„Komm mit mir“, sagt er.
Mühsam quälen sich Worte an seinen Lippen vorbei.
„Draußen im Wald werden sie uns nicht finden.“
Ich lache. Lache meine Zweifel und meine Angst weg, nehme seine warme Hand. Rauhe Schwielen und winzige Schnittwunden. Aber warm. Das reicht mir, bin nicht anspruchsvoll. Längst nicht mehr.
„Komm schon, es ist nicht weit“, seine Stimme schmilzt sich ihren schmalen Weg in meinen schmerzenden Schädel, übertönt den beißenden Geruch von Urin und Desinfektionsmittel.
Will mich nicht entführen, will mich retten.
Wir fliehen in den Wald.
Wo das feuchte Moos nach Leben duftet und die Tannennadeln unter unseren Füßen die einzigen Schmerzen sind, die wir fühlen.
Ich lache, bin glücklich. Endlich wieder. Über uns scheint der volle Mond und lächelt gutmütig zwischen den Baumwipfeln auf uns herab.
Keine Gitter mehr, keine verschlossenen Türen und versperrten Fenster.
Keine weißen Wände, weißen Betten, kein weißes Rauschen im Kopf.
Schwarze Nacht, dunkle Schatten. Es riecht nach Leben.
Da drinnen ist nur der Tod.
Unter meinen nackten Zehen windet sich ein kleiner Wurm. Ich lache.
Seine Haare verfangen sich in den filigranen Ästen, ein Schleier wie ein Spinnennetz.
Er fängt mich darin ein, lässt mich nicht mehr gehen. Die klare Quelle auf der Lichtung macht mich nicht satt. Nur süße Lippen, Lippen auf meinen.
Die Schatten werden lauter, umringen mich, singen mich in eine geborgene Umarmung hinein.
Winde verwehen, Wurzeln bestehen. Vielleicht sollte ich nicht schreiben, denn meine Ehrlichkeit lässt keinen Platz zum Träumen.
Endstation. Sackgasse. Warum sind wir immer noch hier?
Hier im Krankenhaus, Klapsmühle sagt man nicht.
Die Störgeräusche werden lauter. Ein Keuchen, warmer Atem, langes Haar an meinem Hals. Schleier wie ein Spinnennetz und ich bin die Fliege.
„Komm jetzt, es ist schon spät.“
Ronja und Birk oder Bonnie und Clyde? Dr. Jekyll und Mrs. Hyde?
Es ist schon spät. Zu spät?
Die langen Zweige der Trauerweide streichen zart über sein Gesicht, umrahmen die feinen Züge, die wirren Strähnen auf seiner Stirn, dem Schleier des Spinnennetzes.
Feine, dünne Fäden und ich entkomme nimmermehr. Sein Gesicht ist das letzte, was ich sehe, bevor ich meine Augen schließe und mich fallen lasse.
Falle in den Schleier der Nacht, die Schatten kommen näher, streicheln meine Wange.
„Lass mich nicht allein.“
Er oder ich? Wir lachen nicht mehr, denn der Spiegel zerbricht.