Meinapfel & Meinapfel
Rechtsanwälte
Fachanwälte für Märchenrecht
Marie Aurum-Gier (Goldmarie) ./. Mary Calamity (Pechmarie)
Hohes Gericht, verehrter Kronanwalt des Reiches,
Ich beantrage die Aufnahme von Ermittlungen gegen Marie Aurum-Gier wegen Betruges und Verleumdung.
Darüber hinaus beantrage ich die Aufhebung des Urteils, welches gegen die Mutter beider Frauen im Januar 1238 wegen Vernachlässigung eines Kindes, hier Marie Aurum-Gier, verhängt worden war, sowie die Erstattung der Reparaturkosten an den Fahrzeugen der Geschädigten Bin Ungeschickt und Farad al Planlos, die infolge der durch Schnee bedingten Rutschpartie und einer Kollision mit einer Hirschkuh entstanden sind, sowie die Kostenübernahme der Aufzucht des dadurch verwaisten Rehs Bambi durch Menschenhand.
Ich begründe meinen Antrag wie folgt:
Sachverhalt:
Im Winter des Jahres 1237 soll Marie Aurum-Gier in den Brunnen ihres Heimathofes „Verdammtvielarbeit“ zwecks wieder Herbeiführung einer, zuvor hinabgestürzten Spindel hinab geklettert sein, um diese zu holen.
Bei späteren Vernehmungen gab sie zu Begründung an, Angst vor ihrer grausamen Mutter Clara Sanftmut gehabt zu haben, von der sie fürchtete, wegen des Verlustes der Spindel bestraft zu werden.
Sie erwachte auf einer Wiese und irrte zunächst ziellos umher. Sie gibt an, einen Apfelbaum auf dessen Wunsch hin so lange geschüttelt zu haben, bis er der Last seiner reifen Früchte entledigt worden war sowie ein jammerndes Brot aus einem Ofen geholt zu haben.
Beim weiteren ziellosen Umherstreifen durch die ihr unbekannte Landschaft traf sie auf eine großzahnige Frau, die sich als Frau Holle ausgab, und die ihr vollmundig versprach, sie belohnt wieder nach Hause zu führen, sollte sie sich um Frau Holles Bettwäsche kümmern.
Die Frau gab an, unter Gicht und anderen orthopädischen Gebrechen zu leiden, die ihr diese Arbeit unmöglich machte. Hilfsbereit, wie sich Marie Aurum-Gier darstellte, willigte sie der Bitte ein, und schüttelte im Hotel der ältlichen, unansehnlichen Dame die Bettwäsche aller 100 Zimmer aus, wobei sich Schnee aus den Bettdecken löste und auf die Erde hinab rieselte.
Nachdem sie der Aufforderung nachgekommen ward, bat Marie Aurum-Gier, wieder nach Hause zu dürfen. Sie wurde zu einem Tor gelotst, und ihr versichert, beim Hindurchschreiten ihr Zuhause zu erreichen. Dabei wurde sie mit tonnenweise Gold überschüttet, unter dem sie zunächst zusammenbrach.
Wieder Zuhause wurde sie angesichts des unermesslichen Reichtums, den sie mitgebracht hatte, jubelnd empfangen. Ihre Schwester Mary Calamity wurde von der Mutter gebeten, denselben Weg auf sich zu nehmen, dieselben Dienstleistungen zu verrichten und ebenso belohnt nach Hause zurückzukehren.
Nach Angabe der Marie Aurum-Gier soll diese all den Aufforderungen aus Faulheit nicht nachgekommen sein, sodass sie beim Durchschreiten des Tores statt mit Gold mit Pech übergossen wurde.
Eine Vernehmung der jungen Mary war zunächst nicht möglich, weil ihr Mund vom Pech zugeklebt war und sie unter einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTS) litt.
Nach mehrwöchiger Therapie der jungen Frau war es unterdessen möglich, ihre Aussage zu Protokoll zu nehmen, sodass ich meinen Ermittler Bohre Tief beauftragte, den Wahrheitsgehalt zu verifizieren. Dessen Ermittlungen sind abgeschlossen und zu Protokoll gegeben. Beweise liegen mir vor und sind diesem Schreiben angefügt.
