kann man eigentlich den Podcast hören?“
„Nächste Woche Mittwoch. Wir haben uns über das Musikbusiness ausgetauscht und auch das Musikvideo beziehungsweise das Thema des Videos aufgegriffen. War eine tolle Unterhaltung.“
„Ich kann es kaum erwarten, die Folge zu hören. Hoffentlich hast du nichts verraten, was du mir verheimlicht hast.“
Killian schnalzt mit der Zunge. „Als ob ich dir irgendetwas verheimlichen würde. Über meine Vergangenheit weißt du Bescheid und du bist oft genug mit den Jungs und mir im Backstagebereich gewesen, um zu wissen, dass es da doch eher langweilig und routiniert abläuft.“
„Ja, ja, war auch nur als Witz gemeint. Du fehlst mir, Killian.“
„Du mir auch, Prinzessin. Ich würde mich heute deutlich lieber an dich kuscheln, als einen Laptop anzusehen“, stimmt Killian mir zu.
„Du kannst dich ja an den Laptop kuscheln.“
„Ja, klar. Ich kuschle mich an den Laptop und wenn ich dann geil werde, rammle ich den USB-Steckplatz.“
Killian bringt mich zum Lachen. „Nein, mach das lieber nicht. Denk mal darüber nach, was das für ein peinlicher Anruf bei der Technikhotline sein wird.“
„Was? Keine Beschwerde, dass ich da gar nicht reinpasse? Tz.“
Natürlich bringt er mich ein weiteres Mal zum Lachen, das ist typisch für ihn. „Du bist so albern, sei einfach brav und heb dir deine Energie für mich auf, sobald wir uns wiedersehen. Keine technischen Geräte werden sexuell belästigt, verstanden?“
„Schließt das auch Spielzeug aus, das dafür gedacht wurde?“
Überrascht hebe ich die Brauen. „Oh, du hast etwas zum Spielen mitgenommen?“
„Nein, war nur eine rhetorische Frage.“ Killian winkt ab. „Weißt du schon, wann du Zeit hast, zu mir zu kommen?“
„Wir sehen uns in New York, aber ich weiß noch nicht, wann.“
„Okay.“ Killian dreht sich auf den Rücken. Er streckt seine Arme und gähnt. Als er sich wieder zu mir dreht, spricht er weiter: „Wärst du sehr enttäuscht, wenn ich mich langsam ins Land der Träume begebe?“
„Nein, ganz und gar nicht. Du hattest einen anstrengenden Tag. Mach die Augen zu und schlaf.“ Nicht nur Killian kuschelt sich ein, auch ich kuschle mich an mein Kissen und in meine Decke. „Ist dein Bett bequem?“
„Mhm“, antwortet er mir, dabei sieht er wieder in die Webcam. „Wäre noch bequemer mit einer hübschen Prinzessin mit kalten Füßen.“
„Hey“, gebe ich ertappt von mir. „Ich habe kuschelige Socken an, so kalt sind die gar nicht.“
Killian grinst frech. „Mein Punkt steht.“ Sein Grinsen wird weicher, bis es zu einem sanften Lächeln wird. „Du fehlst mir.“
„Und du fehlst mir. Ich liebe dich, Killian.“
„Ich dich auch.“ Killian schließt seine Augen. „Hey, du hast noch gar kein Meeresrauschen angestellt.“
„Meeresrauschen kommt sofort.“ Ich nehme mein Smartphone zur Hand und mit wenigen Berührungen auf das Display ist das White Noise auch schon aktiviert. „Schläfst du schon?“
„Fast“, gibt Killian brummend von sich.
