Prompt: Einfrieren
Er saß in einem Sitzungszimmer. An nichts mehr konnte er sich erinnern. Sein Gedächtnis war wie leer gefegt. Auch an seinem Namen konnte er sich nicht mehr erinnern. Der Sessel war bequem und das Licht war schummerig. Sein vis à vis lächelte und meinte: „Möchten sie noch einen Kaffee.“ Er nickte müde und eine unendliche Müdigkeit war in ihm. Der unbekannte Herr stand auf und verließ das Sitzungszimmer. Wenige Minuten später kam er mit einer wunderschönen Tasse und legte sie auf den Tisch vor ihm.
Er nahm einen Schluck und verbrannte sich die Lippen. Er hatte das Gefühl zu verdursten und bat um ein Glas Wasser. Der Herr verließ erneut das Zimmer und in der Zwischenzeit nahm er nochmals einen Schluck. Sein letztes Getränk müsste Jahre zurückliegen. Der glatzköpfige Mann kam erneut zurück und legte das Glas mit einem lauten Geräusch auf den Tisch. Er schrak aus seinen Gedanken auf. Ein Schluck Wasser müsste eine Wohltat sein. Wie Wasser schmeckte, wusste er nicht mehr. Er schien, einiges vergessen zu haben. Der glatzköpfige Herr meinte: „Sie können mich Fritz, nennen. Ja, Arthur, um 14.00 Uhr haben sie einen Termin in der berühmtesten Anwaltskanzlei in New York und erfahren dann mehr.
Wie fühlen sie sich?“ Ich antwortete: „Ich fühle mich wie in einem fremden Körper, es fühlt sich so komisch an und hoffe, dass sich dies legt. Im Kopf habe ich mühe, Gedanken zu formen und zu sprechen.“ Fritz nickte verständnisvoll und meinte: „Dies dürfte sich legen, um 16.00 Uhr haben sie einen ausführlichen Check-up in dieser Arztpraxis. Damit sie sich zurechtfinden, habe ich ihnen da einen der raren Stadtpläne auf Papier und die genauen Adressen und hier eine Zahlungskarte. Falls nach diesen zwei Terminen noch Unklarheiten bestehen, können sie mich jederzeit anrufen.“ Ich stand auf und schüttelte die entgegenstreckte Hand. Dann verließ ich das Sitzungszimmer. Fritz wies mir noch den Weg zum Ausgang. Im Treppenhaus angelangt las ich auf dem bronzefarbenen Firmenschild: „Number one Kryos Ltd.“
Mit dem Lift fuhr ich in das Erdgeschoss. Ich schien zu schweben. Auf der Straße angelangt, war es sehr düster. Ich schaute zum Himmel hinauf und sah schwebende Flugkörper. Es war alles so unrealistisch und unwirklich. Ich fühlte mich unwohl wie in einer fremden Welt. Die Menschen wirkten gestresst und schienen sich, im Laufschritt fortzubewegen.
Vor einer der raren Buchhandlungen blieb ich stehen und schaute mir die Buchauslage an, da sah ich ein Buch mit meinem Namen darauf. Ich entschied mich, hereinzugehen. Die Glastür öffnete sich lautlos und eine weibliche Stimme ertönte: „Willkommen, Arthur Meyer, treten sie ein.“ Im Laden fiel mir auf, dass gar kein Personal vorhanden war. Ein Roboter bewegte sich auf mich zu und fragte mit weiblicher Stimme: „Wie kann ich ihnen behilflich sein?“ „Ich würde gerne das Buch in der Auslage von Arthur Meyer anschauen.“ Die Antwort kam, ohne zu zögern: „Einen kleinen Moment bitte.“ Ich hatte gefühlt kaum 2 oder 3 Atemzüge genommen, da war das metallische Teil wieder vor mir und meinte: „Bitte seien sie vorsichtig, dies ist ein rares Buch und deshalb extrem kostbar.“ Ich nickte erstaunt und nachdenklich und nahm es entgegen.
Auf einer Sitzbank saß ich nieder und las das Vorwort: „Nachdruck des Romans von Arthur Meyer, anlässlich seines hundertsten Todestages. Arthur Meyer starb am 26. November 2019 an einer unheilbaren Krebsart. Ich kratzte mich am Kopf und dachte, dies muss eine Verwechslung sein. Nachdenklich verließ ich die Buchhandlung und wiederum ertönte eine freundliche Stimme: „Auf Wiedersehen, Arthur Meyer, danke für ihren Besuch.“
Es war bereits Mittagszeit, die Menschenmenge und das Gedränge hatten deutlich zugenommen. In einem Restaurant setzte ich mich nieder und schnell war ein Kellner bei mir. Er zeigte mir die Mittagskarte und ich bestellte das Schweinesteak mit Pommes frites und Salat. Mein Erstaunen war umso größer, als mir ein winziger Teller mit 9 Pillen in drei verschiedenen Farben getischt wurde. Die Pillen waren in Dreiergruppen gruppiert und auf dem Teller war die jeweilige Bezeichnung aufgemalt. Neugierig nahm ich eine Pille nach der anderen in den Mund. Sie schmeckten wundervoll und der Nebeneffekt war, dass man in weniger als eine Viertelstunde gegessen hatte. Ein Roboter kam vorbei, um einzukassieren. Dieser belastete meine Zahlungskarte mit dem entsprechenden Betrag.
Um 14.00 Uhr war ich bei der Anwaltskanzlei. Die Renommierteste in ganz New York. Sie war an der besten Adresse, an der Madison Street. Der Empfang war im Erdgeschoss und ich meldete mich dort an und musste zu einem Seniorpartner im zwanzigsten Stock. In dieser Kanzlei arbeiteten über vierhundert Anwälte. Oben angekommen empfing mich ein grauhaariger Herr, der sich mit Neil Smith vorstellte. Ich schüttelte ihm die Hand und war gespannt, was er mir erzählen würde.
Sein Büro war einfach phänomenal mit einer unglaublichen Aussicht. Wir setzten uns an den Besuchertisch. Er schaute mich aufdringlich an und meinte: „Ich bin froh, dass sie sitzen. Ich werde jetzt versuchen, ihre Fragen zu beantworten. Sie sind im Jahr 2019 an Krebs erkrankt und gestorben. Sie sind einer der 500 Menschen, die von der Number one Kryos eingefroren wurden. Bei diesem Kryonik-Verfahren wird der ganze Körper auf minus 196 Grad Celsius gekühlt. Dabei wird ein Frostschutzmittel verwendet. Es ist ein sehr kostspieliges Einfrieren. Hierfür haben sie seinerzeit eine große Summe bezahlt. Vor ein paar Tagen konnten wir sie zum Leben erwecken. Mehrere Chirurgen haben mittels „Tissue Engineering“, ihre defekten Gewebe mit Hauttransplantaten ersetzt. Sie sind der zweite Mensch, der erfolgreich zum Leben erweckt wurde. Leider muss ich ihnen mitteilen, dass sie keinerlei Familie mehr haben. Aber keine Bange, das Vermögen, dass sie seinerzeit in eine Stiftung einbrachten, wird ihnen mit ihrer Unterschrift zurück übertragen. Sie sind einer der reichsten Männer Amerikas.“ Ich schaute ihn überwältigt an und Tränen rollten meine Wangen herunter und die Frage blitzte in meinem Gehirn auf: „War dies damals eine weise Entscheidung gewesen?“
Ende