Somit beantrage ich eine Verfahrensaufnahme.
Der tatsächliche Sachverhalt stellt sich dar wie folgt:
Die Ereignisse, die hier zur Verhandlung stehen, ereigneten sich zwei Wochen vor der geplanten Hochzeit Mary Calamitys mit Huld Reich, dem Sohn des Gutsherrn Ofalko Reich, dessen Gebiete an die westlichen Felder des Hofes Verdammtvielarbeit grenzen. Die bevorstehende Verehelichung wurde von Marie Aurum-Gier neidisch beäugt, weil sie ihrerseits Begierden auf den gutaussehenden und intelligenten jungen Mann richtete. So suchte sie nach einem Weg, die Ehe zu verhindern, bei dem ihr der Zufall des Spindelverlustes zur Hilfe kam.
Gemäß Aussage des Knechtes Spitz Harke pflegte Marie ihre Schwester in ähnlichen Situationen selbst in den Brunnen hinabzuschicken oder vergleichbare nieder Arbeit zu verrichten, bei der sie sich ihre edlen Kleider verunreinigen, aber vor allem ihre Blondhaarfrisur derangieren könnte, auf die sie großen Wert legte, die ihr jedoch bezüglich des Begehrten Huld Reich wenig nutze, weil der eine fleißige Gemahlin reinen Herzens suchte und vor allem eine Vorliebe für schwarzes Haar hegt.
Sie kletterte demnach selbst hinunter in den Schacht, stürzte und erwachte auf einer Wiese, auf der ein schmaler dunkelhaariger Kerl in Jeans und alter Lederjacke interessiert auf sie hinabsah.
Nach anfänglichem Misstrauen habe sie dem zunächst ihre Lage erläutert. Später, bei mehreren Bechern Met, an einem rauschenden klaren Bach, berichtete sie gleichwohl zornig von der Aussicht, ihren Geliebten nicht heiraten zu können, weil ihre Schwester Mary vor enervierender Rechtschaffenheit nur so berste, und der diese zu allem Überfluss auch noch liebe.
Der Dunkelhaarige, dessen Motiv und Identität zunächst noch unklar waren, versprach, Marie zu helfen. Zu diesem Zweck sollte sie einige Tage im grünen Tal verbleiben, damit in der Folge ihre spätere Darstellung glaubhaft wäre.
Unterdessen liegen uns Motiv und Zeugenaussage des Lederjackenträgers Loki Odinsson vor. Ich verweise auf Anlage B., nach der er einräumt, der Sache aus reiner Langeweile und Boshaftigkeit nachgegangen zu sein, zumal ihm Marie Aurum-Gold gefallen habe, deren niederträchtige Charaktereigenschaften sich mit Gier vereinten.
Die Stunden im Tal verbrachten sie mit ausschweifendem Nacktbaden im klaren Quellwasser des Baches und mit ekstatischem Sex.
Als er sie späterhin, nach einem Metfrühstück nach oben verabschiedete, war ihr Plan bereits geschmiedet. Er gab ihr Instruktionen mit nach oben und überschüttete sie, der Glaubwürdigkeit wegen, mit Gold.
Nach dem euphorischen Jubel der überarbeiteten Mutter beider jungen Frauen, suchte Marie ihre Schwester Mary auf, erzählte die Geschichte von Apfelbaum, Brot und dem Hotel der alten Frau, die sie in Ermangelung einer besseren Idee Frau Holle benannte, und motivierte Mary, hinab in den Brunnen zu steigen.
Diese zeigte sich in Ermangelung von Gier zunächst wenig begeistert. Sie gab an, vor ihrer Vermählung alle Kühe melken, die Ernte einfahren zu müssen, darüber hinaus sei ihr Hochzeitskleid nicht fertig und sie habe sich beim Heudreschen einen Fuß verstaucht.
Marie Aurum-Gier aber gelang es mit Renitenz, die fleißige Schwester zu überreden. Nach Aussage des Knechtes Combine Harvester und der Magd Groba Kittel kletterte Mary C., gewandet in Outdoor-Bekleidung und Trekking Schuhen, am diesigen Morgen des 12.12. 1237 in den Brunnenschacht. Die Bediensteten halfen ihr dabei. Knecht Combine Harvester äußerte, am Tag des Ereignisses bereits in großer Sorge gewesen zu sein, da die Betroffene nicht mit viel Geschicklichkeit ausgestattet wäre, und sie auch recht schnell einen gellenden Schreckensschrei von unten hinauf hallen hörten.