„Gute Nacht, mein Liebster.“
Ich sehe noch einen ausgedehnten Moment auf den Bildschirm und beobachte Killian. Es dauert nicht besonders lange, schon hebt und senkt sich sein Brustkorb mit regelmäßigen Bewegungen. Das ist seine geheime Superkraft. Augen schließen und sofort einzuschlafen. Es ist offensichtlich, dass er damit weitaus weniger Probleme hat als ich. Obwohl ich ein bisschen neidisch bin, bin ich auch sehr erleichtert, dass er Schlaf findet. Auf seiner letzten Tour fiel es ihm oft schwer, ein Auge zuzubekommen und dabei kann er jede Stunde Schlaf brauchen. Ich schließe meine Augen und schmiege mich gegen Okti. Heute ist er leider der Einzige, mit dem ich kuscheln kann.
· • ✤ • ·
Killian schläft noch tief und fest. Er schnarcht, zum Glück recht leise, doch er schnarcht. Ihn auf meinem Bildschirm zu haben, hat eine ganz besondere positive Seite. Ich kann meinen Liebsten ganz bequem überall hin mitnehmen. Erst mit ins Badezimmer, dann mit in die Küche und schließlich stelle ich ihn auf dem Couchtisch ab und beginne mit meiner morgendlichen Yogaroutine. Die entspannende Musik ist heute leiser, damit ich jede Regung meines Liebsten mitbekomme. Das rascheln seiner Bettdecke und das Stoppen seines Schnarchens heißt, dass er sich gerade bewegt hat. Leise ist er jedoch nicht, sein unzufriedenes Brummen, dass ich morgens immer zu hören bekomme, erklingt aus dem Lautsprecher. Es ist still. Da ich jedoch mitten in einer Stellung bin, habe ich nicht die Möglichkeit, zu Killian hinüber zu sehen.
„Mhm, die herabschauende Ilaria, meine Lieblingsyogastellung“, erklingt seine tiefe, verschlafene Stimme aus dem Lautsprecher.
Ich kichere, dann wechsle ich in die nächste Stellung. „Guten Morgen, mein Liebster.“
„Morgen. Fuck, ich brauch 'nen Kaffee.“ Brummend versteckt er sich wieder in der Decke. „Dann in einer Stunde oder in zwei. Ich will nicht aus dem Bett.“
„Ist ja nichts Neues, du alter Morgenmuffel“, ziehe ich ihn auf. „Ich hatte schon mein Frühstück.“ Killian brummt nur zur Antwort. „Ich bin aber wieder still und lasse dich noch ein bisschen im Morgenhass marinieren, als wärst du ein Killian-Steak.“
„Und L.A. ist der Grill, hm? Kanns kaum erwarten, nicht das Hotel zu verlassen. Die Sommerhitze vermisse ich kein Stück.“ Da ich weiß, dass Killian sich nur beschweren und jammern möchte, lasse ich ihn in Frieden und suche gleichzeitig meinen innerlichen Frieden. Zu meiner Überraschung hält die Stille nicht an, Killian spricht wieder: „Mach noch einmal die herabschauende Ilaria. Ich glaube, dass du die Stellung nicht lange genug gehalten hast, um dein Chakra zu aktivieren oder wie man das nennt.“
Ich muss durchatmen, um nicht zu kichern oder zu lachen. „Ich klappe dich gleich zu, wenn du mich störst.“
„Nein, das denke ich nicht. Dazu liebst du mich zu sehr.“
„Das kann ich nicht abstreiten.“
· • ✤ • ·
San Francisco und die vielen exzentrischen Menschen, die hier wohnen, sind glücklicherweise so verrückt, dass ich mir nicht seltsam vorkomme, als ich mit meinem ausgefallenen Makeup für das Fotoshooting durch den Golden Gate Park spaziere. Unsere Crew besteht nur aus Lauren, ihrem Mann Angus und mir, doch ich weiß aus Erfahrung, dass wir nicht mehr Leute brauchen, um ein erfolgreiches Fotoshooting zu Stande zu bringen. Ich trage eine Tasche mit meinen Schmuckstücken, während Lauren und Angus das Equipment und einige Snacks in ihren Rucksäcken verstaut haben.
