(Sixty Minutes 18 h 40 bis 19 h 37 Prompt: "Fluch der Zigeuner")
Meinapfel & Meinapfel
Rechtsanwälte
Fachanwälte für Märchenrecht
Befana Hex ./. Prinz Norbert Erd
in der Nebenklage
Solana Rucola (Rapunzel) ./. Prinz Norbert Erd
Hohes Gericht, verehrter Kronanwalt des Reiches,
namens und im Auftrag meiner Mandantin Befana Hex beantrage ich die Aufnahme des Verfahrens gegen den Prinzen Norbert Erd wegen Verleumdung, Falschanzeige und Entführung, sowie gefährlichen Stalkings.
Als Nebenklägerin tritt Principessa Rucola auf.
Ich nehme Bezug auf die Ausführungen der Gegenseite:
Im Sommer des Jahres 1382 soll die Königin Vega Grün ihr eben geborenes Kind meiner Mandantin Befana Hex überlassen haben, um einer Anzeige wegen Mundraubes und Diebstahls zu entgehen. Angeblich habe Befana Hex das Kind mit dem lächerlichen Namen Rapunzel belegt und in einen türlosen Turm gesperrt, den sie selbst nur vermittels Nutzung des ellenlangen Haarzopfes des Mädchens erreichen konnte, um dasselbe mit Nahrungsmitteln zu versorgen.
Sie soll hierzu den Spruch: Rapunzel, Rapunzel lass‘ dein Haar herunter benutzt haben.
Norbert Erd Prinz aus dem nahe gelegenen Königreich Dickehose habe sich in das Mädchen verliebt und sich den Spruch zunutze gemacht, um es zu besuchen. Angeblich verliebte sich Rapunzel stehenden Fußes in ihn und beabsichtigte, mit ihm zu fliehen. Der Prinz behauptet, Befana Hex habe von der tiefen Liebe der jungen Menschen erfahren und das Mädchen dahingehend bestraft, ihm das Haar kurz zu scheren und es in die Wüstenei Gabi geschickt zu haben. Gemäß Aussage des Prinzen N. Erd habe er die Kammer des Mädchens aufgesucht, aber anstelle der Prinzessin eine Hexe, hier meine Mandantin, vorgefunden, die ihn verhöhnt und des Augenlichtes beraubt habe. Er sei nach eigenen Angaben in der Folge blind durch die Wüste Gabi geirrt, wo er die Prinzessin getroffen habe, die ihn allein mit ihrer Liebe geheilt habe. Gemeinsam seien sie in sein Reich eingekehrt, wo sie glücklich lebten, bis an ihr Lebensende, zumindest sei dies ihre Absicht gewesen.
Der Nebenklägerin Prinzessin Solana Rucola, die sich entgegen oben stehender Aussage in der Gewalt des Prinzen befand, gelang nach einigen Wochen die Flucht und suchte meine zu Unrecht beschuldigte Mandantin zwecks Hilfeersuchen auf. Beide Frauen musste sich über vier Tage in besagtem Turm verschanzen, gegen den der Prinz, unterstützt von geharnischten Gefolgsleuten, anrannte. Allein der Intervention eines Befanas bekannten Anwaltes, Ragna Röck, war die Erwirkung einer einstweiligen Verfügung zu verdanken, die die Truppe des Prinzen zum Rückzuck nötigte.
Beide Frauen übertrugen mir das Mandat zwecks Richtigstellung des Sachverhaltens und Anklageerhebung. Deren Aussagen wurden bis zum heutigen Tage vermittels investigativer Ermittlungen bestätigt, und von Zeugenaussagen untermauert.
Demnach widerlege ich den vom Prinzen N.Erd behaupteten Sachverhalt wie folgt:
Die Mutter der Prinzessin Rucola machte sich zum Zeitpunkt der Schwangerschaft der unterlassenen Hilfeleistung an einer Gruppe umherziehender Spielleute, genannt Zigeuner, schuldig, indem sie sie nicht verköstigte, wozu eine Königin im gesamten Märchenkontinent Lilalu gemäß § 3 Absatz 1 Untertanenfürsorgegesetz verpflichtet ist.