Mary Calamity ist seit wenigen Tagen wieder vernehmungsfähig. (Anlage C Gutachten der Psychologen Sigmund Hilfdir & Christine Gustava Jung) und schildert die unten erlebten Ereignisse wie folgt:
Die grüne Wiese, auf der sie zu landen gekommen wäre, zeigte sich zunächst menschleer. Nachdem sie sich aufgerappelt habe und mit nunmehr zwei verstauchten Füßen eine Weile ziellos umhergetappt wäre, wurde sie von mehreren Apfelbäumen an krakeelt, sie solle sie gefälligst schütteln, damit sie nicht unter der Last ihrer Früchte zusammenbrächen. Mary Calamity, die zu einer altruistischen, hilfsbereiten Person erzogen worden war, schüttelte den ersten Baum mit all ihrer zu Verfügung stehenden Kraft, wobei sämtliche Äpfel gezielt wie Geschosse auf sie herniedergingen und ihr blaue Flecken und Beulen verursachten. Unter Schmerzen und mit einem blauen Auge wäre sie auf der Suche nach einem Ausgang umhergetappt, wurde aber von einem Gequengel aufgehalten, das sich im ersten Augenblick wie ein weinendes Kind unter Qualen angehört haben soll. Angelockt von dem nach Hilfe schreienden Wesen, folgte sie dem Weinen, bis sie an einem Ofen stand, aus dem ein Brot jaulte, fertig gebacken zu sein und hinausgenommen werden zu wollen. Nach einigem Suchen fand Mary einen Schieber in der Nähe des Ofens, jedoch so hoch in einem Baum hängend, dass sie sich eine Trittleiter zur Hilfe herbei holen musste.
Unter Tränen gibt sie bei der Befragung zu Protokoll, dass ihr die ganze Angelegenheit spätestens an der Stelle seltsam hätte erscheinen müssen, aber das Weinen des Brotes habe ihr Herz erweicht, sodass sie plante, spätestens nach Herausnahme des Brotes nach einem Ausgang zu suchen, ganz gleich, wer da noch weinen möge.
Beim Erklimmen des Baumes, bei dem es sich um ein Nadelgehölz handelte, zog sie sich Verletzungen durch die Nadeln zu. Mit eben diesen gespickt erlöste sie das Brot aus dem Ofen und wurde zum Dank beschimpft, weil der Vorgang zu lange gedauert habe und das Brot nun von zu dunkler Farbe wäre.
Mary Calamity entzog sich der Schmähungen, wanderte humpelnd weiter und traf schwer verletzt auf die hässliche Frau mit den zu großen Zähnen, die ihr versprach sie nach Hause zurückzuführen, sobald sie einige Arbeiten für sie erledigt habe.
Das vormals aus 100 Zimmern bestehende Hotel, dessen Bettzeug Mary ausschütteln sollte, offenbarte sich jedoch als verdoppelt, sodass Mary, unter Qualen, entstanden durch zwei verstauchte Füße, Prellungen, hervorgerufen von gewalttätigen Äpfeln und Stichwunden vermittels Tannennadeln, mehrere Tage mit Arbeit beschäftigt war. Mary gibt an, keinen Lohn erhalten zu haben und keine Pausen machen zu dürfen. Ihre Versuche, in diesem Unternehmen eine Gewerkschaft zu finden, verlief allein dadurch im Sande, dass sie die einzige Arbeitskraft im Hause zu sein schien.
Die Frau, die sich als Frau Holle vorgestellt habe, zeigte sich als äußerst unzufrieden mit Marys Arbeit und erniedrigte sie täglich durch Schmähungen und Beschimpfungen, sodass sie das Mädchen nach wenigen Tage mit den Worten, es wäre zu nichts zu gebrauchen, durch das Tor nach Hause schickte, nicht ohne sie zuvor, anstatt mit Gold mit Pech übergossen zu haben.
