Heeeyyyy Leeeuuuteeeee!!!
Bin etwas spät, ich weiß. Aber wisst ihr was? Ich konnte und wollte mich nicht von meiner Liege bequemen; muss wohl am Sangria gelegen haben xD Ihr wisst ja, wie das so ist, wenn man einmal liegt, ne? Jedenfalls hab ich mir so gedacht, ich hau mal wieder in die Tasten. Ich weiß doch, wie sehr ihr meine Texte liebt. Und ich kann es durchaus verstehen. Einmalig und von bester Qualität. So mein Motto!
Ich soll euch ganz lieb von Martin grüßen. Der hockt auf dem Bett und liest so ’ne dämliche Liebesschnulze. Ich kann nur das Wort „Fernweh“ lesen; das andere ist von seiner Patschehand verdeckt. Ich weiß ja nicht, was er sich davon verspricht, aber hier spielt die Musik. Irgendwann wird er das noch erkennen, Wetten?
So, ich habe euch etwas zu berichten: Wir waren heute Morgen in der Stadt. Nicht zum Bummeln und auch nicht zum Kaffeetrinken. Nein, viel besser: Einkaufen.
Spannend, was? Wer jetzt denkt, hier kommt ’ne langweilige Geschichte, wie ich durch den Supermarkt schlendere, dem sei gesagt: Is’ nich’. Denn was ich in diesem kleinen Kaff erlebt habe, wollte ich unbedingt mit euch teilen. Also: Setzt euch hin und haltet euch fest. Jetzt kommt das, worauf die Welt gewartet hat: Mich. xD
Wir waren gerade auf den Parkplatz angekommen und Martin wollte am Automaten ein Ticket ziehen. Tja, ohne Kleingeld war das nicht möglich. Denn der Kasten war noch aus der Steinzeit. Woher ich das wusste? Na, die alte, deutsche Währung war nur überklebt worden, und die fünfzig-Pfennig-Abbildung lugte hervor, weil wohl ziemlich viele ihre Münzen daran gerieben hatten. Jeder kannte es, wenn das Geldstück eingeworfen wurde und im selben Moment unten wieder herausfiel. So war es auch bei Martin. Ich sah ihm dabei zu, wie er immer wieder die Prozedur wiederholte und anschließend fluchte. Und weil ich kein Unmensch war, half ich ihm.
»Gib ma’ her dat Dingen. Du musst das mit Gefühl machen. Sieh zu und lerne«, erklärte ich und nahm ihm die mit einer Patina versehene Münze ab, die ich wild über die freigelegte Stelle rubbelte, bis auch die anderen Abbildungen sichtbar wurden. Sogar ein Heiermann war über dem berühmten Groschen abgebildet. Ich merkte, wie das Metall warm wurde und warf es zügig in den Schlitz. Und dann geschah es. Martin lachte auf und mich anscheinend aus. Ich nahm die blöde Kupfermünze aus der unteren Schale und wiederholte das Ganze noch einmal. Mittlerweile sahen ein paar Passanten zu uns herüber. Ich wusste nicht, ob es an meinen Tritten gegen den Automaten lag, oder an meinen Worten, die ich dem Mistding entgegenspuckte. Nach dem sechsten Versuch wurde ich dann gestoppt. So ’ne Politesse im netten Kostüm und ’nem Gerät in der Hand. Ich erklärte ihr die Lage aus meiner Sicht, sie aus ihrer. Sie wurde lauter, ich auch. Am Ende unseres Gespräches erhielt ich dann einen Zettel. Zehn Euro Bußgeld stand drauf. War allemal billiger als ein Tagesticket, aber wir durften jetzt den ganzen Tag stehen bleiben. Warum nicht gleich so? Wir machten uns auf den Weg zum Supermarkt, der mit diesem ach so tollen Slogan und den dämlichen Fernsehwerbungen. Angekommen standen wir vor dem nächsten Problem. Kein Kleingeld. Die Münze hatte ich der dämlichen Schnepfe nämlich hinterhergeworfen. Dafür hatte ich einen zweiten Zettel von der Ordnungshüterin des Parkplatzes bekommen. War aber ganz gut so. Denn das Papier habe ich dann passend gefaltet und in den Einkaufswagen gestopft, bis das Schloss sich endlich öffnete. Ich war schon immer ein pfiffig Kerlchen. Und das sagte ich auch Martin, aber der rollte nur mit den Augen. Typisch.
