Shari war nach der Nachricht, der vorausgesehene Angriff der Winterdämonen sei erfolgt, so rasch wie möglich aufgebrochen. Sie freute sich darauf, «ihren» Wachturm kennenzulernen und ihn zu verteidigen. Sie schlug den Weg in Richtung des Waldes von Xandra ein, wie man ihr empfohlen hatte. Dort, so hatte Takaro gemeint, würde sie ihren Wachturm schon finden.
Die Sonne schien, die Vögel sangen und Shari kam es unwirklich vor, dass diese wunderschöne Insel bedroht sein sollte. Sie grübelte darüber nach, was wohl die Winterdämonen, allen voran die Winterqueen, dazu brachte, Belletristica so sehr zu hassen. Ob sie die Antwort darauf je finden würde?
Nachdenklich ging sie so vor sich hin, als es auf einmal im Laub raschelte. Ein weisses Kaninchen schlug vergnügt Haken, schien Shari zuzublinzeln und setzte sich dann in gebührendem Abstand unter einen Baum. «Sieh mal einer an!» Shari lachte. «Ein alter Bekannter!» Sie suchte in ihrem Proviant herum und förderte tatsächlich eine Karotte zutage. «Hier, du kleines Schlitzohr!» Zufrieden verschwand das Kaninchen in den Büschen und Shari marschierte weiter.
Auf einmal legte sich dichter Nebel über das Land und Shari hatte Mühe, den Weg überhaupt noch zu erkennen. Zum Glück hatte sie Phobys Karte eingepackt, bevor sie losgegangen war. Diese war ihr nun sehr nützlich und sie fand ohne weitere Mühe ihr Ziel.
Da stand sie nun und betrachtete diesen völlig verwahrlosten Wachturm, den sie zu verteidigen hatte. Sie wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. Dieses Wrack von Wachturm würden die Winterdämonen doch im Vorbeigehen einfach so niedermachen!
Fröstelnd zog sich Shari die Jacke enger um die Schultern. Da hatte sie sich ja eine schöne Suppe eingebrockt! Sehnsüchtig dachte sie an die Wärme in der Taverne, den Kamin mit seinem Feuer, die Fagerleuer während des Sommers, an all die tollen Menschen und Tiere, die dort ein und ausgingen – und fühlte sich sehr sehr allein.
«Hey! Hallo du!» rief sie dem Wachturm zu. «Ich bin's, Shari!»
Sie ging zu ihm hin und legte ihre Hand auf einen seiner Stützpfeiler. Schliesslich ist Höflichkeit Ehrensache!
Verwundert hob sie einen Ziegel auf, der genau in diesem Moment zu Boden fiel. Sie seufzte leise. «Der ist ja noch morscher, als ich gedacht habe», brummte sie etwas unwirsch vor sich hin.
Etwas ratlos blieb sie stehen.
Wie genau verteidigte man eigentlich einen Wachturm? Sie hatte ganz vergessen, Ben vorher zu fragen. Sie erinnerte sich, dass die Winterdämonen jegliche Kreativität verabscheuten. Aber hier draussen, in diesem dichten Nebel, irgendwo im Wald, fragte wohl auch kaum jemand nach Büchern?