Meine Schnüffelschauze hatte mir den Mund wässrig gemacht mit Elisabeth I. Ich wusste so einiges über sie. Da ich mich für Geschichte interessiere, saugte ich jedes Wissen in mich ein wie ein Schwamm das Wasser. Dass mein Sauhund als Zeitreisender mir in dieser Beziehung viel berichten konnte, kam mir sehr zugute. So erfuhr ich ab und an Insiderwissen, siehe die Episode mit Queen Victoria und ihrem Albert, die er im Kensingtonpalast in den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts beobachtet hatte.
Der Sauhund weilte des Öfteren in England, so entnahm ich es aus seinen Erzählungen. Nicht nur in der heutigen Zeit, wo man große Entfernungen mithilfe von Flugzeugen schnell überwinden konnte, sondern auch im 16., 17., 18. und 19. Jahrhundert. Wie er zustande brachte, zu seiner Zeit ständig zwischen seinem Wald hin- und herzureisen, entzieht sich leider meiner Kenntnis. Vielleicht nutzte er auch die magischen Steine, wie er es mit mir tat, um in der Zeit zurück zu reisen. Wahrscheinlich gab oder gibt es auch solche Steine, die es ermöglichten, in der gleichen Zeit ohne großen Aufwand von einem Ort zu einem anderen zu gelangen. Heutzutage wird ja schon von Beamen gesprochen. Ob das jemals möglich sein wird, wer weiß. Wir beziehungsweise ich werde das garantiert nicht mehr erleben. Ist auch egal, mir genügt mein Auto, um von A nach B zu kommen.
Mein Sauhund war also bereits mehrmals in England und das in verschiedenen Jahrhunderten oder Jahrzehnten. Nur bei der Episode mit dem Castle of Pleasure bin ich mir nicht ganz sicher, ob er mich damit auf die Schippe genommen hat. Obwohl, er erzählte mir sehr anschaulich, was er dort erlebte. Das war nicht ganz ohne und regte mich sehr auf, dass ich ihn, nachdem er fertig mit erzählen war, unbedingt vernaschen musste. Das kam übrigens öfter vor, wenn er über seine oft schlüpfrigen Erlebnisse berichtete.
Später erzählte er mir mal, er hätte das Haus nie wieder gefunden. Ist schon sehr eigenartig, aber jetzt erst einmal einerlei. Er sagte mir, sein Freund, mit dem er nach England gekommen war, hätte eine Anstellung am Hof von Jakob I. gehabt. War dieser Jakob nicht der Nachfolger von Elisabeth I. und gleichzeitig auch König von Schottland? Hieß er bei den Schotten nicht James? Berichtigt mich bitte, wenn ich falsch liegen sollte. Ich würde schon gerne mal wissen, ob mein Sauhund auch Schottland heimgesucht hat.
Nun gut, mache ich mir lieber keine weiteren Gedanken darüber. Sonst lande ich nur wieder in Teufels Küche oder bekomme Ärger mit meinem Liebsten. Das will ich tunlichst vermeiden. Ihr wisst ja, wie cholerisch er manchmal bei gewissen Dingen reagieren konnte. Ich mochte das gar nicht. Doch ich hatte ihn erwählt und musste nun damit auskommen, ob ich wollte oder nicht. Ein Trennungsgrund waren seine Ausfälle nämlich nicht. Dazu mochte ich ihn zu sehr.
Trotzdem werde ich mich noch einmal genauer bei Google zwecks Zeiten kundig machen. Ich will Euch auf keinen Fall irgendwelchen Scheiß erzählen, der geschichtlich gar nicht belegbar ist.
Meinen Sauhund kann ich inzwischen, während ich seine Geschichten aufschreibe, nicht mehr befragen. Einige von Euch wissen bestimmt bereits, dass er vor langer Zeit von mir gegangen ist. Nun sitzt er wahrscheinlich dort oben auf seiner Wolke und lacht sich ins Fäustchen, während ich mich hier abmühe, seine Memoiren so gut es geht wiederzugeben. Er war halt ein guter Geschichtenerzähler, ich bin aber leider nicht so gut, diese wiederzugeben. Doch ich gebe mein Bestes, im wahrsten Sinne des Wortes.
