Tharin lag nicht mehr unbewegt auf dem Boden. Irgendwann zwischen meinem letzten Hinsehen und jetzt hatte er sich aufgerichtet und sein ganzer Körper war von lautlos schwirrenden Flammen bedeckt.
Goldgesicht versteifte sich, während es herumfuhr. Dorthin, wo Tharin stand und fassungslos an sich hinab schaute. In seinem Gesicht standen dieselben Fragen geschrieben, die auch mich erfüllten.
Was, bei allen Göttern und Geistern, ließ seinen Körper wie eine verdammte Fackel brennen?
Ich kam nicht dazu, die Frage zu stellen. Er war schneller als meine zähflüssigen Gedanken und meine steingewordene Zunge. Er packte Goldgesicht am Arm und riss ihn von mir fort. Dort, wo seine Hand den Umhang des Maskenmannes berührte, fing dieser Feuer. Aus dem knisternden, kalten Feuer, wurde eine Feuersbrunst, die wie eine Hand nach Tharins Widersacher griff, ihn umschlang und mit gnadenlosem Griff umfasste. Ein Schrei, der kaum mehr menschlich zu sein schien, kämpfte sich aus Goldgesichts Kehle hinaus in die Freiheit. In seinen starren Augen regte sich blankes Entsetzen, während das Feuer zischelnd über seinen Körper leckte und seine Haut und seine Haare versengte. Der Geruch von Rauch und verbranntem Fleisch ließ mir die Übelkeit in den Rachen steigen.
Ich war es gewohnt, Menschen sterben zu sehen, aber nicht so. Nicht so lange, so laut, so deutlich, so grausam. Ein schneller Stich, ein wenig Blut, und meist war es damit erledigt. Goldgesicht warf sich auf die Knie. Magische Flammen fraßen ihm die Haut von in den Grund gekrallten Fingern. Er schrie, ohne dabei den Mund zu öffnen. Aber er starb nicht.
Von namenlosem Grauen erfüllt, bemerkte ich, wie sich unter seinen brennenden Fingern bereits Knochen zeigten. Und dann wieder Fleisch, Muskeln, Haut. Die blutenden, blasenwerfenden Wunden schlossen sich. Er heilte.
Ich hob den Blick und taxierte Tharins leichenblasses Gesicht. Er schaute zu mir auf, öffnete den Mund, um eine Frage zu stellen, und ich sprang vor, packte seine Hand und schrie: »Lauf!«
Aber er lief nicht. Wie vom Donner gerührt blieb er stehen. Ich zog an ihm, zerrte und riss an seinem Arm, aber Tharin bewegte sich nicht einmal. Er starrte mich nur an, fassungslos, entsetzt. Sein Gesicht war so reglos wie das unseres Widersachers.
»Wir müssen jetzt gehen.« Ich schrie ihm diese Worte nicht entgegen, obwohl ich genau das tun wollte. Ich sprach sanft und andächtig, aber ich ließ ihn nicht einen Moment lang aus den Augen. »Und wenn du etwas weißt, oder tun kannst, um uns schneller von hier fortzubringen, dann tu es jetzt.«
»Ich weiß gar nichts.«
Aber er log. Seine Augen sprachen die Wahrheit. Vielleicht wusste er es nicht, aber er spürte es. Etwas. Möglicherweise einen Ausweg. Oder auch nur eine Ahnung. Aber etwas war da, und nur Angst hielt ihn davon ab, nachzugeben.
Ich packte ihn bei den Schultern und schüttelte ihn so fest, dass die Flammen auf seiner Haut erloschen. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie Goldgesicht unter Schmerzen die Feuer auch auf seiner Haut erstickte. Uns lief die Zeit davon.
Wir brauchten einen Ausweg. Jetzt und hier.
»Du weißt etwas«, entschied ich. »Tu irgendwas.«
»Tu du irgendwas!«, blaffte der Seher wütend zurück. »Bist du nicht die hellsehende, zukunftswissende Freundin des Schwarzen Engels? Bei den Göttern, du solltest diejenige sein, die unsere Köpfe aus den Schlingen zieht und nicht ich!« Seine Stimme bebte, ob vor Anspannung oder Wut, wusste ich nicht. Aber sie bebte vor Erschütterung. »Ich bin ein Niemand!«
»Haben das die Mönche gesagt?« Ich schüttelte ihn noch einmal, diesmal so fest, dass seine Zähne klapperten. »Sie irren sich. Anders hätte mich niemals mit dir geschickt, wenn du unwichtig wärst. Und die Stimmen würden dich nicht heimsuchen.«
»Selbst wenn, ich weiß nichts.«
»Dann lauf!«
Mit einem Ruck zerrte ich an seinem Arm, schleuderte ihn herum und spähte zurück. Goldgesicht hatte die Flammen erstickt. Einzig über seine Finger züngelten sie noch und zogen sich langsam in seine Fingerspitzen zurück. Magie umschwirrte seine Fingerkuppen. Ich sah ihn mit lautloser Stimme einen Zauber flüstern.
Plötzlich war er fort. Ich fuhr herum - und prallte mit voller Wucht gegen ihn. Es riss mich von den Füßen und ich stürzte rücklings ins Gras, wie ein Käfer.