Erschöpft und pechschwarz brach sie auf dem Hof neben dem Brunnen zusammen. Als sie der Tatsache gewahr wurde, dass sie den Termin ihrer Hochzeit versäumt habe, erlitt sie einen Ohnmachtsanfall, aus dem sie mehrer Tage nicht erweckt werden konnte. Sie wurde vermittels eines Ochsenkarrens in das naheliegende Krankenhaus „Besser nicht“ verbracht, wo sie nur langsam und mit der Hilfe ihres Verlobten genas.
Marie Aurum-Gier gebärdete sich am heimischen Hof unterdessen wie eine Zicke, weil ihre Rechnung nicht aufgegangen war. Statt ihre mit Pech überzogene Schwester zu verstoßen, stand deren Verlobter ihr, trotz deren plötzlichen Kurzhaarfrisur, die eine Folge der Pech-Entfernung war, bei, was nicht das Ziel des Unterfangens gewesen wäre. So suchte sie den Regisseur des Dramas, jenen Loki Odinsson auf, um ihn zur Rede zu stellen. Außer reich, gab sie empört an, wäre sie nun nichts.
Der junge Mann gab sich zerknirscht, da sein Trick offenbar zu Hause aufgefallen war, und er somit nichts weiter unternehmen könne, da ihm Bestrafung seitens seiner erzürnten Mutter drohte.
Jene Dame suchte meine Kanzlei vor vier Tagen, am 12 März 1238 auf, und gibt zu Protokoll nicht Frau Holle zu sein. (Anlage D Aussage Frigg Valakjalfs). Ihr Sohn Loki Odisson habe das Mädchen Marie Aurum-Gier zufällig gefunden, und in ihr eine junge Frau gesehen, die ihm eine Plattform für seinen üblichen Unsinn böte. Auf Nachfrage über die Motive ihres Sohnes gibt sie an, dass er in der Regel keines Motives bedürfe, den Unsinn lediglich um seiner selbst willen anstellte. Sie persönlich sei auf das Äußerste gekränkt, von ihm so hässlich dargestellt worden zu sein. Bei einer Gegenüberstellung der Dame Frigg mit den jungen Frauen Marie Aurum-Gier und Mary Calamity erkannten sie beide in der schlanken Gestalt lieblichen aber willensstarken Gesichtes, deren Haar geflochten wie zwei Schnecken über den Ohren saß, keineswegs die vermeintliche Frau Holle wieder.
In einem Verhör Loki Odinssons, im Beisein seines Anwaltes Ragna Röck gab er zu, seine Mutter selbst kopiert zu haben und es besser nicht hinzukriegen. (Anlage D. Vernehmungsprotokoll vom 13.3 1238)
Problematisch für die Beweisaufnahme erweist sich weiterhin das Beharren Marie Aurum-Giers auf ihrer ursprünglichen Aussage, von ihrer Mutter stets unterdrückt und misshandelt worden zu sein.
Dies konnte durch Zeugenaussagen der Knechte C. Harvester, H. Schober und der Mägde G. Kittel, sowie Spring Insheu glaubhaft widerlegt werden.
Nach Abschluss der Ermittlungen erlaube ich mir folgende Anträge:
Verfahren gegen Marie Aurum-Gier wegen Betruges gem. § 2 Abs 2 Satz 1 mit besonderer Schwere der Schuld.
Aufhebung des Urteils gegen die Mutter gem. § 53 Abs. 3 Satz 6 wegen Vernachlässigung und Gewalt gegen Schutzbefohlene.
Kostenübernahme der kostspieligen Reinwaschung von Pech an Mary Calamity, sowie Übernahme der Hochzeitskosten derselben mit ihrem Verlobten Huld Reich.
Erstattung der Kosten, die durch Auffahrunfälle im Schnee verursacht worden waren gem. § 78 Abs. 4 MäZivGB
Das Verfahren gegen Loki Odisson wegen Betruges aus niederen Beweggründen kann nur an das Gericht von Asgard übergeben werden, jedoch beantrag ich die Entsendung des Gerichtsbeobachters Lins Schäle und der vereidigten Protokollantin Tipsi Rasch.
In Erwartung Ihrer Antwort und mit freundlichen Grüßen
C. Meinapfel
Fachanwältin für Märchenrecht