Da die Spielleute, hier; Zigeuner, laut Aussage des Zigeuners Schubert Nitzel in einem verschneiten Winter um Schutz und Nahrung ersuchten, die Königin aber auf ihren Kornsäcken hocken blieb, belegte Bina Achttragend, die Mutter Sch. Nitzels, die herzlose Königin mit dem Fluch, von nun an und fürderhin ausschließlich Salat essen zu wollen, davon aber vierundzwanzig Stunden täglich, sodass sie ihre Kinder vernachlässige und verhungern ließe.
Hiernach reiste die Truppe im Schneesturm ab, da sie von der höhnisch gackernden Königin vertrieben worden war. Dabei bediente sie sich ihrer Ehrengarde, die den Fliehenden vermittels eines Katapultes Kühe nach schossen, von denen eine die Mutter des Zeugen Sch. Nitzels schwer verletzte, indem sie auf ihr zu Liegen kam.
Nichtsdestotrotz befand oben stehender Zeuge Sch. Nitzel das ungeborene Kind für schuldlos am Zynismus der leiblichen Mutter und bat bei einer Teezeit im darauffolgenden Frühling meine Mandantin Befana Hex darum, sich um das Kind zu kümmern, sobald es geboren war.
Befana Hex fühlt sich Kindern über alle Maße verpflichtet. Dem hohen Gericht ist bekannt, dass sie seit mehr als 2000 Jahren jeden Januar ihren Besen mit Säcken voller Geschenke belädt, die sie, vormalig im südlichen Raum des Kontinents, an Kinder verteilt. Ihr Wirken beschränkt sic nur deswegen auf den Süden, da die Kinder der nördlichen Hemisphäre von ihren Eltern unter Androhung von Strafe verboten bekommen, an sie zu glauben. Als Leumund lade ich die Heiligen drei Könige zur bevorstehenden Verhandlung, die meiner Mandantin etwas schuldig sind, da sie es absichtlich versäumten, sie rechtzeitig über die Geburt des Herrn zu informieren.
Meine Mandantin suchte das Kind etwa drei Monate nach dessen Geburt und fand es vernachlässigt in stinkenden Windel im Bankett eines Rapunzelfeldes, über das die Königin kauend streifte und keine Anstalten machte, die Mitnahme ihres eigenen Kindes zu verhindern. Meine Mandantin sagt aus, die Frau habe ihr noch nach gewinkt und sich bedankt. Dabei haben Salatblätter aus ihren Mundwinkeln geragt.
Auf dem verdreckten Strampler des Babys war der Name Rapunzel gestickt. Meine Mandantin hielt den Taufnamen für eine Folge geistiger Umnachtung und nannte das Kind fortan Solana Rucola.
Die Aufzucht und Versorgung des Mädchen erfolgte keinesfalls in einem türlosen Turm, der ausschließlich durch die Nutzung des langen Haars des Mädchens zu erreichen gewesen wäre.
Gemäß beigefügtem Gutachten des Ingenieurbüros Klapp Leiter, sowie der Kinderärztin Susi Wohlfühl verfügen Kinder erst mit zunehmendem Alter über ausreichend Haarwuchs, um es als Seil zur Verfügung stellen zu können. Zur Untermauerung verweise ich auf das Zusatzgutachten des Haarlologen Zöpfchen H. Ornkamm. Darüber hinaus lege ich dem Gericht in der Anlage C. den Bauplan des Architektenbüros Torre Pisae vor, dem es bitte entnehme, dass dem Turm zwei Türen und eine Treppe zur Verfügung stehen.
Auf der Grundlage des Prinzen Behauptung, zu Erlangung des Turmes wäre der Spruch „Rapunzel, Rapunzel lass‘ dein Haar hinunter“ ist ersichtlich, dass besagter Prinz auf Drängen der leiblichen Mutter der Prinzessin um eben diese warb. Niemand außer der Mutter hat Kenntnis vom albernen Taufnamen der jungen Frau.
Principessa Solana Rucola sagt aus, dass sie eine innige Verbindung zu Befana habe, die sie zeit ihres Lebens, demzufolge schon als Kind auf Hexentreffen sowie späterhin auf Parties zum Blocksberg mitgenommen habe. Circa ein Jahr vor dem ersten prinzlichen Übergriff, der zu den tragischen Ereignissen der Entführung führte, wurde S. Rucola auf einem solchen Fest von der Walküre Magda Aude dem Lebenskünstler Denzel Ude vorgestellt. Die beiden Menschen verliebten sich unsterblich ineinander und führten eine Fernbeziehung, die S. Rucola nach einem in der Zukunft liegenden Gespräch mit ihrer Ziehmutter festigen wollte.
