Nein, er würde sich nicht mehr regen und überhaupt keine Antwort geben. Er würde ganz einfach schweigen, denn er wollte ganz einfach seine Ruhe! Der Wachturm zog alle seine Holz- und Mörtelporen zusammen, dachte fest an sein Ziegeldach und schloss dann seine Augen. Er wollte nichts hören, nichts sehen, nichts spüren.
Ganz fest versuchte er, wieder einzuschlafen. Doch es war wie verhext: Jedesmal, wenn ihn der Schlaf übermannen wollte, flog ein Vogel nahe an ihm vorbei, raschelte es unten in den Büschen oder lieferten sich die Mäuse im Erdgeschoss ein Wettrennen. Der Wachturm begann sich ernsthaft zu überlegen, ob er ihnen kündigen solle - er bevorzugte ruhige Mieter.
Vorsichtig blinzelte er nach unten, um nachzusehen, ob die Menschenfrau, welche sich als «Shari» vorgestellt hatte, noch immer da war. Inständig hoffte er, dass sie verschwunden sei. Weg, auf Nimmerwiedersehn.
Wut begann ihn zu erfüllen, als er entdeckte, dass sie nicht nur immer noch da war, sondern es sich unter dem ersten Stockwerk offenbar bequem gemacht hatte. Was erlaubte sie sich eigentlich, hier auf SEINEM Grund und Boden? Sich einfach so einzuquartieren? Wer war sie überhaupt? Wer hatte sie geschickt? Warum war sie hier? Und vor allem: Was genau machte sie dort unten?
Bei all diesen vielen Fragen war an Schlaf nicht mehr zu denken.
Schlecht gelaunt begann der Wachturm vernehmlich zu husten und dann laut zu schimpfen. Die Vögel, die unter seinen Dachziegeln wohnten, flogen erschreckt auf. Die Mäuse erstarrten und trauten sich nicht mehr, auch nur noch ein Schrittchen zu machen. Sogar die Eule, sonst die Ruhe und Gelassenheit in Person, liess ein erstauntes Räuspern hören und flog dann auf einen benachbarten Tannenwipfel.
Die Menschenfrau, die sich Shari nannte, war aufgesprungen. Mit beiden Händen bedeckte sie ihren Kopf. Denn ob all dem Husten und Schimpfen hatte sich wieder Mörtel gelöst, welcher nun auf sie hinunterrieselte. Auch sie begann nun zu husten, denn der Mörtel war staubig. Als sich auch die Holzbalken zu schütteln begannen, segelte eine grosse Staubwolke direkt auf Shari hinunter.
Der Nebel und der ganze Staub verbanden sich zu einer grauen, trüben Masse, welche den Wachturm und seine nächste Umgebung einhüllte und es beinahe unmöglich machte, überhaupt noch etwas zu sehen.
Ha!
Der Wachturm war zufrieden. Dieser Frau Shari hatte er es gezeigt. Bestimmt würde sie nun Reissaus nehmen und ihn ein für allemal in Ruhe lassen.
Zufrieden hustete er noch ein- zweimal und schloss dann seine Augen. Bestimmt konnte er jetzt endlich schlafen.