Die Suche nach dem perfekten Platz, an dem nicht zu viele Menschen im Hintergrund herumlaufen, ist erstaunlich kurz. Lauren hat beim Spazierengehen mit ihrer Tochter bereits Ausschau gehalten. Es gibt tatsächlich Momente, in denen Multitasking gut funktioniert. An einem schönen Plätzchen mit Büschen, Bäumen und teilweise auch kahlen Ästen, legen wir unser Gepäck ab. Dank der kalifornischen Dürre ist der Golden Gate Park nicht so strahlend grün, wie er es sein könnte, doch das spielt mir für die Vibes, die ich für mein Fotoshooting haben möchte, perfekt in die Hände. Während Angus und Lauren damit beschäftigt sind, das Equipment auszupacken und aufzubauen, habe ich den leichtesten Job. Ich schieße einige Selfies, auch welche auf denen man Lauren und Angus im Hintergrund arbeiten sieht. Als nächstes mache ich mich daran, ein kurzes Video zu drehen, um es in den kommenden Tagen als kurzen Teaser hochladen zu können.
Ich hebe mein Smartphone und betätige den Knopf, um das Video zu starten. „Hallo meine Goldfische!“, begrüße ich meine Follower fröhlich. „Heute sind wir im Golden Gate Park, um meine neue Kollektion für euch in Szene zu setzen. Wie ihr sehen könnt, sind meine fleißigen Arbeiterbienchen schon schwer beschäftigt. Ich kann es kaum erwarten, all die schönen Schmuckstücke endlich mit euch zu teilen. Wie versprochen habe ich eure Bitten erhört und mehr Haarschmuck für euch gefertigt. Natürlich gibt es dieses Mal auch wieder Anhänger für eure Ketten, Armbänder, Ohrringe, Ringe und sogar Schlüsselanhänger, weil auch danach gefragt wurde. Mehr kann ich euch leider noch nicht verraten, dafür müsst ihr euch noch ein paar Tage gedulden.“ Als ich das sage, tippe ich mit meinen Fingern an mein Dekolleté, um meine Follower ganz dezent auf den Anhänger an meiner Kette und die Ringe an meinen Fingern aufmerksam zu machen. Ein kleiner Teaser hält die Menschen vor den Bildschirmen immer bei Laune. „Hoffentlich geht es euch allen gut, passt auf euch auf.“ Ich spitze meine Lippen und schicke der Kamera einen Luftkuss, dann beende ich das Video.
„Influenzer müsste man sein“, zieht Angus mich auf, als ich mir das Video zur Kontrolle noch einmal ansehe.
„Ich bin keine Influenzerin, ich bin keine inhaltslose Werbefigur, sondern eine Geschäftsfrau, die sehr hart arbeitet.“
„Von hier aus sehe ich keinen Unterschied.“ Ich sehe zu Angus hinüber, der gerade das Stativ aufstellt und im Anschluss seine dunkelblonden Dreadlocks zu einem Zopf zusammenbindet.
„Ja, stimmt eigentlich, ich stehe hier vollkommen nutzlos herum, tut mir leid.“
Lauren gibt Angus einen kleinen Schubs. „Lass dich nicht ärgern, Ilaria, er ist nur neidisch, weil er weniger Follower hat. Bleib einfach stehen und warte, wir haben den Rest schon im Griff.“
„Ist gut, ich warte.“ Während ich das tue, schicke ich Killian ein Selfie. Auch wenn er im Moment gerade beschäftigt ist und mich nicht unterhalten kann, während ich auf meinen Einsatz warte, bin ich sicher, dass er sich darüber freut, mich zu Gesicht zu bekommen.