Im Inneren des Geschäftes, das mit einem großen „E“ begann, dudelte dann dieses typische Radio. Bereits nach zwei Minuten wusste ich, dass Damenbinden im Angebot waren. Danach waren es Blutorangen und Blutwurst. Ich wusste ja nicht, wer die Reihenfolge festlegte, aber derjenige hatte definitiv Humor. Als dann noch der Ketchup sagenhaft günstig angeboten wurde, konnte ich mir mein Lachen nicht mehr verkneifen. Beinahe hätte ich die alte Schachtel umgefahren, die mit ihrem Rollator mitten im Weg stand. Ihr Blick war zum schießen, ihr Spruch nicht. Martin versuchte mich wegzuziehen, ich blieb jedoch eisern stehen und lieferte mir ein Blickduell mir der Alten. Wie in einem dieser schlechten Westernfilme, in denen sich zwei Cowboys ohne mit der Wimper zu zucken ansahen und ihre Hand an der Knarre bereithielten. Bei ihr war es ’ne Salatgurke im Körbchen an ihrer Gehhilfe, bei mir das Messer aus der Haushaltswarenabteilung, das ich für das Fleisch heute Abend brauchte. Ich habe sie nach unserem ersten Zusammentreffen nicht noch einmal in meiner Nähe gesehen. Merkwürdig. Wo war ich? Ach ja, genau. Zielstrebig schob ich den Wagen zur Fleischtheke. Nichts gegen Verkäufer oder so, aber wenn der Laden schon dafür Werbung machte, dann sollten die schon in der Lage sein, meine dreihundertachtundachtzig Gramm zu schneiden. Weder mein Bauchfleisch noch die Grillfackeln entsprachen meinen Wünschen. Was für Anfänger. War bei der Wurst übrigens genauso. Als Entschädigung hielt mir die Verkäuferin eine Scheibe hin. Auf meine Frage, ob ich acht Jahre alt wäre, schmunzelte sie nur und wedelte mit der Schinkenwurst hin und her. Sie war gut, schön würzig und deftig. Mein Kommentar auch.
Na ja, ich lief dann zu den Kühlregalen, wo ich dieses appetitliche Häppchen fand. Ich stupste Martin mit dem Wagen an, er erschrak und ließ einen Joghurt fallen. Meine Rufe nach einer Putzfrau waren ihm anscheinend unangenehm. Mir nicht. Als dann jemand kam, deutete ich auf meinen Schatz. »Er war's. Ich habe es genau gesehen.«
Die darauffolgenden Diskussionen, während wir weiter durch die Gänge liefen, waren grandios. Er war entsetzt über mein Verhalten, ich amüsiert. Später packten wir alles in den Kofferraum, natürlich noch immer diskutierend. Den Einkaufswagen schob ich zurück. Kurz vor der Box sprach mich eine ältere Frau an.
»Darf ich den haben? Chip oder fünfzig Cent?« Sie kramte bereits in ihrem Portmonee herum.
»Klar. Ist ’n Euro drin.«
Lächelnd nahm ich die Münze entgegen und wünschte ihr noch einen schönen Tag. Mir kam eine Idee, als ich bei Martin am Auto ankam.
»Hast du Papier?« Irgendwie musste ich die insgesamt zwanzig Euro Bußgeld doch wieder reinholen.
Wir waren dann noch in zwei Discountern, in einer Drogerie, in einem Tierladen – nur zum Gucken, versteht sich. Vier Euro verdient. Der Papiertrick funktionierte jedes Mal. Zum Schluss gingen wir noch in ein Café. Der Kuchen war fantastisch; in der Mitte mit einem weichen schokoladige Kern gefüllt. Die Bedienung hätte sich davon mal Lieber eine Scheibe abschneiden sollen, denn in ihrem Köpfchen fehlte es an jeglicher Füllung. Kam mir aber gelegen. Mit jetzt dreißig Euro mehr im Geldbeutel verließen wir das Lokal und machten uns auf den Weg zum Bungalow.
Mein Fazit: Knöllchen und Beamtenbeleidigung bezahlt.
Ja, so war das alles. Martin hat sich auch wieder beruhigt. Hab ihm eine Rose geschenkt. Die standen zum Mitnehmen einfach so draußen auf dem Gehweg. Es stand zwar „5 Stück“ auf dem weißen zerfledderten Zettel geschrieben, aber eine war mir dann doch genug.
So … ich werde jetzt mein Grillfleisch vorbereiten. Martin macht gerade Salat mit Avocadodressing. Kein Plan, ob das schmeckt. Ich hoffe nur, er findet das kleine Schokoladenherz zwischen den Blättern. Lag nämlich an der Kasse einfach so herum.
Bis bald und liebe Grüße von der Ostsee.
Darius, der Unwiderstehliche.