Lucianas Besuch in meinem Stadthaus ist eine Überraschung. Was könnte sie von mir wollen? Unsere Treffen, so regelmäßig sie auch sind, finden üblicherweise auf dem Gelände des Kaiserlichen Marstalls statt. Doch für heute Abend hat sie sich ankündigen lassen, und ich habe, ganz der Etikette folgend, ein Abendessen vorbereiten lassen.
Während des Essens unterhalten wir uns über die üblichen Themen, Politik und Pferde, doch ich denke währenddessen auch ständig über ihre Motive nach. Was will sie hier? Sie hat stets einen Hintergedanken, einen Plan, dem sie folgt. Mit Sicherheit hat sie von meinem Erfolg mit der Stute gehört. Ist das der Grund, unseren Kontakt zu intensivieren? Was könnte sie sich davon versprechen? Will sie an meinem Erfolg teilhaben? Wie könnte sie das? Will sie mir möglicherweise einen Rahja- oder gar Traviabund antragen? Ich sollte erfahren, was sie plant, um entscheiden zu können, ob mir der Plan zum Vorteil gereicht. Ich biete ihr daher eine Gelegenheit, sich wahrlich unter vier Augen, selbst ohne Fellachen um uns herum, mit mir zu unterhalten, indem ich nach dem Essen eine ruhige Ecke des Innenhofs mit ihr aufsuche, wo wir uns setzen und die angenehm kühle Luft des Sommerabends genießen können.
Eine Weile diskutieren wir noch die Gerüchte über die aktuellen Geschehnisse am Eslamidenhof, bis sie das Thema wechselt. Sie hat sich für das Essen ebenso herausgeputzt wie für die Besuche im Kaiserlichen Marstall, und ein Hauch eines teuren Parfums weht zu mir herüber, als sie sich vertraulicher in meine Richtung beugt.
“Eglamo, ich weiß, dass auch du zu mehr bestimmt bist als dein sozialer Status dir erlaubt, genau wie ich”, beginnt sie. Ihre Augen sind fest auf meine gerichtet, und sie lächelt mich vielsagend an. Will sie mich ablenken, um einen Handel zu ihren Gunsten zu beeinflussen? Ich bin gespannt. “Sicherlich hast auch du schon viele Jahre darüber nachgedacht. Der einzige Weg zu mehr Einfluss ist die Zugehörigkeit zur Nobleza.”
Ich nicke zustimmend - selbstverständlich habe ich alle anderen Möglichkeiten bereits gründlich durchdacht, und keiner der Wege ist gangbar.
“Für uns ist es langsam zu spät. Du hast, genau wie ich, niemanden gefunden, der dir diesen Weg eröffnet hat.” Ihre Stimme ist emotionslos, analytisch, als sie diese schlichte Tatsache benennt.
Wieder nicke ich. Dieser Handel steht uns wahrlich kaum mehr offen.
“Ich habe aber einen Vorschlag. Gemeinsam können wir die Beziehungen der Adelshäuser vielleicht so lenken, dass wir einen Weg finden - wenn wir zusammenarbeiten!”
Nun hat sie mein Interesse geweckt. Ein anderer Weg? Ich beuge mich neugierig vor. “Was ist dein Plan? Und was hast du davon?”
Sie lächelt. Natürlich weiß sie, dass es darauf hinausläuft. Was haben wir davon, uns zu verbünden? Ihre Augen blitzen, als sie mir ihren Plan darlegt: “Vereinigen wir uns in einem Traviabund. So werden wir von außen als Einheit angesehen, als eine Familia, und können die Vorteile, die jeder von uns hat, zu unser beider Vorteil einsetzen. Zeugen wir ein paar Kinder und sorgen dafür, dass wir uns den Familien der Nobleza nähern, die ebenfalls Kinder im passenden Alter haben. Wenn wir es schaffen, die Familias mit Traviabünden zu verbinden, werden wir die Möglichkeit haben, die Geschicke des Landes über unsere Nachkommen zu steuern!”
Verblüfft lehne ich mich zurück und denke nach. Der Plan ist gut. Er ist zeitintensiv, aber, so er gelingt, lohnend. “Ein paar Unwägbarkeiten sind dabei”, stelle ich nüchtern fest und sehe sie an. “Wir brauchen die passenden Verbindungen. Und die Kinder müssen ansehnlich und gut erzogen sein, um einerseits einen guten Eindruck zu hinterlassen, und andererseits gehorsam zu sein.”
Sie nickt zustimmend. “Natürlich ist der Plan nicht vollkommen, aber wenn wir uns mit den Göttern gut stellen, haben wir recht gute Erfolgsaussichten.”
Meine Blicke wandern über ihren Körper, der sich unter der Kleidung, die sie trägt, ein wenig abzeichnet. Die Idee ist in der Tat nicht schlecht, und die Vereinigung mit ihr sicherlich auch lohnend.
Sie lächelt mich wieder vielsagend an, als sie meine Blicke bemerkt, und lehnt sich lasziv in ihrem Stuhl zurück. “Wenn du einverstanden bist, könnte ich gleich heute Nacht bei dir bleiben.”
Was für eine Taktiererin! Eigentlich sollte ich noch einige Tage über ihr Angebot nachdenken, doch in mir regt sich Begierde, und das weiß sie auszunutzen. Eine rasche Entscheidung böte Vorteile … und was hätte ich zu verlieren?
Ich erhebe mich und reiche ihr die Hand, um ihr aufzuhelfen und gleichzeitig unseren Handel zu beschließen. “Ich nehme dein Angebot an!”