„Wollen wir heute Abend mit Elisabeth I. weitermachen? Du erinnerst dich bestimmt, dass ich dir da noch etwas erzählen wollte“, fragte mich eines Tages mein Sauhund. Es waren bereits einige Wochen vergangen und ich hatte schon gar nicht mehr daran gedacht. In der letzten Zeit hatte ich so viel zu tun, dass ich es ganz vergessen hatte.
„Oh“, erwiderte ich erstaunt. „Gerne, wenn du magst.“ Ich freute mich, dass wenigstens er es nicht vergessen hatte.
„Wieder nach dem Abendessen?“, wollte er wissen.
„Das ist eine schöne Zeit“, sagte ich darauf. „Ich gehe noch ein paar Knabbereien einkaufen, du weißt schon, welche“, sprach ich weiter und zwinkerte ihm zu. Ich wusste schon lange von seiner Vorliebe nach Chips mit Schinkengeschmack. Die waren immer gut, auch, um seine Laune zu verbessern, wenn er mal schlechte hatte.
Gesagt, getan. Am Abend nach dem Essen und nachdem ich es in der Wohnstube etwas heimeliger gemacht hatte, setzten wir uns zusammen. Im Kamin prasselte ein Feuer, auf dem Tisch und dem Sideboard hatte ich ein paar Kerzen angezündet, die den Raum mit ihrem Licht zusätzlich erhellten. Der Fernseher blieb aus, der würde nur die schöne Atmosphäre stören.
Ich kuschelte mich auf dem Sofa in meine Decke. Das tat ich gerne, wenn es abends zeitig dunkel und draußen auch kalt war. Der Sauhund fläzte sich in seinen Lieblingssessel und legte die Beine hoch. Ich musste etwas grinsen. Mit dieser Geste erinnerte er mich an meinen Großvater, der dies immer beim Fernsehen tat.
„Eine Frage hätte ich noch“, sagte ich, bevor der Sauhund beginnen konnte.
„Frag einfach.“
„Du warst doch schon mehrmals in England, in verschiedenen Jahrhunderten“, begann ich. „Du hast mal erzählt, auch zu Zeiten Jakob I. Und nun sagst du plötzlich, du wärst auch bei Elisabeth I. gewesen. Soll ich das glauben?“
Der Sauhund lachte. „Ach, weißt du, das hatte ich völlig vergessen. Mir fiel es erst wieder ein, als ich von Victoria und Albert erzählte und wir am Schluss auch auf Elisabeth II. zu sprechen kamen. Verzeih mir, meine geliebte Samtspalte…“
„Ich weiß, das Alter. Da kann es schon mal vorkommen, dass etwas vergessen wird“, meinte ich lachend darauf. „Es sei dir verziehen…“ Ich grinste meinen Sauhund verschmitzt an.
„Tja, so alt wie ich wird halt nicht jeder“, konterte er gekonnt. Auf den Mund beziehungsweise auf seine Schnüffelschnauze war er nicht gefallen.
„Wenn das mal nicht gespielt ist und du mir nur versuchst, mir einen Bären aufzubinden, alter Mann“, erwiderte ich grinsend. „Wer wird schon über 700 Jahre alt? Ich kenne niemanden. Wer es glaubt, wird selig und wer nicht, kommt auch in den Himmel.“ Zweifelnd sah ich ihn an.
„Das kannst du ruhig glauben, auch wenn ich es nicht beweisen kann“, widersprach der Sauhund. „Geburtsurkunden wie heute gab es damals leider nicht. Die Kirche, in der ich getauft wurde, ist abgebrannt und damit auch das Kirchenregister verloren.“ Er schaute etwas bedröppelt drein und zuckte mit den Schultern. Entweder dachte er nach, wie er mir sein Alter beweisen konnte oder er machte sich über mich lustig. Doch dann sagte er: „Aber, meine geliebte Lustspalte, wollten wir nicht über Elisabeth I. reden, oder willst du lieber über mein Alter diskutieren?“
Ich nahm an, er wollte mich damit nur ablenken, doch dann sagte ich: „Dann fang mal ein, meine Schüffelschauze, die Elisabeth interessiert mich sehr.“ Und er begann…
© Salika von Wolfshausen/ 29.11.2024