Bis dahin litt die Nebenklägerin schmerzlich unter der Distanz zu D.Ude, die nur einmal monatlich unter Zuhilfenahme eines von Aladin zur Verfügung gestellten Teppichs überwunden werden konnte. An den restlichen Tagen des Monats diente der Teppich dazu, die Kammer Rucolas mit Harmonie zu füllen.
Im Mai des Jahres 1401, als die Beziehung zwischen D.Ude und S. Rucola eine intime Dimension angenommen hatte, begann der Prinz N.Erd das Stalking der Prinzessin, indem er unvermittelt in ihrer Kammer stand und ihr langes glänzendes Haar über den grünen Klee lobte.
Zuerst zeigte sich die Nebenklägerin weder verängstigt noch besorgt. Vielmehr war sie gereizt und warf den unliebsamen Verehrer hinaus. Nach einem weiteren Besuch bat sie ihn nicht nur, sie in Frieden zu lassen, sondern verwies auf ihre Verlobung, wobei sie es sich nehmen ließ, den zu ihren Füßen liegenden Teppich zu präsentieren. Von der Liebe der Prinzessin zu einem anderen erzürnt, nutzte der Prinz seinen Schwengel und urinierte auf das Stück, was es unbrauchbar machte.
Dennoch sah S. Rucola von einer Anzeige ab und beschränkte sich auf einen gewaltigen Arschtritt, der den Stalker aus dem Fenster bis nach Feuerland Mitte beförderte.
In der Folge belästigte der Prinz sie jedoch weiter, indem er täglich vier bis elf Fanfarenbläser aussandte, die ihn und seine Liebesgedichtdeklamtion ankündigten. S. Rucola konstatierte für sich, dass die Liebe des Prinzen weniger ihrer Person als ihrem Haar gelte, sodass sie den nahegelegenen Salon Edward Cissors aufsuchte, um sich eine Kurzhaarfrisur schneiden zu lassen.
Entsetzt über die Entfernung des langen Haares entführte N.Nerd S. Rucola in sein Reich und sperrte sie in einen türlosen Turm.
Meine Mandantin Befana Hex hielt sich zum Zeitpunkt der Entführung bei den Ohrenärzten Statler and Waldorf auf, da sie infolge der inflationären Fanfaren nahezu ertaubt war. (Sie Befund vom 12.5.1401)
Verängstigt und in Sorge informierte sie den Verlobten der Entführten und entsandte einen ihrer Raben zwecks Hilferuf an das fahrende Zigeunervolk, mit dem sie eng befreundet wäre. Sch. Nitzel eilte auf einem der vier apokalyptischen Pferde eilends herbei, und versäumte es nicht, D.Ude unterwegs aus dem See White Russia zu fischen und ihn mitzubringen. In Bademäntel und ätherische Dämpfe gehüllt erarbeiteten sie einen Plan zwecks Rettung Rucolas. Zumal D.Ude während des Verzehrs von Mozarrella di Buffala in Tränen ausgebrochen sei und beklagt habe, seine Geliebte fehle ihm sehr.
Sch. Nitzel belegte N.Nerd mit einem Distanzfluch der Zigeuner, der ihn temporär erblinden und gegen jeden Pfeiler laufen ließ. Dergestalt gelang der Prinzessin die Flucht, sodass sie und D.Ude wieder zusammen fanden.
Gemeinsam entschlossen sie sich zur Anklage des Prinzen N.Erd.
Abschließend erlaube ich mir unten stehende Anträge:
Anklageerhebung gegen den Prinzen Norbert Nerd wegen Stalkings gem. § 19 Abs. 1 Satz 1 MäStrGB,
sowie wegen Entführung gem. § 36 Abs. 2 Satz. 3 MäStrGB und Nötigung nach §99 Abs.2 MäStrGB.
Sowie Verleumdung meiner Mandantin Befana Hex gem. § 66 Abs. 1 MäStrGB und Vortäuschung einer Straftat gem. §12 MäStrGB
Zivilrechtlich erlaube ich mir im Sinne der Nebenklägerin Prinzessin Solana Rucola die Erstattung des Reiseteppich gem. § 1 Abs.1 Satz 1 MäBGB.
In Erwartung Ihrer Antwort verbleibe ich mit freundlichen Grüßen
C. Meinapfel
-Fachanwältin für Märchenrecht.