Ilaria: ‚Wir sind schon im GGP, ich bin schon so aufgeregt wegen dem Shooting und wegen dem Launch meiner neuen Kollektion. Ich könnte wie ein kleiner Gummiball durch den Park springen! Ich liebe dich!‘
Nachdem ich meine Nachricht abgeschickt habe, bekommt Killian noch einige Herz- und Kussemojis. Lauren hält bereits ihre Kamera in den Händen. Ich stecke mein Smartphone zurück in meine Tasche und frage: „Womit fangen wir an?“
„Am besten mit dem Haarschmuck, solange deine Haare noch toll aussehen.“
„In Ordnung“, antworte ich freudig und ziehe die erste kleine Tasche mit meinen Schmuckstücken heraus. Jedes Schmuckstück ist einzeln verpackt, sodass sie sich nicht ineinander verheddern.
Lauren hilft mir dabei, das erste Schmuckstück in meinen Haaren zu befestigen. Sie manövriert mich an genau die Stelle, an der sie mich haben möchte und schießt die ersten Produktfotos. Für die ersten Fotos muss nur mein Rücken herhalten. Still zu stehen war nie meine Stärke, auch heute hadere ich mit dem ersten Teil des Shootings sehr. Während Lauren das erste Schmuckstück gegen das nächste wechselt, kann ich mir die ersten Fotos auf dem Display der Kamera ansehen.
„Schade, dass meine Haare nicht immer so toll aussehen können. Zu Hause sind sie immer zusammengebunden oder in einen Dutt zusammengerollt, weil sie immer überall sind. Schön ist leider nicht immer praktisch.“
„Das Los der langen Haare. Sie sind ein Segen und ein Fluch“, antwortet Lauren amüsiert. Ich spüre, dass sie den Pin in der Spange feststeckt.
„Abgesehen davon sind sie wortwörtlich überall“, meint nun auch Angus. „Vor allem im Abfluss der Dusche.“
„Ja“, antworte ich amüsiert. „Eines Tages wird Killian mich dafür hassen, dass er meine Haare immer wieder aus dem Abfluss fischen muss.“
„Ach was, der betet den Boden unter deinen Füßen an“, entgegnet Angus mir. „Ein paar Haare können das nicht ändern.“ Ich reiche ihm die Kamera.
Lauren wechselt schnell wieder das Thema. „Schultern wieder zurück.“
„Oh, ja, entschuldige.“ Ich stelle mich wieder aufrechter hin und hebe auch mein Kinn wieder ein wenig an. Lauren drapiert meine Haare, dann höre ich wieder die ersten Klicks des Auslösers.
Nachdem wir die Haarspangen hinter uns haben, verpacke ich sie wieder sorgfältig und stecke sie zurück in meine Tasche. Für die Ringe habe ich mir extra Press on Fingernägel besorgt. Die halten lange genug, um beim Shooting gut auszusehen, lassen sich aber auch wieder ganz leicht entfernen, sodass ich sie schnell wieder los bin. Obwohl ich normalerweise nicht an meinen Nägeln kaue, habe ich bei künstlichen Nägeln immer sofort das Bedürfnis daran zu knabbern. Wahrscheinlich bin ich deswegen nie auf den Trend aufgesprungen. Meine Hände für die Ringe und Armbänder still zu halten macht zwar nicht besonders viel Spaß, die Fotos, die Lauren von meinen Schmuckstücken schießt, sind es aber allemal wert.
Interessant wird es endlich, als ich meinen ganzen Körper für ästhetische Fotos nutzen kann. Lauren pudert noch sanft mein Gesicht und sorgt dafür, dass die kleinen Härchen, die an meinen Wimpern und an meinen Wangen kleben wieder da sind, wohin sie gehören. Lauren schickt mich zwischen die Bäume, die uns vorher als Hintergrund gedient haben. Ich habe die Möglichkeit, sie als meine Requisiten zu verwenden. Ich lehne mich dagegen, schaue zwischen ihnen hervor oder stehe zwischen ihnen, während ich einen Blick über meine Schulter Richtung Kamera werfe.
