Ich wartete, bis mein zukünftiger Chef zurückkam. Ach ja, heute ist die Verbindung zu Luca nicht besonders gut. Ich spüre es, wie schlecht er die Gedanken empfangen kann. Es liegt vermutlich an den meteorologischen Bedingungen. Ihr ahnt es, es wird diesmal kurz. Aber es ist mir wichtig den Kontakt regelmäßig aufrechtzuerhalten.
Auf seinem Tisch lag ein Dokument mit der Aufschrift "Geheim" ich überflog den Titel und mir stockte der Atem. Auf dem Papier stand tatsächlich „Auflösungszeremonie“. Was hatte dies zu bedeuten?
So, bevor er zurückkommt, kann ich euch noch erzählen, was ich herausgefunden habe. Es ist doch viel komplexer, als ich dachte. Zuerst einmal, wieso sieht man von der Erde aus, nichts von dieser Welt? Dies ist ganz einfach beantwortet, weil es wie bereits erwähnt sehr hoch über der Erde liegt. Etwa 1000 km hoch in der Luft, da ist es wirklich nicht verwunderlich, dass man nichts sieht.
Wenn ihr mal sterbt, dann gibt es noch vier Konkurrenzwelten, die ähnlich funktionieren. Ihr müsst euch dies vorstellen, wie die Kontinente auf der Erde. Ein Leben ist in jeder dieser Welten möglich, ist aber wie von Kontinent zu Kontinent auch sehr verschieden. Der Zufall entscheidet in welche Welt man nach dem Tod gelangt. Es ist nicht viel anders als bei der Geburt, da ist doch auch alles ziemlich Zufall, ob man mit einem goldigen Löffel geboren wird oder in einem Slum. In unserer Welt gibt es das Paradies und die Hölle und die Zwischenwelt in der ich mich befand. Das Paradies war mein Ziel.
Da ist er ja mein Chef. Ich begrüße ihn freudig. Er guckt auf die Ablage und die Zornesröte steigt in ihm auf. Er schaut mich entgeistert an und meint: "Das ist wohl nicht dein Ernst, hast du da rein geschnüffelt?" Ich verneine. Aber dann lacht er und brüllt: "Hältst du mich eigentlich für blöd! Ich kann deine Gedanken lesen und sehe, wie du gelogen hast und vor Angst zitterst! Die Auflösungszeremonie ist heute Nachmittag, da kannst du mal dabei sein und schauen, was mit den untreuen Seelen passiert." Ich erfuhr von ihm ein streng gehütetes Geheimnis: Nur etwa 20 % der Seelen, die hier ankamen, überlebten das erste Jahr.
Da wurde ständig mit anderen Zahlen hantiert, um die Angst tief zu halten. Ich nickte nur mit dem Kopf und war mir sicher, dass mein Urteil schon stand. Ich verließ meinen Chef in großer Angst und musste dringend in den Regenerationseimer. Ich war geschwächt und es war mir einfach alles viel zu streng. Den Weiterbildungskurs hatte ich die letzten Tage ausgelassen. Ich war ständig im roten Bereich. Was ich jetzt wieder angestellt hatte, hob meine Stimmung nicht gerade. So schnell ich konnte, begab ich mich zu den Räumlichkeiten mit den Eimern.
Nach drei Stunden verließ ich den Topf. Die Aufladung war bei lediglich 28 %. Dies war wirklich tief und ich fühlte mich entsprechend immer noch elendig. Der Nachmittag würde emotional sein.
Im Saal, in dem ich bereits zwei Mal war, fand die Zeremonie statt. Die Musik war fröhlich. Ich hatte noch nie zuvor so viele gleichgesinnte getroffen. Sie schienen in guter Stimmung und erzählten Witze. Und wie es ihnen toll ging. Langsam fing ich an zu zweifeln, ob sie wussten, was sie erwartete. Sie würden sich einfach in Dampf auflösen. Und auch dieser Zustand würde nicht lang dauern. Dann wäre gar nichts mehr von ihnen übrig.
Ich versuchte, dem Rätsel auf die Spur zu kommen. Die Geschichte war schlimmer, als ich dachte. Sie glaubten, dass sie die nächste Stufe hinaufsteigen würden, und wussten nichts von ihrer bevorstehenden Auflösung. Ich musste zugeben, dass es wirklich toll aufgezogen war. Gute Schlager. Dann folgte die Begrüßung. Der Oberste hielt eine Rede: "Liebe anwesenden Seelen. Mit diesem Fest danken wir euch für eure tolle Arbeit hier. Genießt die kommenden Stunden jetzt. Beim Abschluss bitte lauft den Gang hinunter. Ihr werdet in kleinen Gruppen dorthin geführt. Dort hat es eine Überraschung für euch!“
Es wurde eine Art Tanz vollführt. Und ich sah immer wieder kleine Gruppen verschwinden. Die Anzahl nahm stetig ab. Aber die armen Seelen ahnten ihr Schicksal immer noch nicht. Sie waren wie Opferlämmer. Also wie Lämmer, die man zur Schlachtbank führt. Für mich war es beängstigend, einerseits sah ich, wie verlogen alles war, und andererseits war ich aufgrund des Vorgefallenen nicht aus dem Schneider. Aber Ruhe bewahren. Vielleicht war es nur ein Sturm im Wasserglas. Und bis bald hoffe ich.
Prompt: Opferlamm