Ich war wieder richtig glücklich, als ich den Saal verließ. Mal schauen, ob es nun klappte. Und Marlies war hier. Ich war erfreut und traurig. Sie war gestorben. Kein Grund, glücklich zu sein. Meine Sandkastenliebe! Längst vergangene Erinnerungen tauchten auf. Jahrzehnte war es her. Zwei Kinder, die sich damals erfreuten an den kleinen Dingen des Lebens. Die sich Sandkuchen schenkten und einfach so glücklich waren.
Ich war tatsächlich in sie verliebt gewesen, und dann waren wir in der Grundschule zusammen und saßen nebeneinander. Wir erlebten die Freuden und Enttäuschungen eines normalen Schülerlebens gemeinsam. Die ersten Diktate, die guten und auch die schlechten Zensuren. Die leidigen Hausaufgaben und das lag Jahrzehnte zurück. In der noch vorhandenen Erinnerung eine schöne Zeit. Vielleicht wären wir ein Traumpaar geworden! Aber unsere Wege trennten sich.
Mein Vater nahm eine Stelle in Südamerika an und war der verantwortliche Ingenieur für ein großes Wasserkraftwerk. Die Sandkastenliebe brach in sich zusammen. Es folgten mehrere Jahre in einem Land namens Venezuela und der Besuch einer privaten deutschen Schule. Ich glaube, ich höre mit der Autobiografie auf, bevor ihr alle eingeschlafen seid, sogar ohne Eimer. War nur ein kleiner Scherz. In dieser Zeit erhielt ich den dicksten Brief in meinem Leben bestehend aus 29 Einzelbriefen mit Zeichnungen und so netten Wörtern. Alle fingen ähnlich an:
Wie geht es Dir?
Mir geht es gut! In der Schule haben wir beim Rechnen die ersten Rechnungsaufgaben mit einer kleinen Geschichte gelöst. Erzähl auch etwas von deinem Alltag! Hat es Indianer bei euch?
Selbstverständlich antwortete ich auf diesen dicken Brief und natürlich hat es Ureinwohner, aber sie sehen nicht so aus, wie man sich diese als Kind vorstellt. Wir kamen zurück in die Schweiz in eine andere Stadt. Natürlich dachte ich hin und wieder an Marlies aber unsere Wege waren auseinandergegangen.
War es jetzt Bestimmung sie hier wiederzutreffen! Ich hätte sie damals suchen müssen.
Die ganze Woche über fand ich sie nicht. Ich folgte meinen fixen Beschäftigungen d. h. Regeneration und Weiterbildung. Meine Motivation war schon höher gewesen! Hatte ich überhaupt eine Zukunft? Auf jeden Fall war ich hier noch sehr weit vom Paradies entfernt! Irgendwann hatte ich die Idee, mal in der Begegnungszone nachzusehen. Dort war ich noch nie gewesen. Und sie war tatsächlich an diesem Ort.
Es war naheliegend mit ihr einen Tee zu trinken. Sie war hocherfreut, mich zu treffen. Nach so vielen Jahren wieder mit der Sandkastenliebe zu reden. Sie teilte mir mit, dass wo ich weg war, sie in der Schule einen Brief an mich schreiben mussten während des Deutschunterrichts. Sie erzählte, wie sie als jüngstes Kind, also als Nesthäkchen aufgewachsen war. Und das hatte viele Vorteile. Als letztes Kind hatte man mehr Freiheiten und wurde mehr verwöhnt. Sie hatte immer wieder an mich denken müssen.
Sie hatte ein paar Männerbekanntschaften und es hatte sich nie etwas Dauerhaftes ergeben. Ich fragte sie, wie der Unfall passiert war. Sie erzählte Folgendes: „Ich fuhr schnell und einer kam auf meine Fahrbahn mit rasanter Geschwindigkeit, ich versuchte auszuweichen aber derjenige machte zeitgleich das Gleiche! Ich starb und sah von oben, wie die Feuerwehr kam, und versuchte uns zu retten. Hoffnungslos. Der Tod war absolut schmerzlos. Und auf jeden Fall überraschend!“ Ich sagte: „Wärst du nicht ausgewichen, wäre der Falschfahrer auch nicht ausgewichen.“ „Verstehst du! Unser Schicksal ist im vorausbestimmt!“ Ich erzählte von meiner Entdeckung in den geheimen Akten, über die Vorherbestimmung in unserem Leben. Natürlich auch das ich vielleicht für dieses Fehlverhalten in Dampf aufgelöst würde.
Prompt: Nesthäkchen