Die Zeit vergeht wie im Flug, doch wir erfüllen unser Soll. All meine Schmuckstücke sind wieder sicher in meiner Tasche verstaut. Bevor wir den Golden Gate Park jedoch wieder verlassen, genehmigen wir uns eine Pause. Die Fotos auf dem Display sind so schön, dass ich bereits jetzt weiß, dass es schwer sein wird, mich für einzelne Fotos zu entscheiden.
Ich gebe Lauren ihre Kamera zurück, worauf sie sie gleich in ihre Tasche packt. „Zufrieden mit allem?“
„Oh ja“, antworte ich freudig. „Das Stillstehen ist zwar immer eine kleine Qual, aber die Fotos werden dafür umso schöner.“ Angus öffnet eine Packung Chips und reicht sie gleich an mich weiter. Bevor ich jedoch zugreife, wische ich mir die Hände mit einem feuchten Tuch ab. „Danke.“
„Oh, apropos Fotos. Ich hab' deine Fotos, die wir im Studio gemacht haben, fertig bearbeitet, das hatte ich schon fast wieder vergessen, weil ich mich so sehr auf den heutigen Tag konzentriert habe.“
„Ach, ihr habt noch mehr Fotos gemacht?“, fragt Angus interessiert nach.
„Private Fotos“, antworte ich mit einem frechen Grinsen. „Für Killian.“
„Ahhh“, antwortet er wissend, dann sieht er Lauren an. „Ach, deswegen hast du mich aus dem Büro geschmissen. Im Nachhinein macht das Sinn.“ Er nickt, dann greift er in die Chipstüte, um sich eine Handvoll zu nehmen. „Wann kommt Killian eigentlich wieder nach Hause? Man bekommt den ja gar nicht mehr zu Gesicht.“
Ich zucke mit den Schultern. „Er ist noch ein paar Tage in Los Angeles, von dort aus fliegt er dann nach New York und wenn er dann wieder zurückkommt, dann feiern wir schon die Veröffentlichung des Albums und dann ist er wieder mit seinen Proben beschäftigt und dann startet schon die Tour.“
Angus nickt aufmerksam, dann lässt er einen tiefen Seufzer los. „Dann bekommen wir ihn ja gar nicht mehr zu Gesicht. Abgesehen von der Party.“ Er reibt über seine Augenbraue, dann greift er noch einmal in die Chipstüte. Lauren beugt sich in seine Richtung und streicht ihm einen Krümel aus dem Bart. „Danke, Schatz.“ Bevor Killian seinen Durchbruch als Soloartist hatte und mit Highway 89 auf Tour war, hat er zusammen mit Angus in der Band ‚Shrimp Attack!‘ gespielt. Manchmal frage ich mich, ob er gerne einen Platz in Killians Live Band gehabt hätte. Angus sieht mich kauend an, dann spricht er wieder: „Weißt du, manchmal beneide ich Killian, aber wenn ich dann höre, dass er von Termin zu Termin hetzt, bin ich doch froh, dass ich mich abends mit meiner kleinen Maus und meiner großen Maus auf die Couch chillen und beim Fernsehen einschlafen kann.“
Ich hebe meine Schultern, dann senke ich meinen Blick auf die Chipstüte vor mir. „Nun, wir müssen irgendwie und irgendwo Abstriche machen und auch wenn ich am liebsten immer bei ihm wäre, gehört das irgendwie dazu. Gerade, wenn er auf Tour ist.“
„Gut, dass ihr euch auf Bildschirmen sehen könnt“, erklingt Laurens Stimme zuversichtlich. „Und ihr seht euch in ein paar Tagen wieder, dann kannst du deine Liebesbatterie wieder aufladen.“
Angus lacht. „Liebesbatterie klingt irgendwie falsch.“ Nun lache auch ich.
„Es war süß und romantisch gemeint!“, verteidigt Lauren sich, dann stiehlt sie mir die Chipstüte von meinem Schoß. Nachdem sie sich bedient hat, greife auch ich noch einmal zu. Gedanklich zähle ich die Tage, bis wir uns endlich wiedersehen. Ich vermisse Killian jetzt schon.